Delphine and Carole – Kritik

Eine Geschichte über Freundschaft und Reflexion feministischer Filmpraxis. Delphine and Carole porträtiert die beiden Filmemacherinnen Delphine Seyrig und Carole Roussopoulos. Fetischobjekt des Filmes ist eine portable Videokamera.

Mit Beckett habe sie zusammengearbeitet und mit Fassbinder. Mit Truffaut, mit Buñuel, mit Resnais ja sowieso. Eifrig listet die Moderatorin der Talkshow die Namen jener Männer auf, um die Schauspielerin Delphine Seyrig, eines der Gesichter der Nouvelle Vague, dem Publikum im Studio und vor den Fernsehbildschirmen vorzustellen. Die schaut während der Prozedur zu Boden. Sie lächelt leicht, als die Moderatorin hinzufügt, dass Seyrig natürlich auch in Filmen von Regisseurinnen mitwirkgewirkt habe: Marguerite Duras, Chantal Ackerman. Und jetzt, so die Moderatorin, jetzt drehe sie auch selbst Filme. Na so was!

Fortsetzung einer Agenda mittels Found Footage

Im Fokus von Callisto McNultys Dokumentarfilm Delphine and Carole (Delphine et Carole, insoumuses) stehen die beiden Filmemacherinnen Delphine Seyrig und Carole Roussopoulos, die gemeinsam die Kämpfe der Frauenbewegungen im Frankreich der 1970er Jahre mit der Kamera begleiteten und in eigens gegründeten Filmkollektiven Videoarbeiten entwarfen, um die fehlende Gleichberechtigung von Frauen zu thematisieren. Vordergründig ist Delphine et Carole, insoumuses eine Geschichte über Freundschaft und weibliche Solidarität, inhaltlich wie formal aber ebenso Reflexion einer feministischen Filmpraxis.

In der Montage der Fotos und Videos von Demonstrationen, Ausschnitten aus den Filmen beider Protagonistinnen und TV-Aufnahmen von Interviews mit ihnen führt McNultys Film, der ausschließlich aus Found Footage besteht, Seyrigs und Roussopoulus’ Agenda fort. Indem er auf einordnende Kommentare durch Wegbegleitende verzichtet, lässt er nicht nur Seyrig und Roussopoulus, sondern auch die Vielzahl der Frauen, die durch das Material in Erscheinung treten, für sich sprechen, sich selbst erklären und eigene Positionen beziehen; zu Körperbildern, Abtreibung und Prostitution ebenso wie zu einer männlich dominierten Kulturproduktion.

Ehefrau, Fee oder Superheldin

Fetischobjekt des Filmes ist die Sony Portapak, eine portable Videokamera, mit der Seyrig und Roussopoulus arbeiteten und von der Seyrig das zweite in Frankreich erhältliche Exemplar besaß (die erste hatte Godard). Zumeist rauchend sehen wir die beiden Frauen davor wie dahinter. Den Aufnahmen mit der Portapak, die ebenfalls in Delphine and Carole zu sehen sind, stehen dabei die Bilder der Filme unter anderem von Buñuel und Resnais gegenüber, in denen Seyrig als Ehefrau, Fee oder Superheldin zu sehen ist. Gerade im Vergleich der unterschiedlichen filmischen Qualitäten, Stoffe und ihrer Entwürfe von Weiblichkeit versucht McNultys Film über Geschlechterverhältnisse im Kino nachzudenken und sie zu überschreiben. Woran lässt sich eigentlich feststellen, ob ein Film von einem männlichen oder einer weiblichen Filmschaffenden gemacht wurde? Wer filmt auf welche Art was für wen? Und wie blicken wir wiederum darauf?

Als Zuschauende nehmen wir teil an dieser charmanten Analysesession, betrachten Filmszenen über Seyrigs Gesicht als Projektionsfläche neu, lesen subversive Potenziale in Figuren, die so nie angelegt waren. „Ich werde dir nah kommen. Wir werden ein paar Stunden miteinander verbringen. Und danach werden wir uns vielleicht nie mehr wiedersehen“, sagt Seyrig als Fabienne Tabard in Truffauts Geraubte Küsse (Baisers volés, 1968). Ganz groß ist da ihr Gesicht auf der Leinwand zu sehen. Und irgendwie fühlt es sich in den Moment so an, als sagte sie das nur zu uns.

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