End of Animal – Kritik

Auf der Straße ins Nirgendwo. Zwischen reduktionistischem Roadmovie und beklemmendem Kammerspiel changierend, vermittelt End Of Animal dem Zuschauer ein intensives Gefühl der Isolation.

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Irgendwo in der kargen ländlichen Umgebung von Seoul: Die hochschwangere Sun-Young (Lee Min-Ji) begibt sich per Taxi zu ihrer Mutter. Unterwegs steigt ein Anhalter zu, der sich von Beginn an als nicht besonders freundlich erweist. Nach kurzen Sticheleien demonstriert er sein Vermögen, aus den Gesichtern von Menschen zu lesen, wie er es nennt. Doch schnell wird klar, dass das, was er so detailreich aus dem Leben von Sun-Young und dem Taxifahrer zu erzählen weiß, die Fähigkeiten jedes noch so kombinationsbegabten Menschen weit übersteigt. Wenn der sinistre Mitfahrer schließlich einen unheilvollen Countdown anstimmt, erreicht End of Animal bereits nach wenigen Minuten seinen unheimlichen Höhepunkt.

Kurze Zeit später erwacht Sun-Young im Taxi, der Anhalter ist fort, und der Fahrer hat eine Notiz hinterlassen, dass weder Auto noch Handys mehr funktionieren würden und er auf der Suche nach Hilfe sei. Entgegen seiner Anweisung, im Auto auf ihn zu warten, beginnt Sun Young, alleine die Gegend abzusuchen, und dies wird nicht das letzte Mal sein, dass sie nicht auf jemand hört und sich damit in Schwierigkeiten bringt. Vor allem die Ratschläge des Anhalters, der sich lange auf die Rolle des unsichtbaren und allwissenden Beobachters beschränkt – in Kontakt mit ihr über ein Funkgerät, das als einziges nicht vom allgemeinen Stromausfall betroffen ist –, ignoriert sie immer wieder.

End of Animal 2

War die einleitende Sequenz ausschließlich im beklemmenden Innenraum des Autos arrangiert, wird diese klaustrophobische Atmosphäre nun vermeintlich aufgebrochen, wenn sich die Handlung ins Freie verschiebt. Doch die Stimmung ist keineswegs weniger bedrückend, im Gegenteil. In der öden Landschaft begegnet Sun-Young einer Reihe weiterer Menschen, deren Autos und Elektrizität ebenfalls plötzlich versagt haben. Sie haben das gemeinsame Ziel, zu einer Raststätte zu gelangen, die sich ganz in der Nähe befinden soll, um von da aus Hilfe anzufordern. Was sich einfach anhört, erweist sich als äußerst schwieriges Unterfangen, zumal sich die Figuren untereinander mehr Bedrohung als Hilfe sind.

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So karg und reduziert wie die Umgebung gestaltet sich über weite Strecken auch die Inszenierung der Handlung, die sich formal irgendwo zwischen Roadmovie und Kammerspiel einordnen lässt. Nur sehr selten wird der offene Raum in Totalen erfahrbar gemacht. Halbnahe bis Detailaufnahmen von meist nur kurzer Einstellungsdauer parzellieren die eigentliche Weite des Handlungsortes in kleine Einheiten, deren Enge die Figuren scheinbar auseinandertreibt. So sind sie meist auf jeweils eigenen Pfaden zwar permanent unterwegs, kommen aber nie wirklich voran und treffen schließlich immer wieder aufeinander, wobei jede Begegnung zunehmend merkwürdiger und gewalttätiger wird.

Was für eine Geschichte da genau erzählt wird, bleibt bis zum bitteren Ende offen. Handelt es sich um eine Art Science-Fiction-Film, ein äußerst ökonomisch und unaufgeregt gestaltetes globales Endzeitszenario, dessen spektakulärstes Element die Weißblende am Ende des vom Anhalter angestimmten Countdowns ist? Oder doch eher um eine Mystery-Erzählung, in der die Figuren vielleicht schon alle tot sind und sich in einem Zwischenreich bewegen? Vielleicht ist es auch nur Sun-Youngs ganz persönliches Psychodrama, in dem sie ihren traumatischen Beziehungskonflikt verarbeitet. Für alle Ebenen, von der weltumspannenden bis zur ganz individuellen, gibt es Hinweise, doch keine ausreichenden Belege.

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Die Grundstimmung, mit der der koreanische Regisseur Jo Sung-Hee sein Langfilmdebüt unterlegt, generiert das Gefühl von Isolation und Hilflosigkeit. Das gilt zum einen für die Figuren, die sich angesichts des stets deutlicher werdenden Ausnahmezustands auf sich selbst zurückgeworfen sehen. Am meisten nagt das Gefühl, außerhalb jeder Normalität auf sich allein gestellt zu sein, jedoch am Zuschauer. Die Figuren, obwohl selbst über die konkreten Hintergründe des Szenarios im Dunkeln tappend, scheinen doch alle stets über wesentlich mehr Wissen um ihre eigene Situation zu verfügen, als der Plot gewillt ist, dem Zuschauer zu vermitteln. Dass Sung-Hee nicht daran gelegen ist, dieses ungleiche Wissensverhältnis zum Spannungsaufbau zu nutzen, lässt sich bereits früh im Film erkennen. Schon bald wird die Wissbegierde des Zuschauers, die die Anfangssequenz noch zu erzeugen vermochte, durch ein stets zunehmendes Gefühl des Unbehagens verdrängt.

Entfernt fühlt man sich an Godards Weekend (1967) erinnert. Wie diesen zieht es auch End Of Animal in Richtung Experimentalfilm. Doch Godards exzentrischer Roadtrip bezieht seine Surrealität gerade aus der Menge an irrationalen Ereignissen. Sung Hees knapp zwei Stunden dauernder Film hingegen wird von Tristesse und Ereignislosigkeit – zumindest im konventionellen Sinn – dominiert, womit er selbst für strapazierfähige Zuschauer eine Herausforderung darstellt. 

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