Extraterrestrial – Kritik

Anal probe, brain control, crop circles … mit Extraterrestrial gehen die Vicious Brothers das ABC des Alien-Horrorfilms durch.

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2011 legte das Regisseursduo Colin Minihan und Stuart Ortiz, das sich selbst The Vicious Brothers nennt, mit dem Found-Footage-Horror Grave Encounters bei Produktionskosten von gerademal 150.000 Dollar einen Debütfilm hin, der bei Genrefreunden international recht positiv aufgenommen wurde. Dieser Erfolg führte schnell zu einem zweiten Teil, bei dem die beiden nur noch das Drehbuch verfassten und die Regie John Poliquin überließen. Sie selbst konzentrierten sich lieber auf das Filmprojekt Extraterrestrial, das aktuell beim Fantasy Filmfest seine Deutschlandpremiere feiert.

Altbekanntes Alien-Allerlei

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Die Regie für den neuesten Streich übernahm Colin Minihan alleine, gemeinsam sind die Vicious Brothers für das Drehbuch zuständig. Was in diesem Fall allerdings kaum heißen kann, dass sich die beiden eine Handlung im klassischen Sinne ausgedacht haben. Auch wenn man es aus dem Horrorgenre durchaus gewohnt ist, dass eine wirkliche Geschichte eher nebensächlich ist, die meisten Figuren rein funktional entworfen sind und über einen Status als Abziehbilder selten hinauskommen, ist die Handlungsarmut in Extraterrestrial selbst für diese Verhältnisse erstaunlich. Und das, was an Plot noch übrig ist, ist schon ziemlich verbraucht: Fünf Jugendliche verbringen ein Wochenende in einem Ferienhaus im Wald. Zwei davon haben sich den Trip eher romantisch gedacht, die anderen drei wollen einfach nur Party machen. Ihnen allen wird ein Strich durch die Rechnung gemacht, als ganz in der Nähe ein UFO abstürzt und Aliens Jagd auf die Kids machen.

Einen nicht geringen Teil ihrer bisherigen Lebenszeit scheinen Minihan und Ortiz mit dem Schauen von Alienhorrorfilmen verbracht zu haben. Bei ihrer Zuschauerschaft setzen sie einen entsprechenden Wissensstock voraus. Wer was warum genau eigentlich macht, ist für den Plot denn auch egal, Kausalzusammenhänge und Motivationen kann sich schließlich jeder individuell getrost aus anderswo Gesehenem zusammenklauben.

Come in Peace … My Ass!

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Die Topoi „Alien“ und „Raumschiff“ spielen in diesem Film zwar eine zentrale Rolle, aber letztlich hat man es hier wesentlich mehr mit einem Horror-Action- als mit einem Science-Fiction-Streifen zu tun. Wie sonst das Monster oder der Killer fungieren die Aliens hier ausschließlich als Anlass zur Angsterzeugung. Dabei wird in nahezu akribischer Weise kaum ein Stereotyp ausgelassen: Die Außerirdischen selbst treten als bedrohlich wirkende „Greys“ (die wohlbekannten großen, grauen, schlaksigen Figuren mit großen Köpfen) auf, hinterlassen gerne mal Spuren in Form von klinisch-sauber verstümmelten Tierkadavern, brennen manchem Opfer Kornkreismuster in den Leib, übernehmen die Kontrolle über menschliche Gedanken, entführen ihre Opfer mit den bewährten Levitationsstrahlen oder untersuchen unsereins mittels wenig behutsam eingeführter Analsonde. Auch auf sinistere Militärs samt mysteriösem Raucher wird nicht verzichtet. Als besonderes Special hat Michael Ironside, der in den 1980er Jahren in der Serie V – Die außerirdischen Besucher kommen (V, 1983–1985) regelmäßig als Alienarschtreter zu sehen war, einen Gastauftritt als verschwörungstheoretisierender Einsiedler. Im Angriff der Extraterrestrischen sieht seine Figur in erster Linie eine willkommene Gelegenheit, um endlich ihr qua amerikanischer Staatsbürgerschaft gegebenes Recht auf Verteidigung des eigenen Eigentums wahrzunehmen und dabei markige Sprüche rauszuhauen. Kann man die Klischees anfangs noch als gelegentliches selbstironisches Augenzwinkern empfinden, hat man es zum Schluss hin immer mehr mit einem hypernervösen Dauerblinzeln zu tun.

So plump der Plot, so effektiv das Affektkino

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Durch all die Querverweise aus der Pflicht einer sinnhaften Erzählung entlassen, kann sich die Inszenierung ganz auf Sinnlichkeit konzentrieren. Laut Minihan stand bei diesem Projekt mit drei Millionen Dollar ein enorm höheres Budget zur Verfügung als bei ihrem Einstandswerk. Für das aber, was damit audiovisuell auf die Leinwand gezaubert wurde, erscheint dieser Betrag immer noch recht gering: Bebendes Wummern oder ein hipper Soundtrack auf der Tonspur, hypnotische Farbverläufe und ein Actionparcours ohne Leerlauf. An einer Stelle scheint sich das Bild beinahe aufzulösen in all dem tosenden Lichtgewitter. Auch die sonstigen Special Effects können sich sehen lassen – besonders weil auf erkennbare CGI verzichtet wurde. Der Film wirkt weitgehend so, als wollten sich die Vicious Brothers damit einen Portfoliobeitrag schaffen, mit dem sie sich für ein zukünftiges Bombastprojekt empfehlen. Im Kontrast dazu wird das Publikum am Ende in einer beeindruckenden, verschiedene Ebenen und Wände durchfahrenden Plansequenz geradezu sanft aus dem Film entlassen. So plump der Plot ist, so effektiv ist das Affektkino, um das es in Extraterrestrial eigentlich geht, sodass die narrative Blutleere erst mit einiger zeitlicher Distanz zum Werk bewusst wird.

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