Der Mann, der immer kleiner wurde - Die unglaubliche Geschichte des Mr. C – Kritik

Der Sci-Fi-Klassiker The Incredible Shrinking Man (1957) hat erstmals ein Remake erhalten. Jan Kounens Der Mann, der immer kleiner wurde ist spannungsreich erzählt, kann aber nur vereinzelt an den handgemachten Charme des Originals anschließen.

Im Abspann von Der Mann, der immer kleiner wurde hat Regisseur Jan Kounen (99 francs, Dobermann) eine Widmung platziert. Neben der verstorbenen Schauspielerin Panshin Biri sind hier die Namen George Méliès, Jules Verne, Richard Matheson und Jack Arnold versammelt. Während die beiden Letzteren direkt mit dem Stoff des Films verbunden sind (Matheson schrieb die Romanvorlage, sowie das Drehbuch der ersten Verfilmung, bei der wiederum Jack Arnold Regie führte), rufen Méliès und Verne als leuchtturmartige Bezugspunkte eine neugierig-naive und mittlerweile auch nostalgisch aufgeladene Spielart des fantastischen Erzählens auf, die leider nicht mehr so ganz in unsere Zeit zu passen scheint. Kounens Film versucht sich dennoch an diesem Transfer.

Während Mathesons Roman und Arnolds Verfilmung in den 1950er-Jahren angesiedelt sind, wählt Kounen die heutige Gegenwart als zeitlichen Rahmen: Titelfigur Paul (Jean Dujardin) ist Bootsbauer und bewohnt mit Frau (Marie-Josée Croze) und Tochter (Daphné Richard) einen Bungalow in unmittelbarer Nähe der französischen Küste. Nach einem Tauchgang, während dem er mit einer merkwürdigen Wolkenkonstellation in Kontakt gerät, beginnt Paul langsam, aber stetig kleiner zu werden. Seine Ärzt:innen können keine eindeutige Ursache finden, der Prozess kann nicht gestoppt werden. Als der nur noch wenige Zentimeter große Mann im geräumigen Keller des Hauses landet und von seiner Familie für tot gehalten wird, beginnt ein archaischer Kampf ums Überleben: Paul ist mit der Beschaffung von Nahrung, mit für ihn nun übergroßen Ameisen und Spinnen, sowie der unüberwindbar scheinenden Höhe der Kellertreppe konfrontiert. Dazu kommen immer existenziellere Fragen: Was bleibt übrig vom Ich und der Beziehung zu den Mitmenschen, wenn der Körper immer kleiner und kleiner wird?

Alte Fantastik in neuem Gewand

Insgesamt ist Der Mann der immer kleiner wurde ein Film der glatten Oberflächen. Das gilt etwa für Hauptdarsteller Dujardin. Der verleiht mit seiner sparsamen Mimik zwar sowohl dem mitten im Leben stehenden Familienvater, als auch dem archaischen Mini-Mann mit Nähnadelwaffe eine einnehmende körperliche Präsenz, kann aber nur selten tatsächliche emotionale Intensität erzeugen. Und das gilt das vor allem für die computergenerierten Spezialeffekte, die insbesondere für die Darstellung der im Keller lebenden Insekten verwendet werden. Die schaffen es zwar, das fantastische Geschehen in ein realistisch anmutendes Gewand zu hüllen. Die so erzeugte kantenlose filmische Oberfläche hat aber nichts mehr gemein mit den sichtbaren Nahtstellen und dem Spektakel der offenkundigen Gemachtheit, die Arnolds Verfilmung von 1957 heute noch reizvoll macht – und die so eng mit einer vergangenen Art des fantastischen Erzählens im Medium Film verbunden ist.

Zwischen gestern und heute

Überhaupt tut sich der Film sichtbar schwer mit einem konsequenten Übersetzen seines so stark mit den 1950er-Jahren verknüpften Stoffes in die Gegenwart. Stand Arnolds Erstverfilmung noch eindeutig im Kontext der weltweiten atomaren Bedrohung und führt die Ursache des Schrumpfungsprozesses direkt auf radioaktive Strahlung zurück, präsentiert Kounens Film keine konkrete und benennbare Begründung für das fantastische Geschehen. Diese Vagheit ist möglicherweise dem Versuch geschuldet, die Geschichte universeller zu machen, dadurch bleibt aber eine tatsächliche Neuinterpretation und eine Rückbindung an das heutige Zeitgeschehen aus.

Abseits dieser behutsamen Anpassungsversuche bleibt das erzählerische Grundgerüst des Stoffes unberührt. Trotz einiger Auslassungen und dramaturgischer Lockerungen durchläuft die Hauptfigur insgesamt den bekannten Parkour an Herausforderungen in ihrem Keller-Gefängnis. Das erzeugt aber durchaus Spannung und hält, trotz Vorhersehbarkeit, bei der Stange. Wohltuend ist auch, dass auf eine Heroisierung der Hauptfigur in ihrem Überlebenskampf weitgehend verzichtet wird: Paul erlebt Momente der Depression, betrinkt und übergibt sich, nässt sich beim Anblick einer über ihm aufragenden Spinne ein.

Eine Neuerung, die tatsächlich für neue Impulse sorgt, ist die Tochterfigur. Der aus der schwindenden Körpergröße des Vaters resultierende Wandel in der Beziehung zur Tochter sorgt für einige rührende Szenen. Etwa wenn der geschrumpfte Paul den Goldfisch der Tochter (dessen Aquarium aus unerfindlichen Gründen mitten im Keller steht) auch dann noch mit für ihn nunmehr blattgroßen Futterflocken versorgt, als Tochter und Mutter bereits das Haus verlassen haben. Solchen pathetischen Momenten hätte der Film durchaus noch mehr Raum geben können.

Philosophie des kleinen Mannes

Die Tochter bleibt dennoch über den gesamten Film hinweg ein wichtiger emotionaler Bezugspunkt für Paul, besonders dadurch, dass sie sich schließlich als imaginäre Adressatin seines Voice-Overs offenbart. Dieses streut immer wieder ernst vorgetragene, manchmal plakative, Reflexionen über Universum, Welt und Leben ein („Der einzige Weg, nicht unterzugehen, ist, zu handeln“). Solche Versuche, zusätzlich zum Spektakel der Handlung eine existenziell-philosophische Ebene zu bespielen, unternimmt der Film auch in visueller Hinsicht: Er beginnt mit einem langsamen Zoom-In auf den Erdball, verwendet immer wieder senkrecht-draufsichtige Shots, wodurch fast so etwas wie ein ‚göttliches‘, über den Dingen stehendes Blickregime entsteht und endet schließlich mit einer knapp fünfminütigen Überblendung von Bildern des Kosmos- und Mikrokosmos. Der christliche Grundtenor der Erstverfilmung verschiebt sich damit in Richtung einer allgemein gehaltenen, kontemplativen, etwas esoterischen Reflexion über den Einklang von Ich und Universum, die Wunder der Natur und die Akzeptanz des eigenen Schicksals.

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