Das Bourne Ultimatum – Kritik
Man on the Run! Paul Greengrass bricht die dritte Episode der Robert Ludlum-Verfilmung auf ihr essenzielles Minimum herunter. Was zu deren großer Stärke avanciert.

Das Bourne Ultimatum (The Bourne Ultimatum) schließt nahtlos an den zweiten Teil der populären Agenten-Reihe an und beginnt mit einer Verfolgungsjagd in Moskau. Der Auftakt einer Hetzjagd, die sich durch Europa zieht, die Grenze zur arabischen Welt überschreitet und in den USA ihr spektakuläres Ende findet. Was wie ein weiterer routinierter Genre-Blockbuster klingt, hat jedoch auf zweierlei Ebenen Erstaunliches zu bieten.
Neben Moskau sind Paris, Madrid und London Stationen des Katz- und Maus-Spiels zwischen Jason Bourne (Matt Damon) und seinen ehemaligen Vorgesetzten. Alles europäische Metropolen – und Tatorte jüngerer terroristischer Akte. Genauso wie Casablanca, von der die Rede ist. In die marokkanische Grenzstadt Tanger, einen vermeintlichen Hort terroristischer Ausbildung, verschlägt es Bourne ebenfalls.
Der Subplot des Films ist also von Anfang an so deutlich, dass es kaum mehr als einiger Castingcoups benötigt, um einen stechend scharfen Blick auf das amerikanische Trauma unserer Generation zu werfen: den internationalen Terrorismus.

David Strathairn, der sich mit seiner zurückhaltend präzisen Performance in Good Night and Good Luck in das Gedächtnis der Studiobosse zurückspielte, braucht kaum eine handvoll Einstellungen und ebenso wenig Sätze, um einen Charakter zu kreieren, der das Dilemma der amerikanischen Geheimdienste auf den Punkt bringt. Wie kämpft man einen Krieg, der noch nicht einmal mehr Guerilla-Regeln folgt, gegen einen unsichtbaren und zu allen Mitteln bereiten Feind? Wie reagiert man auf die nationale Demütigung und Erschütterung? Strathairns Noah Vosen steht archetypisch für den großen Teil der Bush-Administration, die meint, nur mit absoluter Härte diesen Krieg gewinnen zu können. Und ohne Rücksicht auf Verluste. Vosen ist ein Schreibtischtäter, der vom Büro aus und mit Blick auf Karten oder Monitore agiert. Sätze wie „Take them out“ oder „Shoot on Sight Clearance“ kommen ihm beinahe rhythmisch über die Lippen, als Formeln einer militärischen- und Geheimdienstwelt, die es schon beinahe leid ist, noch über „Collateral Damage“ zu sprechen und ein Sicherheitsdenken sowie eine Politik fördert, bei der es unausweichlich irgendwann zu einer Ausweisung bei Verdacht und einem rechtsfreien Raum kommen muss.
Nun könnte dieser Vosen in einem kurzweiligen Genrefilm schnell zum holzschnittartigen Schurken verkommen. Nicht so in der Rollengestaltung eines David Strathairn. Sein Vosen ist ein Überzeugungstäter und beileibe nicht das, was man einen unmoralischen, schlechten oder bösartigen Menschen nennen würde. Eher jemand, der aus beruflichen Gründen seine Skrupel beim Concierge in der Empfangshalle des Bürokomplexes abgibt. Hierarchisch vor Vosen und an der Spitze des Systems steht Ezra Kramer, eine weitere Figur mit jüdischem Klang also. Deren Besetzung durch Veteran Scott Glenn ist so etwas wie eine sichere Karte, steht ihm der Hardliner doch ins Gesicht geschrieben. So präsentiert ihn Regisseur Paul Greengrass auch nicht häufiger als nötig und inszeniert ihn als einen Mann, der handelt, indem er zu Telefonen greift - oder indem er es unterlässt.

Der gelassenen Rigidität dieser Schattenboxer steht Jason Bourne gegenüber – und der ist Virilität pur. Schon im zweiten Teil tat sich Regisseur Greengrass etwas schwer, der Körperlichkeit Bournes etwas abzugewinnen, das nicht durch hektische Schnitte herbeigeführt ist. In Das Bourne Ultimatum verzichtet er komplementär dazu beinahe vollständig auf klassischen Bildaufbau. Die Handkamera scheint im ständigen Fluss, sucht sich häufig noch während der Einstellung ihren Fokus. Das bedeutet, bis zu einer sich irgendwann einstellenden Gewöhnung, eine besondere Anstrengung für den Zuschauer. Und dennoch geht Greengrass’ Konzept des reinen Bewegungskinos auf. Zwar steht neben dem genannten politischen auch das persönliche Dilemma des Protagonisten im Zentrum des Films, viele Worte werden darauf jedoch nicht verwendet – und der Plot nur noch als Gerüst fühlbar.
Paul Greengrass benötigt nur wenige Rückblenden, um Bournes Vergangenheit zu verdeutlichen – Dialoge muss sein Actionheld kaum noch führen. Seine Fähigkeiten werden nicht mehr erklärt oder hergeleitet, sie sind einfach da. Wie ein James Bond vergangener Jahre kommt Bourne in unzweifelbarer Perfektion und Überlegenheit über seine Gegner. Mit dem neuen Bond eint ihn die dreckige Körperlichkeit des Jobs. Bourne fügt Schmerzen zu und erleidet welche. Nicht die Eleganz steht im Vordergrund, sondern die Durchführung des Unterfangens. Matt Damon, der in der Ocean’s-Kinoserie die Witzfigur gibt, mimt den harten, stoisch gelassenen Racheengel mit großartiger Präsenz. Die sich andeutende Vergangenheit und vielleicht auch Zukunft zwischen seinem Jason Bourne und Julia Stiles’ Nicky Parsons ist exemplarisch für das perfekt funktionierende reduzierte Konzept des Films: Fast ausschließlich über Blicke und die Anordnung der Figuren im Raum wird hier erzählt.

Die Anordnung der Personen im Raum ist überhaupt der springende Punkt bei Das Bourne Ultimatum und neben dem wunderbar dezenten aber präzisen politischen Diskurs die zweite Ebene auf der dieses Kinoerlebnis Besonderes zu bieten hat.
Wie niemand seit William Friedkin hat sich Paul Greengrass dazu entschieden, seinen gesamten Film über Verfolgungsjagden zu strukturieren. Wenn Bourne, von unzähligen Überwachungskameras und Einsatzteams verfolgt, einen Informanten (Paddy Considine) durch die Londoner Waterloo Station schleust, greifen nicht nur Bournes Improvisationen, Tricks und Täuschungsmanöver wie ein Rädchen ins andere, auch Greengrass’ Montage funktioniert wie ein Schweizer Uhrwerk.
Obwohl Bournes Suche nach der eigenen Identität am Schluss dieses dritten Abenteuers ein Ende gefunden hat, würde man sich nach knapp zwei elektrisierenden Kinostunden wünschen, dass Matt Damon noch einmal in seiner Paraderolle zurückkehrt. Es gäbe noch so vieles in so wenigen Worten zu erzählen.
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