Die Dolmetscherin – Kritik
Who is she? Fragt sich Sean Penn. Nun, laut Drehbuch ist Nicole Kidman Afrikanerin. Unglaubwürdig genug…

Sidney Pollack inszeniert ein von Steven Zaillian mitgeschriebenes Buch, fotografiert von Darius Khondji mit Nicole Kidman und Sean Penn in den Hauptrollen. Das weckt hohe Erwartungen, denen Die Dolmetscherin (The Interpreter) nur selten gerecht wird.
Silvia (Kidman) belauscht ungewollt den Plan eines Attentates und gibt diese Information weiter. Von nun an wird Secret Service-Mann Tobin Keller (Penn) zum Übersetzer. Er muss die wenigen Aussagen der zugeknöpften Dolmetscherin interpretieren. Der gesamte Film zielt auf die eingangs von ihm formulierte Frage: „Who is she?“ Seine Skepsis grämt Silvia: „My Protector is someone who does not believe in me.” Daraufhin Keller: “I am not here to protect you.” Nun, der Film zieht einen Großteil seiner leidlichen Spannung aus den Fragen, wer wem was und an wen glaubt und wer wen vor wem beschützt. Außerdem, auch hier kann man getrost das Drehbuch beim Wort nehmen, bietet der Film noch eine Pro-UN-Message: „I believe in this place“.
Soweit wäre also die plotline des Genrefilms gegeben. Bliebe noch das, was Regisseur Pollack vermutlich am meisten interessiert hat: inhaltlich das Verhältnis der beiden Protagonisten und inszenatorisch die stilistische Umsetzung der Spannungssequenzen und des Handlungsortes.

Letzteres beweist die Handfertigkeit von Pollack und Khondji. Nach dem Prolog in einem afrikanischen Fußballstadion wechselt die Kamera an einen scheinbar Lichtjahre entfernten Ort: Manhattan. Hier ist alles groß, hoch, glitzernd, spiegelnd und schnell, selbst aus der Vogelperspektive kaum in den Ausmaßen zu erahnen. Das scheinbare Zentrum dieser Stadt in der Stadt stellt plötzlich das UN-Gebäude dar. Wie sich Khondji diesem Gebäude annähert, es evaluiert, erkundet und mit ihm schließlich auch die Titelfigur, das erinnert an seine Arbeiten in David Finchers Se7en (1995) und Panic Room (2002). Ohne Hast aber auch ohne Umschweife ist der Zuschauer mit dem Haupthandlungsort vertraut und dennoch wird der in den entscheidenden Momenten wieder als Labyrinth funktionieren. Aber bis zum Finale im UN-Gebäude vergeht Zeit, sehr viel Zeit für einen Spannungsfilm. Es sind beinahe eineinhalb Stunden vergangen, da schwingt sich das Duo Pollack/Khondji zu einer dramatisch rhythmisierten Sequenz sondergleichen auf, die beinahe alle wichtigen Figuren aus den verschiedensten Kontexten an zwei Orte zusammenführt. Dieses Kernstück des Films handelt in den entscheidenden Momenten von einer Busfahrt und degradiert die besten Szenen aus Speed (1994) zum Schultheater. Was eigentlich Fanal für das Finish sein sollte, ist jedoch nur die Vorstufe weiterer retardierender Momente und kann im eigentlichen Finale nicht mehr gesteigert werden.
Wie gestaltet der Regisseur zweier der berühmtesten Liebesfilme aller Zeiten (Wie wir waren, 1973 und Jenseits von Afrika, 1985) also das ambivalente, abwechselnd von Skepsis, Vertrauen, Zärtlichkeit und Verletzlichkeit geprägte Verhältnis der beiden Protagonisten, für das er sich auf Kosten der äußeren Spannung so viel Zeit nimmt?

Nicole Kidman ist vor allem schön und mysteriös. Pollack wandelt auf den Spuren des Lars von Trier, wenn er sich bemüht, ihre Verletzlichkeit, Unschuldigkeit und die dahinter lauernden Abgründe auszuloten. Doch die Fußstapfen des Dänen erweisen sich in diesem Fall als zu groß. Die Dolmetscherin wird im Laufe der Handlung immer eindeutiger von einer Frau mit doppelter Staatsbürgerschaft zu einer Afrikanerin. Nun leben wir nicht mehr in Zeiten, wo sich Amerikaner und Europäer unter Afrikanern nur dunkelhäutige Menschen vorstellen. Doch Pollacks Inszenierung dessen, was für Silvia heimisch sein soll, irritiert. Ihr Appartement ist von Masken geschmückt, was alsbald zum Aufhänger eines dramatischen Momentes wird. Eines der auffälligsten Accessoires dieses Raumes ist eine Panflöte. Im Moment des größten Heimwehs greift sie denn auch zum Instrument und spielt. In diesem Fall hat sich Pollack völlig im Ton vergriffen.
Sean Penn hingegen scheint er fast gar nicht zu dirigieren. Der spielt die gewohnte Dichotomie von Coolness und Verletzlichkeit. Dabei ist Penn nicht nur als Regisseur, sondern auch als Schauspieler in den letzten Jahren zur wandelnden Verlustikone geworden. In Die Dolmetscherin ist es nun wieder der Verlustschmerz, der beide Protagonisten zusammenführt, ähnlich wie in 21 Grams, als Penn an der Seite von Kidmans Freundin Naomi Watts agierte. Wieder ist es ein Autounfall, der in diesem Fall Penns Filmfrau das Leben kostete. Deshalb kann man rational nachvollziehen, warum dem Cop ausgerechnet in Gegenwart dieser ihm fremden Frau, die den Verlust ihrer Familie beklagt, immer die Tränen in den Augen stehen. Doch im Gegensatz zur Anordnung von 21 Grams will sich zwischen Penn und Kidman einfach keine Spannung aufbauen. Der Zuschauer bleibt unbeteiligt zurück und so hat der Altmeister Pollack vor lauter großartigen Mitarbeitern vergessen, dem Film eine innere Mitte, ein Seelenleben zu geben.
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Kommentare
Ich
Ich finde aus der Story hätte man sehr viel machen können, doch wird einfach keine Spannung aufgebaut. Die plump inzinierte Liebe zwischen den beiden macht das ganze Ende kaputt.
Nihiler
Nicole Kidman ist hier hübsch. Alles andere drittklassiger Abklatsch.
2 Kommentare