Cocaine Bear – Kritik
Auf der Suche nach der nächsten Line terrorisiert ein Schwarzbär Hiker-Pärchen, Ausreißerkids und Drogengangster gleichermaßen: Cocaine Bear ist ein Slasher zu Disco-Sound, mit einem Schuss Familiendrama und einem Schlenker in die Naturdoku.

Wenn schon nach drei Minuten ein blutiges Frauenbein durchs Bild fliegt, abgebissen von einem rasenden Schwarzbär – nur das erste von unzähligen Körperteilen, die im Laufe des Films kamerawirksam zerfleischt werden –, wenn sich wenig später Kinder mit dem Pfandfindermesser haufenweise Kokain reinziehen und ein tougher Drogenboss den Enkelsohn im Bällebad bespaßt, dann dürfte das selbst hartgesottene Splatter-Movie-Fans irritieren. Zwar gilt in diesem Genre more is more: Je mehr Blut und Eingeweide spritzen, desto besser der Film. Aber was soll man von einem Streifen halten, der Slasher-Motive mit Comedy-Elementen mixt, das Ganze mit einem Schuss Familiendrama würzt und zu derbem Eighties-Disco-Sound serviert? Genau diese unwahrscheinliche Mischung macht Cocaine Bear von Elisabeth Banks zu einem ziemlich witzigen Kinoerlebnis. Oder besser: einer audiovisuellen Guilty-Pleasure-Achterbahnfahrt, bei der man sich hinterher fragt, ob man wirklich gelacht hat, als der zugekokste Bär dem Mann den Kopf abriss.
Tolles Bild für Social Media

Die Story klingt erstmal völlig absurd, ist aber wie so manche durchgeknallte Kinogeschichte von realen Ereignissen inspiriert. Im Dezember 1985 wurde in Georgia ein toter Bär im Wald gefunden, der offenbar an einer Überdosis Kokain gestorben war. Der Stoff, von dem der Bär genascht hatte, war aus einem Flugzeug abgeworfen worden. In der Nähe entdeckten die Behörden die Leiche des dazugehörigen Drogenkuriers – sein Fallschirm war nicht aufgegangen – und jede Menge Kokainpakete. Daraus hätte ein typischer Drogen-Gangster-Film werden können. Doch Drehbuchautor Jimmy Warden erklärt nicht die Dealer, sondern den Bär zum Protagonisten.

Das Kokain macht den Bären superaggressiv und supersüchtig. Auf der Suche nach der nächsten Line terrorisiert er die Leute im Nationalpark. Zum Beispiel das Hiker-Pärchen, das romantisch-verträumt durch die Natur wandert und sich freut, einen echten Bär vor die Kamera zu bekommen. Tolles Bild für Social Media, meint die junge Frau noch, bevor sie vom Cocaine Bear vor den Augen ihres Freundes im Gebüsch zerfleischt wird. Wenig später finden zwei Ausreißer-Kids im Wald ein Kokainpaket, probieren das weiße Pulver, das auch den Bär anlockt, und können sich nur knapp vor dessen Angriff auf hohe Bäume retten. Zur Hilfe eilt eine resolute Park-Rangerin (Margo Martindale) und die Mutter eines der Kinder (Keri Russell).

Natürlich irren auch Drogengangster im Wald herum, auf der Suche nach der verlorengegangen Ware. Ihr Boss, genial gespielt von Ray Liotta in einer seiner letzten Rollen, fürchtet die Rache des mexikanischen Kartells und sorgt sich um seinen depressiven Sohn, den die Drogensuchmission auf andere Gedanken bringen soll. Und dann ist da noch ein Detective (Isiah Whitlock Jr.), der dem Drogenboss auf den Fersen ist und einen Sitter für Roselle braucht, sein langhaariges Malteserhündchen.
Natur-Horror für die Generation Tik Tok

So eklektisch wie das Personal ist auch der Handlungsverlauf. Banks setzt auf genretypische Schockeffekte, die jedoch so over the top sind, dass sie wie schwarzhumorige Parodien auf Slasher-Filme wirken. Lustvoll zitiert Cocaine Bear Horror-Standardszenen wie den bedrohlichen Eindringling auf dem Dach, vor dessen Schritten die Eingeschlossenen zittern. Oder die Ambulance Chase, den rasenden Notarztwagen, in dem nicht nur lebensgefährlich Verletzte versorgt werden müssen, sondern gleichzeitig auch mörderische Verfolger von außen abgehängt werden müssen. Diesmal spurtet ein zähnefletschender Riesenbär hinter dem schlingernden Rettungsfahrzeug her. Dazu wummert der Depeche-Mode-Song „I Just Can’t Get Enough“. Und man ahnt: Für die Rettungscrew geht es nicht gut aus.

Bei den blutspritzenden Raubtierattacken denkt man unwillkürlich an Steven Spielbergs Klassiker Der weiße Hai (Jaws, 1975) oder an Leonardo DiCaprios spektakulären Bärenkampf in Alejandro González Iñárritus The Revenant (2015). In seiner rastlosen Action ist Cocaine Bear so auch eine gepimpte Neuinterpretation des Natur-Horror-Genres für die Generation Tik Tok.
Ohne Tiertrainer

Dramaturgisch funktioniert der Film eher wie eine ironische Nummernrevue mit witzigen Punch-Lines zu drastischen Bildern. So dick aufgetragen verliert die Regie manchmal das eigentliche Ziel aus den Augen: bei aller Ironie den Spannungsbogen zu halten. Visuell aber hat sich die Technik revolutioniert. Der Animatronics-Kokain-Bär wirkt so lebensecht und bewegt sich so fließend, dass Tiertrainer sich fragen dürften, ob ihr Job beim Film demnächst überflüssig wird.

Am Ende gibt es dann sogar noch einen Schlenker in die Naturdoku-Ecke. In einer Höhle hinterm Wasserfall wimmern die Jungen des Problembärs – das Monster ist in Wahrheit ein fürsorgliches Muttertier, das seine Kinder schützen will. Rücksichtslose Drogenschieber hätten die Bärenfamilie fast zerstört. Doch die Mutterliebe siegt. Und Drogen sind der Killer.
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