BuyBust – Kritik

Neu auf DVD: Ein Polizeikommando stürmt einen Slum und verwandelt es in einen Sumpf voller Toter. Erik Mattis BuyBust übersetzt die Law-&-Order-Politik des philippinischen Präsidenten in ein derbes Stück Actionkino, das ein Land in apokalyptischen Zeiten zeigt.

Ende 2015 sendete der damalige philippinische Präsidentschaftskandidat Rodrigo Duterte per Wahlwerbespot einen Weihnachtsgruß an Drogendealer, korrupte Politiker und Diebe. Und wenn sie seinen Landsleuten das Leben weiterhin schwer machen sollten, dann werde es ihr letztes Weihnachten sein. Dutertes kommenden Kampf gegen die Drogen bringt dieses Video gewissermaßen auf den Punkt, denn in seiner bisherigen Amtszeit seit 2016 gibt er sich entsprechend populistisch wie kaltblütig. Polizei und Militär hat er beispielsweise angehalten, ihre Gegenüber bei Gegenwehr sofort zu erschießen. Dutertes Law-&-Order-Politik richtet sich jedoch mitnichten gegen die Größen der Drogenkartelle. Einen Kampf gegen die Ärmsten der Armen brach er los, die auf Mutmaßung eliminiert wurden und werden.

BuyBust übersetzt diese Situation nun in ein derbes Stück Actionkino. Ein Polizeieinsatzkommando geht in einen Slum, um einen Drogenbaron zu verhaften. Das Armenviertel wird dabei zu einem Sumpf voller Toter werden und das Geschehen zu einem Gleichnis, das die Philippinen in geradezu apokalyptischen Zeiten zeigt. Ein Strang an Anschuldigungen wird dabei ausgelegt, der, auch wenn es nie ausgesprochen wird, direkt zu Duterte führt. Tatsächlich wirkt es wie eine Genugtuung für den Film, einen psychopathisch scheinenden Staatschef, der Todesschwadronen im Kampf gegen seine eigenen Bürger durchs Land schickt, „Judas“ nennen zu können. Das ist nicht viel, aber: Beschimpfen, what else can a poor boy do?

Risse im Männerbund

Eröffnet wird der Film mit einem Verhör, bei dem der „gute“ Cop nur leere Versprechen macht und der „böse“ den wehrlosen Gefangenen rücksichtslos zusammenschlägt. Als der kleine Dealer in einer Pause einen Schluck aus einem Wasserglas nimmt, fließt sein Blut in die klare Flüssigkeit und verfärbt sie vor unseren Augen. Auf die Brechung des Verhörten folgt die Montage einer Trainingseinheit eines Sonderkommandos. Es wird geübt, wie eine geölte Maschine ein Haus zu stürmen, und nebenher gibt es Spaß und Kameradschaft. Dieser Männerbund (der tatsächlich zur Hälfte aus Frauen besteht) bekommt einen ersten kleinen Riss, als ein Rekrut beim Joggen einer Kollegin auf den Po klapst. Schon hier zeigt es sich: Was für den einen Kameradschaft ist, stellt sich für jemand anderen bestenfalls als unangebracht dar. Wenig später wird einer anderen Frau als Lehrmaßnahme in den (durch eine Weste geschützten) Rücken geschossen. Ansatz- und reuelos wird dergestalt Befehlsgehorsam eingefordert – zum Schutz der Gemeinschaft, so die Ideologie. Alles, was in Dutertes Wahlwerbespot unter der Machoattitüde nur zu erahnen ist, möchte BuyBust in drastischen Bildern sichtbar machen.

Der Film gleicht dem indonesischen The Raid (2011) dabei insoweit, als auch diesmal ein kleiner Trupp unter falschen Erwartungen in das Hoheitsgebiet eines Drogenbarons eindringt und dort in einen nicht enden wollenden Kampf verwickelt wird. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass in BuyBust kein Haus die rudimentäre Struktur bietet. Aus dem vertikalen (der Boss im obersten Stock, der Rest darunter) ist ein horizontaler Aufbau geworden, der gnadenlos planlos ist. Alles zerrinnt an diesem Ort. Die selbstgebauten Hütten gehen ineinander über und ähneln sich zu sehr, um eine Übersicht möglich zu machen. Es wird sich ständig bewegt, aber letztlich macht das keinen Unterschied, wir stecken fest in einem Morast der Armut und Gewalt.

Leichen stapeln sich in jeder Gasse

Die Protagonisten machen es nicht übersichtlicher. Polizisten, Verräter unter diesen, die Schergen der Drogenkartelle und die Einwohner der Slums: Sie alle schießen, stechen, schlagen und treten endlos aufeinander ein. Gegen wen sich Protagonistin Nina (Anne Curtis), die Frau, der zu Beginn in den Rücken geschossen wurde, nun gerade wieder kämpft, lässt sich so wenig sagen, wie gegen wen sich die Gewalt der einzelnen Gruppen als nächstes richtet. Die Kämpfe erreichen dabei nicht die körperliche Intensität von The Raid. Sie sind schlicht nicht so elegant inszeniert, das Geschehen wirkt regelrecht dumpf. Wenn sich am Ende die Leichen in so ziemlich jeder Gasse stapeln, dann ist längst klar, dass in BuyBust nicht die Freude an mitreißendem Action-Handwerk im Vordergrund stand. Es geht um eine Welt unterhalb einer stabil wirkenden Gesellschaft – diese wird hier und da mal mehr, mal weniger anklägerisch ins Bild gerückt –, in der es nur noch (Todes-)Opfer gibt.

Am schwächsten ist BuyBust dabei, wenn gegen Ende die großflächigen Kämpfe tatsächlich verlassen werden. Was sich zuvor in von Neonfarben und Schatten gesättigten Bildern wirkmächtig entfaltet hat, wird dann nochmal mit Worten ausgebreitet. Fern des Kerngeschäfts der Action bekommt Nina nun in Dialogen noch einmal alles vorgekaut, was sich in dem Slum nicht zeigen ließ. Anders als in einer Serie wie The Wire (2002–2008) verbleibt hier keine Zeit mehr, dem Geld aus dem Drogenunternehmungen im Armenviertel zu folgen.

Sinn ist nur eine Behauptung

Am stärksten wiederum ist der Film, wenn er auf ganz subtile Weise seltsam ist und sich der Einordnung als sozialpolitische Parabel entzieht. Einerseits ist da ein erratischer Musikeinsatz. Mal sind die Kämpfe von Indie-Gitarren unterlegt. Oft herrscht gespenstische Ruhe, nur um dann doch etwas wie Salonmusik von einem Cembalo erklingen zu lassen. Und an einer Stelle ist eine neuerlich lospreschende Schlacht zu einem Hardcorepunksong choreografiert. Als ob sich in dem wilden Morden etwas Tiefsitzendes löst. Andererseits sind da die Zeiteinblendungen. Sie bieten den deutlichsten Hinweis darauf, dass das Geschehen im Slum nicht in Echtzeit geschieht, und sie unterteilen das Geschehen grob in Kapitel. In ihrer dokumentarisch wirkenden Genauigkeit, mit der sie rot leuchtend das gesamte Bild einnehmen, haben sie aber etwas völlig Überzogenes, geradezu Irreales. Sie gleichen den kontextlosen Einblendungen von Worten wie „Frühling“ in Ein andalusischer Hund (Un chien andalou, 1929). Sinn ist nur eine Behauptung, die im Angesicht des endlosen Mordens wie reiner Hohn wirkt.

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