Dune: Part Two – Kritik
In Denis Villeneuves zweitem Ausflug auf den Wüstenplaneten finden Informationsfülle und Kino der Attraktionen selten zusammen. Doch wenn das Material weder Pathos noch Kontext verlangt, fängt Dune: Part Two an zu glänzen.

Im Zuge der Promo für Dune: Part Two hat Denis Villeneuve gegenüber der Londoner Times zu Protokoll gegeben, dass er Dialoge hasse und sich in Filmen nur für starke Bilder interessiere. Diese und der Ton machten die Kraft des Kinos aus. Er weitet das zur Kampfansage gegen eine vom Fernsehen korrumpierte moderne Filmwelt aus, vor allem aber ist der Kommentar ironisch. Sein neuer Film wird nämlich über weite Strecken von Dialogen beherrscht. Sicherlich gibt es immer wieder die starken Bilder und das eindrückliche Kino, das er im Interview fordert. Die drei riesigen Wurmrachen mit ihren Reißzähnen, die über die Armee der Harkonnen herfallen; der Fall und Aufprall getöteter Soldaten vor den Füßen Pauls (Timothée Chalamet); die Fremen, die aus dem Sand auftauchen wie sich materialisierende Geister; die Weite und Verlorenheit in der Wüste: Viel gibt es zu bestaunen – nur findet dies in Pausen statt, wenn uns nicht gerade Information über Information per Dialog kredenzt wird.
Wer oder was ist ein Kwisatz Haderach?

Dass die Verfilmung des Romans von Frank Herbert Worte bedarf, ist klar. Bis ins Kleinste hatte sich der Autor ein eigenes interstellares Gesellschaftssystem aufgebaut und seinem Roman einen großen lexikalen Appendix beigegeben. Im zweiten Teil der Geschichte des ersten Romans wird Paul Atreides nun beim Wüstenvolk der Fremen initiiert. Sein Adelsgeschlecht wurde von der rivalisierenden Familie der Harkonnen ausgelöscht, die die Macht auf dem Wüstenplanten an sich gerissen haben – im Auftrag eines interstellaren Imperators (Christopher Walken). Bei den Fremen wird er Anführer des Freiheitskampfes und zum Messias, der nach jahrhundertelanger Zucht die Pläne des Nonnenordens der Bene Gesserit vollendet. Die gesamte Ordnung des Universums fordert er in einem von Intrigen durchzogenen Machtkampf heraus. Dieser erzählerische Grund ist durchzogen von erklärungswürdigen Kulturen und Religionen, von denen erzählt werden muss, will Villeneuve nicht nur die Fans erreichen, die selbst wissen, wer und was ein Kwisatz Haderach ist.

Das Problem von Dune: Part Two liegt aber eben nicht nur in der Fülle der zu vermittelnden Informationen, sondern darin, dass das affektive Kino und die Informationen nie zusammenfinden. Der Film gleicht hierin gewissermaßen Zwei Nasen tanken Super (1984). Dort hält das Roadmovie immer für die Scherze an und tritt kurzzeitig neben die Handlung, bevor es weitergehen kann. Villeneuve baut eine spannende Wüstenwelt mit flirrendem Licht, ausgebleichten Farben und Tempeln für das Heilige Wasser, mit eindrücklichen Würmern – selbst wenn sie oft nur Staubwolken sind, die sich durch die Gegend wälzen und auf denen ab und zu jemand steht –, affektiven Kämpfen und schicken Kostümen, aber der Handlung bleibt das alles fremd. Dass Paul sich den Respekt der Fremen verschafft, dass er einen Freiheitskampf führt, der das Universum erschüttert, dass er durch ein drogeninduziertes, spirituelles Nahtoderlebnis zu einem höheren Wesen wird, das erfahren wir durch die Dialoge. Zu sehen ist es nur bedingt.
Düsterromantische Attraktionen

Oft werden uns große, oft sehr nahe Gesichter gezeigt. Diese reden dann oder gucken zumindest sehr beredt. Wenn so das Geschehen durchgekaut wird, wird auch der Cast zum Problem, dessen Gesichter leblose Aussagen sind. Die sonst oft tolle Zendaya schaut als Chani beispielsweise entweder verliebt oder angefressen. Ihr Gesicht ist ein nuancenfreier Teil der ganzen Kommunikationsmaschine. Christopher Walken oder Rebecca Ferguson sind erfreuliche Ausnahmen, der eine, weil sein fast schon apathischer Gesichtsausdruck kaum zu fassen ist, die andere, da ihre innere Spaltung – sie spricht mit ihrem Fötus – in einem schwer einschätzbaren Gesicht dargestellt wird. Am besten ist aber Austin Butler, mit seinem weißgeschminkten, von jedem Haar befreiten Kopf sichtlich Teil des Kinos der (düsterromantischen) Attraktionen.

Seinen Tonfall ändert der Film kurzzeitig in der Mitte, wenn er einen Ausflug auf den Heimatplaneten der Harkonnen macht. Dort gibt es keine Kulturen auszuerzählen. Es gilt nur verkommene Dekadenz darzustellen. Zahlreiche wie beiläufige Morde aus Lust und Laune, gesichtslose, jubelnde Massen beim Brot-und-Spiele-Gladiatoren-Zirkus, Szenen fragiler sexueller Hörigkeit psychotischer Machtmenschen und ein Schwarzweiß mit extremen Kontrasten: Sobald das Material weder Pathos (oder Dekonstruktion desselben) noch Zusammenhänge verlangt, fängt Dune: Part Two gleich an zu glänzen. Umso deutlicher wird die Limitierung des restlichen Films.
Gemächlich und schludrig

Dune (Teil eins) war ein Film der Empfangshallen, Bankett- und Turnräume (und geil ekliger Schlammbäder). Ein Film von Begegnungen und Begegnungsstätten in unterschiedlichen Ausprägungen, was Materialien, Eindruck und Verfall angeht. Im zweiten Teil, der größtenteils in der Wüste spielt, verliert sich solch eine Struktur. Mal scheint es auf einen zeitgeistigen Clash eines „globalen Südens“ mit Kolonisatoren hinauszulaufen, da die Fremen durch Inszenierung und Casting Richtung arabische und afrikanische Muslime gedrückt werden – womit Villeneuve der Anlage Herberts zumindest seinen eigenen Twist mitgegeben hätte. Aber wie so vieles steht auch das nur herum. Dune: Part Two nimmt sich Zeit und lässt sich nicht hetzen, in seinem Pendeln zwischen Attraktionen und Informationen wirkt er aber doch überhastet und schludrig.

Ein zentraler Kniff der Buchreihe von Frank Herbert besteht darin, dass auf die detailverliebte Geschichte eines Messias, die voll Pathos und Mysterien erzählt wurde, mit Der Herr des Wüstenplaneten (Dune Messiah) ein zweiter Roman folgte, der diesen Messiasglauben kurz und knackig vor die Wand fahren lässt. Dune: Part Two betont dagegen jetzt schon die Zweifel am Heiland, lässt seinen Aufstieg dubios und berechnend erscheinen, durch Zendayas Figur wird er gar offen infrage gestellt. Villeneuve arbeitet dem Bruch der Vorlage entgegen und lässt seinen Film abermals offen enden. Es liegt nahe, dass die nun folgende Verfilmung von Dune Messiah sich nahtlos an seine bisherigen zwei Filme anschließt. Alles ist so konsistent und in einem einheitlichen, vor allem aber schwerfälligen und gleichförmigen Fluss gefangen. Wir bekommen durchaus eine reizvolle Welt, aber dafür hätte es nur der starken Bilder bedurft, nicht jedoch der endlosen, wüsten informierenden Wortbeiträge.
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