Der unglaubliche Hulk – Kritik
Groß, grün und abgespeckt: Der unglaubliche Hulk ist wieder da und besinnt sich diesmal ohne Umschweife auf den Geist von Marvel.

Hand aufs Herz: Ang Lees Leinwandversion der Hulk-Legende von 2003 war nicht gerade der spaßige Sommerblockbuster, den man sich erhofft hatte. Gedrosselt wurde das Tempo von gar zu langatmigen Einführungen in den Mythos und seine Protagonisten, die doch ohnehin zumindest den Fans bestens bekannt sind. Lee interessierte sich schlichtweg ein wenig zuviel für Figurenpsychologie und hob einen Diskurs über die Hybris des Wissenschaftlers derartig hervor, dass seiner Comic-Adaption der Humor von Stan Lees Vorlage abhanden kam. Jetzt lässt Marvel das grüne Ungetüm unter der Regie des nach Hollywood berufenen Franzosen Louis Leterrier erneut los, und man hat aus den Fehlern gelernt.

Sehr weise setzt Der unglaubliche Hulk (The Incredible Hulk) nun von Beginn an auf die Vorkenntnisse des Publikums und liefert bündige Hintergrundinformationen lediglich über eine Handvoll Flashbacks im Vorspann, und schon sind wir mitten im Jetzt: Bruce Banner (Edward Norton) sucht im südamerikanischen Selbstexil Heilungsmethoden für sein durch Gammabestrahlung heraufbeschworenes Anger-Management-Problem. General Ross (William Hurt), der nach einer Instrumentalisierung des Hulk-Phänomens für seinen Traum vom Supersoldaten trachtet, spürt Banner auf, und fortan befindet sich dieser auf der Flucht durch Amerika mit seiner alten Liebe und Tochter des Generals Betty Ross (Liv Tyler).

Kurz und knackig sind die Szenen dieses Vertreters eines Attraktionskinos, das besonders auf die körperliche Wahrnehmung seiner Reize setzt. Der unglaubliche Hulk ist ein rasanter Film, der den ständigen Alarmmodus seiner verfolgten Hauptfigur verinnerlicht hat und ihn so auf den Zuschauer überträgt. Eine Hatzsequenz jagt die andere und mündet natürlich nicht selten in den entladenden I-Tüpfelchen, als welche man die Metamorphosen Banners zum Hulk empfindet. Leterrier weiß aber auch, wann er kurz innezuhalten hat, um eine emotionale Basis herzustellen, in den Szenen zwischen Bruce und Betty beispielsweise. Selbst diese Momente des Pausierens belaufen sich jedoch auf ihr essentielles, gut funktionierendes Minimum. Gleichsam werden Dialoge auf eine Länge reduziert, die gerade eben in eine Sprechblase zu passen scheint. Dem Comic als Stilform ist der Film somit schon eher verwandt und versucht nicht, diese Wurzeln bequem durch Split-Screens zu verdeutlichen, wie ehemals Lee.

Auch nimmt Leterrier die Jekyll-und-Hyde-Dichotomie etwas ernster als Lee und betont zeitweise die Brutalität des Hulk, der erfreulicherweise diesmal weniger wie ein herumhüpfendes grünes Knetmännchen anmutet. Und als Banner gibt Edward Norton eine erstaunlich gute Figur ab. In Fight Club (1999) stellte die raue physische Präsenz Brad Pitts noch eine Form von Maskulinität dar, die sein von Norton gespieltes Alter Ego verloren hatte. Hier bekommen wir die Kehrseite dieses Männeregotraums von Macht und Freiheit geboten. Norton verleiht seinem Banner die gewissenhafte, gequälte Präsenz eines Mannes, der permanent gegen den drohenden Kontrollverlust ankämpft. All das ordnet Norton in seinem angenehm unaufdringlichen Spiel aber als nur eines der Elemente des Hulk-Universums unter – schließlich lebt letzteres nicht nur von einer Hingabe an Banners schweren Konflikt, sondern gleichermaßen von einer unverblümten Liebe zu dem Monster, das in ihm schlummert und dessen Auftritt man als Zuschauer so herbeisehnt. Leterrier hält dies in stetiger Balance, ein Teil seines Konzepts zudem, die Storysubtexte über den Missbrauch von Wissenschaft zwar abzudecken, sie jedoch nicht übertrieben zu forcieren.

Banner diametral entgegengesetzt ist General Ross’ skrupelloser Handlanger Blonsky (Tim Roth), der zwar im Normalzustand von ähnlich schmächtiger Statur ist, diese Limitierung jedoch überkommen will. In seiner mutierten Version der passend glitschigen Kreatur Abomination steht er schließlich dem Hulk in der obligatorischen Endschlacht des Films in New York ebenbürtig gegenüber. Und was für ein ulkiges Finale es ist, das in einem auch so schon zeitweise sehr humorvollen Film das Verständnis Leterriers für die Pulp-Basis des Stoffes zeigt, welches Ang Lee in seinem Hulk so abging: Norton und Roth katapultieren sich in ihrer aufgepumpten, tumben CGI-Reinkarnation gegenseitig durch die Straßen Manhattans, durch die in Cloverfield (2007) neulich noch die Köpfe von Freiheitsstatuen flogen.
Sicher ist Der unglaubliche Hulk dabei ein recht kurzweiliges Vergnügen mit den vom Genre verlangten Adrenalinstößen. Aber dies eben mit völliger Aufrichtigkeit.
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Kommentare
Rafael Kolless
Ich habe den Film gesehen und war eigentlich als Liebhaber der Comicreihe angenehm überrascht. Der Hulk ist sehr dem Verhalten des Originals aus den Zeichnungen nachempfunden.
Es ist nur sehr ärgerlich, dass der Endkampf zwischen Hulk und Abomination für die Freigabe ab 12 absolut kaputt geschnitten wurde. Es ist für mich nicht nachvollziehbar warum eine Ohrfeige, wenn auch mit Handschuhen aus Autohälfte, herausgeschnitten werden musste. Der gesamte Climax des Films ist so in der deutschen Kinofassung hinfällig.
1 Kommentar