Der Waldmacher – Kritik

In seinem ersten Dokumentarfilm erzählt Volker Schlöndorff von einem Australier, der Wälder in der Sahelzone aufforstet. Die Faszination von Der Waldmacher liegt in der ruhigen Beharrlichkeit, mit der die Menschen das Land fruchtbar machen.

Volker Schlöndorff dreht seinen ersten Dokumentarfilm. „Ein Film-Essay“, wirft er zu Beginn ein und bezeichnet den mosaikartigen Stil des Films damit auch besser. Fokus ist nicht sein größtes Anliegen. Mal ist er didaktisch, dann wieder einfühlsam, plötzlich investigativ und bisweilen religiös-beschwörend. Kamera und Regisseur werden sichtbar, es gibt Szenen im Zeichentrick, Archivbilder, und neue Arbeiten afrikanischer Filmschaffender werden eingebunden. Man hat den Eindruck, dass die Kapitel von Der Waldmacher zu großen Teilen dem persönlichen Weg folgen, auf dem Schlöndorff seiner Thematik begegnet ist.

Ackerparzellen und Stilmosaik

Dieser Weg führt ihn vor allem in die Länder der Sahelzone, wo der Australier Tony Rinaudo seit den 1980er Jahren sein Leben Programmen zur Erneuerung der Bodenfruchtbarkeit durch Wiederaufforstung widmet. Das geschieht in engster Zusammenarbeit mit den lokalen Gemeinden. Das Filmteam reist nach Ghana, Niger, Burkina Faso, Mali, Senegal und Äthiopien, um den Menschen zu begegnen, die dort die Böden bewirtschaften. Die koloniale Landwirtschaft erzwang dort Ackerflächen durch das Abholzen unzähliger Bäume. Damit gingen auch Schatten, Witterungsschutz und wertvolle Bodenschichten verloren. Diese wiederherzustellen ermöglicht der Bevölkerung eine nachhaltigere, sogenannte Agroforstwirtschaft.

Lange versuchte Tony, neue Bäume zu pflanzen, was kläglich scheiterte. Die Entdeckung, dass die abgeholzten Bäume jedoch ihr unterirdisches Wurzelwerk erhalten hatten, inszeniert Schlöndorff als Offenbarung beinahe biblischer Tragweite. Die Bäume müsse man lediglich wachsen lassen und bei der Aufzucht pflegen. Mittels staatlicher und entwicklungspolitischer Programme konnte sich die Methode der Farmer Managed Natural Regeneration (FMNR) an vielen Orten der Sahelzone etablieren.

Palaver und Landwirtinnen

Tony, der mancherorts offenbar den Titel „Mutter Theresa Afrikas“ trägt – von Afrika spricht der Film häufig beinahe monolithisch –, wird nicht als einsamer Heilsbringer gezeigt. Im Palaver mit den Dorfgemeinschaften, die seine Methode anwenden, werden die speziellen lokalen Situationen besprochen, und er erfährt auch Widerspruch. Auch wirkt ihm einiges entgegen: Gerade von Arbeitslosigkeit und Armut betroffene Jugendliche fällen die Bäume wieder, um sie als Feuerholz zu verkaufen. In vielen der bereisten Länder gibt es eine ausgeprägte Landflucht der Männer. Zurück bleiben Orte voller Frauen, die Landwirtschaft und Wirtschaft zu allem anderen in die Hand nehmen. Einige sind langjährige Verfechterinnen von Tonys Methoden, etwa Cecilia Topok Saparoug, in deren Alltag wir wie in den anderer Beteiligter blicken. Sechs Kinder zieht die Landwirtin alleine groß, sie verkauft Hirsebrötchen und ist Teil einer freiwilligen Feuerwehr, die die Brandrodung in der Umgebung bekämpft. Sie begründete die lokale Landwirtschaft und damit ihr Dorf. Die ruhige Beharrlichkeit, mit der die Menschen das Land fruchtbar und lebenswert machen und erhalten, ist die große Faszination des Films.

Die Idee der Baumpflanzung zum Emmisionsausgleich wird kritisiert. Schlöndorff, der häufig selbst vor der Kamera oder im Voice-over auftritt, zeigt uns die unglaubliche Menge an Projekten, die sich dem Klimaschutz via Baumpflanzen verschrieben haben. Der Film spürt der tatsächlichen Umsetzungen des Großprojekts der Great Green Wall of Africa nach. Es zeigt sich, dass in den ersten zehn Jahren nur vier Prozent der geplanten Flächen begrünt wurden und die Bäume, die via digitalem Häkchen gepflanzt werden, oftmals keine Wurzeln schlagen.

Die Umsetzung der Agroforstwirtschaft zeigt der Film so konkret-handwerklich wie möglich: Einzelne Triebe werden beschnitten, Böden bewässert, Verdunstungsschutz aus Gestrüpp und Steinen angelegt. Die naturwissenschaftlichen Details bleiben bei aller Nähe zur konkreten Arbeit stellenweise unklar. So stellt sich die Frage, wie genau die Aufforstung Quellen wieder zum Sprudeln bringt. Oder wie neu Tonys Entdeckung tatsächlich war. Auch die Geldgeber und bürokratischen Abläufe hinter den Projekten bleiben eher im Dunkeln. Obwohl Der Waldmacher nach Tony Rinaudo benannt ist und wir dessen Biografie ausgebreitet bekommen, springt der Film oft zu anderen Personen und beleuchtet ihr Leben, blickt in eine Dorfschule, eine Saatgutbank oder das Schaffen von Schlöndorffs afrikanischen Kolleg*innen.

So entsteht ein formal lockeres Werk, das begeistert Neigungen nachgeht und dem Miteinander von Filmemacher und den Figuren seines Films Raum gibt. Die Interviews sind eher Gespräche, großflächige Entwicklungen werden auf Einzelpersonen und -handlungen zurückgeworfen. Schlöndorff widmet sich dem, was auch in Klimafragen ein Kernelement bildet: Grund und Boden; nicht als Besitz, sondern als Grundlage für Leben.

 

 

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