Fado – Kritik

Eifersüchtig in Lissabon: Jonas Rothlaender führt uns behutsam in eine psychische Welt, in der ein Blowjob im Close-up fatale Folgen haben kann.

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Bei der Wiederbelebung eines Menschen ist Rhythmus entscheidend. Möglichst gleichmäßige, feste Stöße auf den Brustkorb, man kennt das, wenn nicht aus dem Erste-Hilfe-Kurs, dann aus Film und Fernsehen. Trotzdem: Hier stößt jemand besonders gleichmäßig, besonders fest, fast zwanghaft. Die Kamera interessiert sich kaum für die mit dem Tod Ringende, sondern nimmt Arzt Fabian (Golo Euler) in den Blick. Und derart von unten gefilmt scheint es eher, als würde hier jemand verzweifelt vögeln, als um das Leben der anderen zu kämpfen. Eine Einstellung später ist Fabian allein in einem Zimmer mit der nun vom Tod Niedergerungenen. Bevor ein harter Schnitt auf den Filmtitel Fado diesen Prolog endgültig beendet, entfernt Fabian das Leichentuch vom Gesicht der jungen Frau und denkt nach.

„Was willst du hier?“ „Dich.“

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Das Nekrophile verliert Jonas Rothlaenders Film dann erst mal wieder, die Begebenheit ist aber ein wichtiger Trigger. Fabian fühlt sich vom Gesicht der Frau an seine Ex Doro (Luise Heyer) erinnert und reist ihr hinterher, nach Lissabon. Fado zwingt diesen Sehnsuchtsort für Spontanaussteiger fortan mit aller Macht ins Bild; der geneigte Lisboa-Fan kann schon mal die Schauplatz-Checkliste raussuchen. Und doch geht es Rothlaender, da kann der Titel durchaus irreführen, nicht um diese Stadt als geheimnisvolle Kraft, geht es nicht um Saudade, um die Geheimnise der Alfama, um den Fado. Denn es geht ja auch Fabian nicht um all das. Fabian geht es um Doro. Und die ist in Lissabon und betreut den Bau eines großen Hotels.

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Doro findet den penetranten Annäherungsversuch zunächst eher doof, vor allem als sie erfährt, dass Fabian nicht mal kurz zu Besuch ist, sondern nach Arbeit sucht und bleiben will. Es geht dann aber doch schnell: Sie verliebt sich zurück, man landet glücklich im Bett. Dass da aber was schräg ist und bleiben wird in dieser wieder aufgenommenen Beziehung, das ist klar. Symptomatisch: Fabian baut Doro ein Bett, aber der eigentliche Architekt heißt Francisco (Albano Jerónimo), ist ein bisschen älter und recht attraktiv, arbeitet mit Doro zusammen und lächelt Fabian von Fotos aus deren Kamera an. Fabian unterbricht sein eigenes kleines Bauprojekt. Er ist jetzt rasend eifersüchtig.

Fantasie der Fantasie

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Fado verschiebt auf angenehm unspektakuläre Weise seine Bilder ins Psychologische. Er macht uns zum Komplizen einer pathologischen Eifersucht, die ins Zentrum des Films drängt, die eine längere Geschichte hat, wohl auch der Grund für die Trennung war. Beim zweiten Sex nach dem Revival bleiben wir lange auf Fabians Gesicht – Entspannung sieht anders aus –, dann switchen wir zur genießenden Doro, und beim abermaligen Gegenschuss liegt dann auf einmal Francisco unten. Weniger ein Schockmoment als gelungene phantasmatische Verwirrung. Sind wir auf einmal bei Doros Fantasien angekommen, obwohl die doch vorher so klar als Objekt der Begierde, als Rumzukriegende, als weiblicher Lohn für männliche Bemühungen bestimmt war? Natürlich nicht. Wir sind endgültig bei Fabians Fantasie über Doros Fantasie angekommen. Und die ist gefährlich: Wo ich gevögelt habe, vögelt nun der schnieke Architekt (der zwar verheiratet ist, aber wohl nicht glücklich, der immer diese Andeutungen macht, der bei Begrüßungsküsschen mit Doro immer ein bisschen zu nah am Mund trifft!).

Kopfkino

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Das Problem wird alsbald auch explizit in der Welt des Films verhandelt. Doro hat genug, alles geht von vorne los, Fabian muss sich endlich in den Griff kriegen, sonst will sie nichts mehr von ihm wissen. Fabian kriegt sich nicht in den Griff, weil er alles im Griff haben muss. Jedes Wort nur ein mögliches Indiz für den Betrug. Fado gelingt ein bescheidener Balance-Akt, er verschränkt psychische und physische Realität ohne großes Tamtam. Die Fantasie-Bilder, die Fabians Eifersuchtsmaschine produziert, sind eher konsequente Weiterführung des psychischen Narrativs als langweiliger Mindfuck. Diese Bilder fragen nicht, ob sie wahr oder falsch sind, sie insistieren, suchen den Film heim, bringen eine eigene Wahrheit hervor. Und sie gehen konsequenterweise ans Eingemachte: Für den endgültigen Ausbruch sorgt ein Blowjob im Close-up, und da ist der Film dann endgültig eins mit dem Film, den Fabian fährt.

Eine Form der Nekrophilie

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Fabian hat Doro als Patientin kennengelernt, das erzählen die beiden einmal Doros Kollegen. So will der notorisch Eifersüchtige die von ihm Geliebten: als Objekte der eigenen Fürsorge. Aber in Rothlaenders Psychogramm geht es nicht nur um Besitzansprüche. Schon diese Pullis, die Fabian anhat – einer biederer als der andere –, dazu die dankende Ablehnung jedes alkoholischen Angebots, zeugen eher von Selbsthass. Nicht vorstellen kann sich der notorisch Eifersüchtige, dass er tatsächlich selbst gemeint sein könnte. Und wenn er es einmal doch kann, geht die Spirale los: Begehrt sie mich, dann kann sie theoretisch auch einen anderen begehren. Einen vielleicht, der nicht nur ein Bett baut, sondern ein ganzes Hotel.

So imaginiert dieser Film sein Thema nicht als kommunikatives Problem, das ein handelsübliches Arthouse-Drama mal eben lösen oder unauflösbar erscheinen lassen kann, sondern konsequent im männlichen Imaginären: als destruktives Begehren des nicht-begehrenden Körpers und damit, man denke an die tote junge Frau aus dem Prolog, vielleicht doch als Form der Nekrophilie.

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