Der Exterminator – Kritik
Neu auf DVD: Ein Rächer mit weichem Gesicht und Dackelblick. James Glickenhaus' Der Exterminator (1980) ist ein schäbiger Selbstjustiztrip durchs postapokalyptische New York.

Eine Reihe von Explosionen führt in James Glickenhaus’ The Exterminator (1980). Die erste spuckt John Eastland (Robert Ginty) aus, der zunächst in den Schlamm Vietnams geschleudert und später in New York zum titelgebenden Selbstjustizler wird. Aus Feuer wird er geboren, aber er ist nicht daraus. Das Motiv auf den meisten Filmplakaten und DVD-/Blu-ray-Covern zeigt einen muskulösen Mann, dessen Gesicht unter einem Motorradhelm verborgen ist, in der Hand einen Flammenwerfer. Von diesem martialischen Versprechen könnte Eastland kaum weiter entfernt sein.
Explosionen, zerrüttete Seelen

Da ist zuvorderst das Gesicht des Schauspielers. Robert Gintys Gesichtszüge sind weich, trotz seines Alters wohl am besten mit „Babyspeck“ beschrieben. Hinzu kommt sein Dackelblick. Ihn als etwas zu besetzen, das „Exterminator“ genannt wird, liegt nicht gerade nahe, ist aber entscheidend. Und das schon beim ersten Mord, den er als Rächer begeht: Ein Mann wird durch den Druck einer Gewehrsalve durch die Luft geschleudert, und wir sehen Ginty schlucken. Trotz anderen potenziellen Angreifern im Raum wird ihm die Zeit gegeben, erst mal diese eine Tat zu verarbeiten.

Aber zunächst einmal, wie gesagt, Explosionen. Schnell aufeinanderfolgende, aus denen sich ein kurzes, traumatisches Erlebnis in Vietnam schält. Auf diese Insel einer Handlung folgen dann bis zum Vorspann abermals Explosionen. Das erste Bild nach dem Vorspann: ein Bewohner New Yorks, durch ein Feuer gefilmt. Und auch den Abschluss findet das Drama des John Eastland, wie könnte es anders sein, in einer Explosion. (Die Sinnlosigkeit gerade dieser letzten offenbart dieses Motiv noch einmal als Zeichen eines brutalen Kontrollverlusts, wie ein Ausrufezeichen kurz vor das Ende gesetzt, während Eastland schon ins erlösende Wasser gefallen ist.) Zwischendrin geht immer mal wieder ein Auto in die Luft, Rauchschwaden legen sich um Ginty, Flammen züngeln an Leuten: keine Marker eines Actionfilms, sondern Ausdruck zerrütteter Seelen.

Nachdem sein bester Freund Michael (Steve James) von einer Straßengang zum Pflegefall gemacht wird, zerreißt etwas in dem wieder eingegliederten Ex-Soldaten und macht ihn zu einem skrupellosen Vigilanten. Anders als Filme wie Ein Mann sieht rot (Death Wish, 1974) schiebt Der Exterminator aber keine gesellschaftlichen Debatten vor. Weder wird Eastland zum Helden der Bevölkerung, noch macht er die Zustände auf unmoralische Art besser. Lediglich ein entmännlichter, sich selbst ermächtigender Mann ist zu sehen. Zweimal findet er sich zu Beginn hilflos mit einem Messer an der Kehle wieder, das eine Mal in der Hand vietnamesischer Soldaten, ein andermal in der der „Ghetto Ghouls“. Zweimal wird er auch von seinem Freund gerettet. Einem Freund, dem er später Sterbehilfe leisten und sich seiner Familie annehmen wird; auf bizarre Weise revanchiert er sich so und entledigt sich der Entwürdigung, gerettet worden zu sein.
Ein Schnitt ändert alles

Die Wandlung Eastlands vollzieht sich sehr rasch. Ein einziger Schnitt trennt den Mann, der Michaels Ehefrau tröstet, von dem, der (das erste und einzige Mal) zum Flammenwerfer greift und ein gefesseltes Gangmitglied dazu bringt, den Aufenthaltsort der Schuldigen zu verraten. Nur in diesem einen Schnitt liegt alles versteckt, was zwischen den beiden Momenten passiert ist. Der Schnitt ist aber nicht nur dramatisch, sondern auch Ausdruck der Traumata, mit denen sich hier alle herumschlagen müssen. Etwas Schlafwandlerisches liegt so in den glanzlos porträtierten Taten dieses Rächers, die nicht mal durch schöne Bilder gerechtfertigt werden würden. Der Selbstjustiz fehlt hier jeder Glorienschein, sie ist hilflose Übertünchung der eigenen Schwäche. Moral, das bleibt in Der Exterminator das Spielfeld einer reichlich obskuren Politikerklasse.

Der Vorspann, von Feuer eingekeilt, zeigt nächtliche Panoramaaufnahmen New Yorks. Von der Freiheitsstatue, aus den Räumen der Hochhäuser (die fast alle beleuchtet sind, was ziemlich irreal wirkt) oder von den Spiegelungen auf dem Wasser, von allem geht ein grünes Licht aus. Der Exterminator ist kein Film der Hitze, sondern der Kälte.
Ein Fluss aus Gewalt, Schäbigkeit und noch schäbigerem Witz

New York erscheint hier teilweise wie nach Bombenangriffen. Die Flure der Notaufnahme sind überfüllt. In den Ecken der Handlung sieht es nach Postapokalypse aus. In diesem Ambiente kreuzt der Film seelenruhig die Wege des Exterminators mit denen des Detectives James Dalton (Christopher George), der ihn verfolgt, und der zu strafenden Bösewichte, die ihre verwerflichen Taten begehen. Diese drei Sphären sind aber ohnehin kaum zu unterscheiden, selbst wenn noch einmal eine letzte Hoffnung in dieser Niedergeschlagenheit aufscheint. So nimmt Dalton eine Ärztin mit auf ein Date. Wir lassen sie in einem romantischen Pavillon zurück, sehen, wie ein unansehnlicher Mann einer Prostituierten mit einem Lötkolben Verbrennungen zufügt, nur um wieder bei dem Date zu landen, wo die beiden Verliebten sich gerade unterm Mond näherkommen: Romantische Stimmung ist nur das Unwissen, was gerade an einer anderen Ecke der Stadt geschieht.

Es ist eben alles Teil einer Welt, wo man sich ein Würstchen im Büro warmmacht, indem man es an zwei Gabeln steckt, die am Stromkreis der Tischlampe hängen. Wo Gangster in die Kamera nach Hilfe rufen, weil sie sich im Film keine erhoffen können. Wo Jazzlegende Stan Getz in einen mondänen Moment gezwängt wird, der von altem, verlorenem Glanz lebt. Wo Traumata sich als Erinnerungsfetzen über die Handlungen legen. Wo selbst der Polizist Dalton Prostituierte entführt und misshandelt, um an Informationen zu gelangen. Wo eine solche Tat im Fluss aus Gewalt, Schäbigkeit und noch schäbigerer Witzigkeit nicht eigens gekennzeichnet wird, weil sie eben ein ganz selbstverständlicher Teil dieser Welt ist. Und mittendrin Robert Ginty, der stellvertretend für den Schmerz an dieser Welt steht und vieles ist, aber kein Macho, der dem Ganzen etwas Positives geben kann.
Neue Kritiken

Tron: Ares

Chained for Life

A House of Dynamite

Amrum
Trailer zu „Der Exterminator“

Trailer ansehen (1)
Bilder




zur Galerie (13 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.