Deep Sea – Kritik

Das kleine Mädchen und das Meer: Tian Xiao Pengs Animationsfilm Deep Sea um die kleine Shenxiu, das in eine magische Unterwasserwelt gezogen wird, erkennt die Fantasie als Verdrängung.

Tian Xiao Pengs 3D-Animationsfilm Deep Sea eröffnet mit dem Grausamsten, was man einem Kind antun kann: einer Kreuzfahrt! Die reale Welt ist dementsprechend in regnerischen Grautönen gehalten, und die kleine Shenxiu farblich isoliert durch das matte Rot ihres Hoodies. Sie ist einsam. Ihre Mutter hat die Familie verlassen und ignoriert ihre SMS. Der Vater schenkt alle Aufmerksamkeit seiner neuen Frau und ihrem Baby. Shenxiu ist depressiv und schwelgt in Erinnerungen. Die Beziehung zum Meer steht auch hier im Vordergrund. Shenxiu sehnt sich nach ihrer Mutter, die ihr einst erzählte, dass das Meer auf Wünsche in Form einer Hijinx antwortet – einem magischen Glücksbringer, der hier als schwarze, denkende Tintenmasse animiert wird.

Gesichter wie Götterpudding

Das Hijinx zieht Shenxiu in eine Unterwasserwelt, die organisatorisch ein Abziehbild unserer Wirklichkeit ist. Das Kreuzfahrtschiff ist hier ein Unterwasserrestaurant, betrieben von Nan He, einem aufstrebenden und ambitionierten Koch, dessen Gäste – quengelende, korpulente Fische – aber nur Nudelsuppe schlürfen wollen. Eine Armee von niedlichen, pausbäckigen Ottern wird als Servicekräfte ausgebeutet, G-Strings tragende Walrösser auf Treträdern sorgen für den notwendigen Antrieb. Außerdem gibt es eine Katze mit Strickmütze (cute!) und ein Stange saufender Seelöwe als Kapitän.

Nan He fängt und knechtet das Hijinx und schmiedet einen Deal mit Shenxiu. Sie arbeitet bei ihm in der Küche mit, und nach vier Wochen lässt er das Hijinx frei, sollte sein Restaurant die ersehnten fünf Sterne bekommen. Eigentlich aber will er das Hijinx aber zu Nudelsuppe verkochen. Shenxiu lässt es wieder frei und es beginnt eine Reise zum Auge der Tiefsee, dem zentralen Punkt, an dem sich alle Handlungsstränge und Emotionen verdichten.

Wie bei vielen Animationsfilmen steht der Plot vor allem im Dienste der Bilder. Das CGI ist hier weichgezeichnet, kennt keine Kanten. Die Gesichter wabern wie Götterpudding, die Körper sind voluminös, aber doch grazil. Alles ist in einem Fluss, nichts sticht wirklich heraus. Die Kamera ist ebenfalls in konstanter Bewegung, spült und reißt alles mit sich, stoppt manchmal für die obligatorische, komödiantisch überhöhte Slow-Mo. Stilistisch ist das durchdacht und konsequent, es kann in seiner Kontrastarmut aber auch nerven, so dass man sich wenigstens vom Schnitt eine klarere Struktur erhofft.

Auf der gelben Gummiente

Vieles erinnert an 3D-Animationsfilme aus westlicheren Gefilden. Der Gegenspieler ist eine physische Manifestation von Shenxius Depression, ein Quest bahnt sich an, es gibt die obligatorischen Sidekicks und die reingeklatschten Musiknummern. Am Ende zielt Peng aber überraschend und abrupt auf die Nicht-Realität des Gezeigten ab. Fantasie ist niemals nur Fantasie, sondern immer auch Verdrängung. Das zu realisieren schmerzt, ist aber fundamentaler Schritt der Formation unseres Bewusstseins. Shenxiu wird nicht hinweggezogen, sondern springt von sich aus über Bord. Nan He, eigentlich der Schiffsclown, springt hinterher, um sie zu retten. Sie treiben auf einer gelben Gummiente über das Meer, ohne Essen, ohne Trinken.. Am Ende rollt eine große, dicke Träne über meine rechte Wange.

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