Brothers Grimm – Kritik

Nachdem die Produktion seines Traumprojektes The Man Who Killed Don Quixote abgebrochen wurde, flüchtet sich Terry Gilliam in seinem aktuellen Film in eine Grimmsche Märchenwelt.

Brothers Grimm

Wie kann eine abermalige, filmische Aufbereitung der Märchenwelt der Gebrüder Grimm mit neuen Facetten versehen werden? Terry Gilliams Antwort ist simpel: in Brothers Grimm stehen zwar wie bereits in der George-Pal-Produktion Die Wunderwelt der Gebrüder Grimm (The Wonderful World of the Brothers Grimm, 1962) die Brüder selbst im Mittelpunkt des Geschehens, doch handelt es sich bei ihnen in dem 80 Millionen Dollar teuren Film nicht um Märchenchronisten. Als Geister- und Hexenjäger, samt „futuristischer“ Spezialausrüstung, befreien sie in betrügerischen Selbstinszenierungen abergläubische Gemeinden von Heimsuchungen. Die vorindustriellen Ghostbusters Wilhelm (Matt Damon) und Jacob (Heath Ledger) haben auf diese Weise ein ordentliches Auskommen, bis sie eines Tages ein Dorf von einem realen Fluch befreien müssen.

Gilliam nutzt die von den Grimms niedergeschriebenen Volksmärchen als Folie seines Entwurfes einer Phantasiewelt, in der neben einem detailverliebten, mittelalterlich anmutenden Zeitkolorit, barockes Chaos herrscht. Das ehemalige Mitglied der Monty-Python-Komikertruppe scheint sich treu geblieben zu sein, doch bedient Gilliam sich mehr der reichhaltigen Motivik seiner vorangegangen Filme, wie etwa Jabberwocky (1977) oder Time Bandits (1981), als dass er in der Lage wäre, die Märchenwelt seines jüngsten Films in ein originelles Konzept zu verpacken. Gilliams massiver Einsatz von Weitwinkelobjektiven und grotesk auf die Spitze getriebene Situationen, wie die Verwendung von bizarren Folterwerkzeugen in verschiedenen Szenen, lassen sich nur gelegentlich als gezielt eingesetztes Mittel seiner zum Markenzeichen avancierten absurden Komik ausmachen. Meist bleibt es lediglich bei einem aufwärmen der gewohnten Bilderkost, die bereits mit Die Abenteuer des Baron Münchhausen (The Adventures of Baron Munchhausen, 1988) ihren Höhepunkt erreichte.

Brothers Grimm

In seinem Münchhausen-Film haucht Gilliam Botticellis Gemälde „Geburt der Venus“ (um 1483) dank der jungen Uma Thurman filmisches Leben ein. Die Begegnung des Lügenbarons mit dem markanten Zopf (John Neville) und der Liebesgöttin ist Teil eines aberwitzigen Handlungsverlaufs, in dem eine mehrere Jahrhunderte umfassende Kulturgeschichte reflektiert wird. Gilliams vielschichtiges Spiel mit dem Aufeinanderprallen von Ikonen verflüchtigt sich in Brothers Grimm vollends und erfährt eine Degradierung zu einem oberflächlichen Manierismus. Unmotiviert streut er Bildzitate ein, wie die ertrinkende „Orphelia“ (1851-52) des Malers John Everett Millais, ohne auch nur ansatzweise einen Bezug zu dem bekanntesten Gemälde des Pre-Raphaeliten herstellen zu wollen. Angesichts seines Münchhausen-Films werden die Versäumnisse von Brothers Grimm besonders deutlich. Wenn Gilliams Lügenbaron in dem Bauch eines Wals seinem Ende nahe kommt, gelingt es dem Regisseur fast beiläufig postmoderne Strömungen aufzuzeichnen indem er Überschneidungen von biblischen Motiven und der frühen Pop-Kultur – die Innenansicht des Wals war dem Meeressäuger in Disneys Pinocchio (1940) nachempfunden – ausmacht. Im Falle von Brothers Grimm bleibt von dieser Reflexivität nicht viel übrig. Die rein äußerliche Verschmelzung von Disneys teuflischer Stiefmutter aus Schneewittchen und die 7 Zwerge (Snow White and the Seven Dwarfs, 1937) mit einem Grimmschen Rapunzel gestaltetet sich in Form der „bösen“ Prinzessin (Monica Bellucci) nur noch als leidliches Märchenpottpüree. Medienübergreifende Intertextualität, Gilliams intellektuelles Steckenpferd, dass er auch in der kafkaesken Vision Brazil (1984) perfekt beherrscht, ist in Brothers Grimm lediglich auf beliebig abgerufene Querverweise innerhalb der Kunst- und Kulturgeschichte reduziert, die mit einem faden Beigeschmack einhergehen.

Brothers Grimm

Auch die Charaktere sorgen neben einer unausgegorenen Geschichte und der ermattenden Bilderwucht für wenig Abwechslung. So blass, wie die Figur des Wilhelm Grimm angelegt ist, wird sie auch von Matt Damon interpretiert. Heath Ledger ist in der Lage, dank der Kauzigkeit Jacobs, eine etwas komplexere Arbeit abzuliefern, doch ist der Schauspieler dabei noch immer sichtbar unterfordert. Was die Figuren deutlich machen, ist ein Stigma, das sich auf sämtlichen Ebenen des Films fortsetzt. Es fehlt das Herzstück von Gilliams vorangegangenen Ausstattungs-Eskapaden: Humor. Dass Peter Stormare, bekannt geworden als tumber Auftragsmörder im Coen-Brüder-Film Fargo (1996), hier als exzentrischer Folterfachmann noch für kurze Momente der Unterhaltung sorgen kann, ist die Ausnahme. Letztlich kommt Gilliams Film so blutarm daher, wie ein mittelmäßiger Blockbusterfilm und lässt streckenweise gar den technischen Perfektionismus des Regisseurs vermissen.

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Kommentare


swordfish

Ich hab ihn als DVD ausgeliehen und fand ihn schon nach wenigen Minuten grottenschlecht.

Dann las ich nochmal Infos zu Stab, Besetzung, Regie: Terry Gilliam. Gilliam ?? Moment mal.. da war doch was...jaaa genau, Monthy Python. Und allmählich konnte ich eins und eins zusammengezählen:

Es ist Absicht des Regisseurs, den Film grottenschlecht aussehen zu lassen, denn:
Dahinter steht nichts anderes als die urbritische Eigenschaft, alles Deutsche ins Lächerliche zu ziehen, restlos, und die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm waren nunmal Deutsche und haben in Deutschland gewirkt.

Einst sagte man der Monthy-Python-Truppe nach, ihr sei nichts und niemand heilig. Das stimmt so nicht ganz, sie hätten sich zB. niemals über Shakespeare lustig gemacht- soweit gehts dann doch nicht mit der Anarchie.

Shakespeare, das "Zentrum des Universums" in den Augen aller Briten, die etwas mit Kultur oder Literatur zu tun haben. Es sind dieselben Briten, die auch keine Mühe damit hätten, Goetheinstitute als Naziorganisationen hinzustellen.
Das sollte aber nicht verwundern in einem Land, indem sich sämtliche Zeitungen über "unseren" Papst lustig gemacht haben am Tage seiner Wahl "Papst Rottweiler".

Klingt ein wenig ausgeholt, jedenfalls, das wäre eine plausible Erklärung für diesen grotesk schlecht wirkenden Film...


Jokob

Ich hab den Film gerade gesehen und fand ihn nicht gerade brilliant, aber nichtsdestotrotz ziemlich unterhaltsam.

Zu dem anderen Kommentar: Gilliam ist Amerikaner, kein Brite!!! Und wenn eine Nationalität in dem Film schlecht wegkommt, dann die französche. Wer eine solche Humorlosigkeit an den Tag legt wie der Vorposter, ist allerdings mit einem Gilliamfilm schlecht beraten.


Bartling

Der Film ist einfach schlecht. Die Idee am Anfang fand ich noch sehr amüsant: Die Brüder Grimm werden als Betrüger dargestellt, die mit dem Aberglauben der Menschen Geschäfte machen. Aber dann rutscht die Story in eine wirre und nicht nachvollziehbare Aneinanderreihung von Motiven aus den Grimmschen Märchen ab. Man kann der Story einfach nicht mehr folgen - selbst jemand, der mit den Märchen vertraut ist.






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