Blood Ties – Kritik
Pilotfilm ohne Serie.

Wie alle Geschwister balgen sich auch Frank und Chris gern. Doch aus dem Jungsalter sind die beiden längst raus, ihre Balgereien tragen sie mittlerweile mit erhöhtem Einsatz aus. Denn Frank (Billy Crudup) ist ein geachteter Cop auf den Straßen Brooklyns, Chris (Clive Owen) dagegen frisch aus dem Gefängnis entlassen und auf der Suche nach einem neuen Leben. Dieses beginnt zunächst mit dem Besuch seiner ihm bislang unbekannten Kinder. Deren Mutter Monica (Marion Cotillard) starrt Chris halb mitleidig, halb gehässig an, als dieser von seinen Aussichten auf einen anständigen Job erzählt. Und sie scheint Recht zu behalten: Nachdem der Plan, gemeinsam mit seinem besten Freund eine leer stehende Imbissbude zu betreiben, an der Kommunalpolitik scheitert, erscheint die schiefe Bahn doch als direkterer Weg, sich von den Geldsorgen zu befreien.
Der stets für einen Rückfall anfällige Ex-Knacki ist eines von vielen Genre-Klischees, die Guillaume Canet in Blood Ties ausbeutet, einem Remake des französischen Thrillers Les liens du sang (2008), in dem Canet selbst die Hauptrolle gespielt hat. Mit einer trotz originalgetreuem Drehbuch 40 Minuten längeren Fassung scheint Canet dem Material ein wenig mehr episches Format verleihen zu wollen. Und nach dem flotten Einstieg in den Film, der erfolgreich den Schwung von Mafiafilmen im Scorsese-Stil beschwört, lassen wir uns zunächst gern ein auf dieses klassische Gangster-Drama, das auch in Canets Version in den 1970er Jahren spielt.

Für die dem Genre inhärenten Chauvinismen dürfen die Frauen natürlich nicht fehlen, und so lässt sich Chris bald mit der schönen Natalie (Mila Kunis) ein, der er verhängnisvollerweise verspricht, immer die Wahrheit zu sagen, und Frank wirbt währenddessen bei seiner Ex-Freundin Vanessa (Zoe Saldana) um eine zweite Chance. Doch wie der Titel schon sagt, stehen hier nicht die Liebes-, sondern die Blutsbeziehungen im Vordergrund. Während Schwester Marie (Lili Taylor) und Vater Léon (James Caan) alles tun, um Chris bei seinem Neuanfang zu helfen, bedeutet dessen Rückkehr in die Freiheit für Frank eher einen Haufen Probleme. Andererseits ist Blut natürlich gerade in Blood Ties dicker als Bullenehre – und nicht zuletzt plagen Frank noch immer Gewissensbisse aus früheren Zeiten: An Chris’ erster Begegnung mit dem Gesetz als Jugendlicher war er nämlich nicht ganz unschuldig.

Es ist ein ziemlich breites Ensemble an bekannten Darstellern, das hier aufgefahren wird. Den meisten von ihnen lässt Canet dabei nur wenig Raum für eindringliche Momente, und so richtig überzeugen kann hier nur Clive Owen, der uns Chris’ im Gefängnis angesammelte Energie noch in den ruhigsten Szenen spüren lässt. Die übrigen Figuren sollen sich vor allem in die komplexe Geschichte einfügen, mit der Canet dann über Loyalität und die Schicksalsgemeinschaft der Familie reflektieren will. Doch an dieser hohen Ambition scheitert der Franzose schließlich. Die großen Fragen werden gestellt, aber nicht filmisch vermittelt, die Figuren immer nur gerade so deutlich gezeichnet, wie es das Drehbuch eben braucht.

In seinem Debütfilm Kein Sterbenswort (Ne le dis à personne, 2006) hat Canet gerade dem Genre-Kino einiges abgewinnen können, die Figuren immer wieder über die für den Plot benötigten Eigenschaften hinaus beobachtet, Action- wie Dialogsequenzen angenehm unkonventionell und mit einem Gespür für Rhythmus und Timing inszeniert. Dieses Talent ist in Blood Ties nur sporadisch zu erkennen. Weckt der Film im ersten Teil mit dem behutsamen Aufbau seiner Handlung noch Interesse, kann Canet sein episches Versprechen schließlich nicht halten. Das Tempo zieht nicht an, sondern wechselt ständig, die Schnitte kommen meist zu früh, um ein Mitfühlen zu ermöglichen, und auch was die Tonalität betrifft, ist Canet zu unentschlossen, will zugleich brutal direkt und reflektiert stylish sein.

Die Lust, sich ins Brooklyn der 1970er Jahre versetzen zu lassen, vergeht so nach und nach – so atmosphärisch gelungen diese Welt auch nachgezeichnet wird. Canet baut mühsam ein Gestrüpp aus Beziehungen und Subplots auf, das in einer TV-Serie vielleicht hätte spannend entwirrt werden können, nicht aber in der letzten halben Stunde eines Films. So erscheint Blood Ties wie ein Pilotfilm, dem mitten beim Dreh die versprochene Serie abhanden kommt. Jegliche Intensität wird kurzfristig durch den Rock-Soundtrack übertönt und langfristig durchs Drehbuch erstickt, die Spannung nimmt mit den immer weniger plausiblen Plot-Twists nicht zu, sondern ab – und die so mit Bedeutung aufgeladene und mit Blut besudelte Beziehung der beiden Geschwister verliert sich in Balgerei unter erhöhtem Einsatz.
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