Entgleist – Kritik
Manchmal muss man sich eben zur Wehr setzen und über Leichen gehen. Das lernt Charles Schine (Clive Owen) in Mikael Håfström Genrefilm.

Adrian Lyne zeigte in Untreu (Unfaithful, 2002), seinem kongenialen Remake von Claude Chabrols La Femme infidèle (1969), wie sich die außereheliche Begegnung und Annäherung zweier Menschen zum Ausgangspunkt einer menschlichen Tragödie entwickeln kann. Der Engländer schaffte es, gleichzeitig einen packenden Thriller und das emotionale Drama einer Familie zu erzählen. Sein schwedischer Kollege Mikael Håfström, der für Evil (Ondskan, 2003) einen Auslandsoscar erhielt, und dessen Drehbuchautor Stuart Beattie, der bereits in Collateral ein auf vordergründigen Actionthrill konzentriertes Script vorlegte, setzen ganz auf die Spannungsmomente des Romans Entgleist (Derailed, 2003) von James Siegel. In ihrer gleichnamigen Verfilmung verzichten sie dafür auf eine tiefergehende psychologische Analyse der Figuren.
Håfströms Film ist in vielerlei Hinsicht klassisch, ja altmodisch. Wie in unzähligen Noir-Stoffen verfällt der Held (Clive Owen) einer Femme Fatale (Jennifer Aniston) und muss sich zum Schutz der eigenen Familie gegen Finstermänner zur Wehr setzen. Im Stile traditioneller Genrefilme entwickelt der Regisseur einen „twisted plot“ voller Überraschungen und Wendungen. In den besten Momenten erinnert Entgleist darin an die spannenden Drehbücher und Filme David Mamets. Doch altmodisch ist der Film auch in seiner moralischen Position. Über weite Strecken zwar subtiler inszeniert, ist Owens Charles Schine doch nur eine Variante des von Charles Bronson zum Leben erweckten Charakters Paul Kersey in Michael Winners Death Wish-Serie (1974-1994).

Schine hintergeht seine Frau und muss dafür, wie es im klassischen Hollywoodkino tradiert ist, einen hohen Preis zahlen. Während sich in Untreu ein gleichsam vielschichtiges wie tödliches Dreieck zwischen Ehepaar und Liebhaber entwickelt, lässt Entgleist die Position der Ehefrau gänzlich außen vor. Hier entspannt sich vielmehr ein Dreieck zwischen Schine, seiner Geliebten und einem Erpresser (Vincent Cassel). Charles’ Ehefrau wird in die Vorgänge zwar involviert, bis zum Ende jedoch nicht eingeweiht. So kann Håfström seinen Helden mit männlicher Gewalt, Brutalität und Rücksichtslosigkeit, die er im Verlauf der Handlung erst lernen muss, alle Probleme im wahrsten Sinne des Wortes beiseite schaffen lassen. Wie schon im Falle von Paul Kersey erhält der Protagonist auch hier am Ende eine moralische Legitimation und beinahe Absolution.
Sowohl Untreu als auch Entgleist enden mit einer Kamerakranfahrt, die sich langsam von einer Straße in die Höhe distanziert. Während am Ende von Untreu jedoch die völlige Zerrüttung und eine ungewisse Zukunft stehen, scheint die reaktionäre Welt von Entgleist wieder zurechtgerückt. Eine Filmwelt, die dem Betrachter nur allzu entfernt scheint.
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