Die Story – Kritik

Ein Journalist auf Rachefeldzug enttarnt die BRD der 1980er Jahre als koksbefeuerte Klüngelwirtschaft. Die Story ist eine rasende, fiebrige Vision, die offenbar, so unglaublich es scheint, völlig ernst gemeint ist.

Die Story von Die Story ist geradeaus, direkt und nicht an Komplexität interessiert. Das Gefühl, es mit dem Äquivalent einer Bravo-Fotolovestory zu tun zu haben, drängt sich auf. Manche Schlüsse und Kurzschlüsse des Geschehens und des sich entwickelnden Kontextes sind in ihrer (anscheinenden) Naivität auch schwer zu akzeptieren. Sprich: Es scheint mitunter eher unglaublich, dass das, was Die Story bietet, ernst gemeint sein kann. Und trotzdem gibt es kein Anzeichen dafür, dass dem nicht so ist. Vielmehr macht diesen Film aus, was viele Filme Eckhart Schmidts bestimmt. Nämlich, dass sie ihre Qualität genau daraus gewinnen, dass sie sich Netz und doppelten Boden verwehren. Die ambivalente Stärke dieser Filme beruht nicht auf einer Ästhetik, die Unsicherheit erzeugt, auch nicht auf vielschichtigen Argumentationsketten.

Ein Kind der 1980er Jahre

Das Grundgerüst ist hardboiled. Bei der Suche nach den Mördern seiner Freundin Raphaela (Sasa Thoman) deckt Journalist Raoul Miller (Tomi Davis) eine Verschwörung auf, die sich durch die repräsentativen Teile der Gesellschaft zieht. Politik, Kapital, Medien, Schickeria, Stars und Sternchen: Alle stecken mit drin – flankiert von Männern, die ungerührt und resigniert zynische Dinge sagen, von unschuldigen Frauen, die meist irgendwann nackt sind, sündigen Frauen, die Aufreizendes anhaben und nicht ganz sittlich agieren, und einer erst im letzten Moment ins Bild kommenden Öffentlichkeit, die von nichts etwas ahnt.

So klassisch das alles inhaltlich ist, so auffallend fehlen die inszenatorischen Insignien der Schwarzen Serie – expressive Schatten, Regen, Regenmantel und Hut – in der poppigen Welt dieses Films. Musik, Mode, die Discos und Lokale, die Büros und Straßen, die Inszenierung im Allgemeinen: Das gesamte Aussehen wirkt heute antiquiert, doch lässt es sich präzise einer Zeit zuordnen. Die Story ist ein Kind der 1980er Jahre. Oder genauer: deren Mitte. Was gerade deutlich macht, ein wie großes Augenmerk bei der Produktion auf Aktualität gelegt wurde. Und dieses Liegen am Puls der Zeit vermittelt wiederum ein Gefühl dafür, wie dringlich und ernst es dem Film mit seiner Botschaft ist, die sich direkt an seine Zeitgenossen richtete.

Was Raoul Miller aufdecken wird, ist ein offenes Geheimnis. Auf Handlungsebene wie für den Zuschauer. Ein von Raoul veröffentlichter Artikel in der M.Z., einer fiktiven Zeitung, die an die Bildzeitung und die B.Z. angelehnt ist, zieht den Mord seiner Freundin nach sich. Als Warnung an ihn. In diesem Artikel hatte er Personen der Öffentlichkeit mit Kokskonsum in Verbindung gebracht. So wie er diesen später studiert, um die Mörder von Raphaela zu finden – er wirkt, als lese er es zum ersten Mal –, hat er ihn eher unaufmerksam und ohne Rücksicht auf (gesellschaftliche) Konsequenzen geschrieben. Nun sucht er Rache, und je weiter sich die Kreise der Schuldigen ziehen, desto mehr verwandelt sich Die Story in die Geschichte eines Kreuzzuges. Wodurch der Film selbst zunehmend wie einer wirkt.

Bis zur Comichaftigkeit verdichtet

Die Breite der Gesellschaft wird durch einige exemplarische Personen versinnbildlicht. Über dieses limitierte Personal wird erst in der kathartischen Schlussszene hinausgeschritten. Die Orte sind ebenso limitiert. Alles ist bis zur Comichaftigkeit verdichtet. Der Score besteht aus drei Liedern des gerade erschienenen Albums Shimmer von Sal Paradise. Treibend sind sie zumeist, und repetitiv legen sich die immer gleichen, kurzen Stellen der Songs über das Geschehen. Rückblenden, Splitter von früher, legen sich beständig über das Jetzt. Sie führen zum Verlust von Raphaela zurück oder ordnen neue Erkenntnisse in die kleine Welt ein, wodurch sich die Atmosphäre mit Empörung und Betroffenheit auflädt. Und Raoul selbst, durch das Trauma des Verlusts stumm geworden, ist große Teile von Die Story nur noch bloßer Wille, der mit dem Blendwerk Reden nichts mehr anzufangen weiß.

Nichts wird ausgelassen, um einen Tunnelblick zu erzeugen. Alles Neue wird dem Bekannten einverleibt und die entstehende Enge hochgradig rhythmisiert. Die Ästhetik des Films ist eine hypnotische, weshalb er auch eher fern des Rationalen funktioniert. Zudem entwickelt Die Story kaum Körperlichkeit, Körper werden eher als Träger von Gedankengängen benutzt oder haben gleich etwas Illusorisches– einmal umarmt Raoul Raphaela, die zu dem Zeitpunkt schon tot ist und die nur per Überblendung seinem Bild beigefügt wurde, weshalb er gleichzeitig Kissen und eine Idee umschließt –, und so verlieren sich die von Wiederholung bestimmten Bewegungen des Films in einer emotional aufgeladenen Trance.

Die eine oder andere Nase zu viel

Deshalb kann hier auch ein Artikel, der nicht wie investigativer Journalismus wirkt, sondern wie ein Lausbubenstreich – er besteht im Grunde nur aus Vornamen und Initialen von Nachnamen, die mit diversen Synonymen für Kokskonsum verbunden wurden –, deshalb kann dieser Artikel also Morde, Drohungen und schließlich die Erschütterung der Grundfesten der Gesellschaft imaginierbar machen. Die Verkürzungen passen sich perfekt in die Atmosphäre von Dringlichkeit und Überstürzung ein. Deutschland in den Händen von Heuchelei und einer koksbefeuerten Klüngelwirtschaft: Dies wird zur rasenden, fiebrigen Vision, der sich entgegenzustellen gilt. Und die Ambivalenz des Ganzen liegt vielleicht weniger darin, dass der sich verwirklichende Kreuzzug so irrwitzig ist, dass es schwerfällt, ihn als ernst gemeint zu akzeptieren. Die Story wirkt vielmehr selbst so, als hätte sie die ein oder andere Nase zu viel gehabt. Möglicherweise ist alles eben auch ein rauschhafter Selbstexorzismus.

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