Die Unglaublichen 2 – Kritik
Nach 14 Jahren gibt es keine Zeit zu verlieren: Die Unglaublichen 2 will das Original verlustfrei in die Gegenwart versetzen. Von einer neuen Rollenverteilung in der Superheldenfamilie abgesehen, verweigert Brad Bird konsequent jedes Update.

Ob überfällig oder überflüssig, für eine lang reifende Filmfortsetzung ist es in jedem Fall empfehlenswert, animiert zu sein. Während lästig alternde Körper dazu zwingen, sie entweder digital zu verjüngen – bis hin zur Wiederauferstehung à la Rogue One – oder aber mit Mehrgenerationen-Plots à la Blade Runner 2049 das Beste aus der verstrichenen Zeit zu machen, liegt die Halbwertszeit bei menschlichen Stimmen deutlich höher. So sind im Animationsfilm der inszenatorischen Freiheit hier nahezu keine Grenzen gesetzt. Wie bereits mit Findet Dorie anno 2016 setzt Pixar nun mit der Fortsetzung seines 2004’er-Geniestreichs Die Unglaublichen (The Incredibles) auf die einzigartigen Möglichkeiten, die diese gewisse Zeitlosigkeit des Mediums bietet – und liefert damit zugleich ein Lehrstück für deren Risiken und Nebenwirkungen ab, das – so paradox dies zunächst klingen mag – von einer entweder deutlich längeren oder deutlich kürzeren Ziehzeit profitiert hätte.
Zurück auf Los

Nach 14 Jahren gibt es keine Zeit zu verlieren, und so geht Die Unglaublichen 2 direkt aufs Ganze. Das Auftreten des Tunnelgräbers in den letzten Momenten des Originals – damals eher nur ein prophetischer Seitenhieb auf die endlose Serialisierung des Superhelden-Genres – nimmt er beim Wort und als Ausgangspunkt, lässt also mehr als ein Jahrzehnt auf nur wenige Sekunden zusammenschmelzen. Das geschieht durchaus aufregend und mit der hochglänzenden Animation, den kreativen Actionsequenzen und der energetischen Filmmusik von Michael Giacchino in der bei Pixar zu erwartenden technischen Qualität. Sobald sich die Wiedersehensfreude aber ein wenig gelegt hat und der Film es sich in der Haupthandlung bequem macht, wird schnell klar, dass es Die Unglaublichen 2 weit weniger darum geht, das Original gereift und organisch aufbauend fortzusetzen, als es möglichst verlustfrei in die Gegenwart zu versetzen, und hierfür scheinen einige Veränderungen der familieninternen Rollenverteilung auszureichen: 2018 ist es Helen/Elastigirl, die – angeheuert von Medienunternehmer Winston Deavor – gegen Kriminalität und das nach den neusten Kollateralschäden ramponierte Image ihrer Zunft zu Felde zieht. Bob/Mr. Incredible hütet währenddessen zu Hause Baby Jack-Jack und dessen sich zunehmend Bahn brechende Slapstick-Superkräfte, während sich Sohn Dash und Tochter Violet (diesmal weitgehend erfolglos) an bedeutsamen eigenen Handlungssträngen versuchen. Gipfel der thematischen Innovation ist dann auch schon Antagonist Screenslaver, dessen Fähigkeit zur Bewusstseinskontrolle über flackernde Bildschirme immerhin im Ansatz als so etwas wie Gegenwarts-(lies: Medien-)kritik gelten kann. Abgesehen davon gibt sich der Film alle Mühe, die langen Jahre seiner Abwesenheit vergessen, wenn nicht gar ungeschehen zu machen.
Im eigenen Schatten

Diese erstaunliche Konsequenz, mit der Die Unglaublichen 2 einen Bezug auf eine im Vergleich zu 2004 radikal veränderte Medienlandschaft und auf sein nunmehr allgegenwärtiges Genre zum größten Teil verweigert und sich stattdessen auf seine unterhaltsamen Kernkompetenzen besinnen will, wäre dabei respektabel, gelänge es Regisseur Brad Bird nur, auch erzählerisch an seine damalige Höchstform anzuknüpfen. Während sich im Original alle Subplots fokussiert und nahezu ballastfrei zu einem kohärenten Ganzen zusammenfügten, das weit mehr ist als die Summe seiner eigentlich sattsam bekannnten Teile, scheinen hier die einzelnen Teile häufig kaum voneinander zu wissen: Incredibles 2 wirkt oft fahrig und unkonzentriert und fühlt sich nicht selten an wie das Protokoll einer Brainstorming-Session an, in der niemand so recht einen Satz zu Ende bringen konnte, und kaum als das dem Vorgänger ebenbürtige Herzensprojekt, das Brad Bird über Jahre hinweg immer wieder als einzig vorstellbare Fortsetzung bekräftigt hatte. Gerade nach einer bestürzend ungenutzt scheinenden Bedenkzeit von 14 Jahren kann ein Film, der sich derart nah an Bewährtes anschmiegt, am Ende nur im Schatten stehen – und wenn es der eigene ist.
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