Besser als nix – Kritik
Mit skurrilem Humor versucht ein Jugendfilm, sich dem Sterben anzunähern. Das daraus resultierende Chaos auf der Leinwand ist jedoch ziemlich konservativ geraten.

„Das Leben ist ein Arschloch“ sagt der 19-jährige Tom (François Goeske) zu seinem Vater. Tom steckt in den letzten Zügen seiner Pubertät, entsprechend markig prangt einem dieser Ausspruch vom Filmposter von Besser als nix entgegen. Nach dem gleichnamigen Buch von Anne Pourlak (die auch mit am Drehbuch geschrieben hat) inszeniert Ute Wieland die Geschichte eines Außenseiters auf dem Land. Tom trägt immer schwarz, schminkt sich die Augen, sein Aussehen ist anders als das seiner Mitschüler – er fühlt sich „umzingelt von Idioten“. Dennoch verbindet ihn etwas mit seinen Altersgenossen: die planlose Suche nach einer möglichen Zukunft, nach Orientierung und individueller Freiheit.
Auf besagtem Poster befindet sich direkt neben dem Spruch ein Totenkreuz, das zugleich als Fenster fungiert, durch den das Schauspielensemble des Films auf den Betrachter hinabschaut – als wenn man in einem offenen Grab liegen würde. Denn im Zentrum von Besser als Nix steht Toms Auseinandersetzung mit dem Thema Tod. Und dieser ist in unterschiedlichen Formen vertreten: Toms Mutter ist vor drei Jahren gestorben, die skurrile Berufsberaterin beim Arbeitsamt vermittelt ihm eine Arbeit im lokalen Bestattungsunternehmen „Heimkehr“, seine Großmutter Wally (Hannelore Elsner) verweilt optimistisch im Altersheim, in der zumeist letzten Haltestelle vor dem Ende.
Existenzialismus und Slapstick

Das Drehbuch von Besser als Nix kann sich nicht so recht entschließen, welche Haltung es zum gravitätischen Thema einnehmen soll. Zwar wird dem Tod immer wieder erfrischend unkorrekt mit schwarzem Humor begegnet: Olga Petrowa (Nicolette Krebitz), Mitarbeiterin des Bestattungsunternehmens, ist HIV-positiv, aber bei der Arbeit mit Toten kann sie ja niemanden mehr anstecken, Tom muss in einer unerwartet expliziten Szene tief im Bauchraum einer Leiche den Herzschrittmacher finden und herausholen. Problematisch ist diese „Gestorben-ist-noch-jeder“-Attitüde aber, weil die absurde Komik quersteht zu den sehr ernsthaften Konfrontationen, die einzelne Figuren mit dem Tod haben – und aufgrund dieser Unverhältnismäßigkeit zur Ansammlung mehr oder weniger schriller Effekte verkommt. Tom kann die Abwesenheit seiner Mutter dagegen nur schwer ertragen. So sehr leidet er unter dem Verlust, dass der Film diese Lücke mit der Referendarin Sarah Gerster (Anna Fischer) füllt, einer Ersatzmutter, in die sich Tom natürlich verliebt. Jenseits ihrer Funktion wird Sarah dann aber kaum zu einer eigenständigen Figur. Sie macht das heillose Durcheinander auf der Leinwand nur noch unübersichtlicher.

Das Chaos mag zur Konzeption eines Films gehören, der seine Geschichte aus der Perspektive eines unentschlossenen Jungen erzählt, dem narrativen Fluss kommt es allerdings wenig zugute. Holprig und abrupt reiht sich eine übersteigerte Szene an die nächste, die Leinwand wird dabei von Figuren bevölkert, die unausgereift und klischeebeladen gezeichnet sind. Die Dialoge sind allzu oft hölzern und gefällig, da kommt auch die prominente Nebendarstellerriege um Hannelore Elsner, Nicolette Krebitz, Clemens Schick und Wotan Wilke Möhring nicht gegen an. Gänzlich ungeklärt bleibt, warum der Rockabilly-Leichenwäscher Hans (Clemens Schick) einen siebten Sinn für das Sterben seiner Mitmenschen hat und mit dem Leichenwagen bereits losfährt, bevor der bestätigende Anruf kommt. Die surrealen Sequenzen, in denen die tote Mutter erscheint, bieten dann nicht viel mehr als eine bloße Bebilderung gegebener Umstände.
Harmlos oder konservativ?

Zwar lokalisiert Wieland den Plot des juvenilen Außenseiters in Grieben und damit in der ostdeutschen Provinz, unterfüttert das Setting darüber hinaus jedoch nicht mit realistischen Details. Die widrigen Bedingungen, unter denen Jugendliche in dieser Region nach Arbeit suchen müssen, bleiben außen vor. Der Film grenzt vielmehr zwei Räume voneinander ab: den problematisierten Alltagsraum, in dem sich Tom unwohl fühlt – in der Schule, im Fußballverein – vom außerordentlichen Raum des Bestattungsunternehmens, in dem Tom akzeptiert wird. Dabei bleibt Besser als Nix in seiner Naivität stecken: Im Film lösen sich alle Probleme auf, und seien sie noch so schwer. Dagegen sind die Ausgrenzungsformen in Schule, Familie und Alltag schön harmlos und verträglich dargestellt. Gegen Ende bemerkt Tom trotz seiner Schwierigkeiten immer stärker, dass es im Kreise seiner Familie und seiner Freunde doch am besten ist. Der anfangs noch unbedingte Wille, aus dem Gewohnten auszubrechen, kommt ihm abhanden. Und das alles nur, weil er eine Arbeit gefunden hat, die ihm Spaß macht. Als Tom die Zusage vom Bestattungsunternehmen bekommt, erwidert er mit einem Lachen in die Kamera: „Besser als nix!“ Das Porträt einer Jugend, die sich mit dem Ersten und Geringsten zufrieden gibt, anstatt drängend das Andere zu wollen, ist dann doch sehr konservativ geraten.
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Kommentare
Markus Weber
Kann ich jetzt nicht behaupten - ich persönlich fand den Film mal etwas anderes.... Den Damen und Herren Filmkritiker sollte mal gesagt sein, dass es immer leichter ist die Dinge und Werke anderer zu kritisieren als selbst einmal etwas auf die Beine zu stellen!
Frédéric Jaeger
Warum muss man ihnen das sagen? Ist eine Kritik nichts Auf-die-Beine-Gestelles? Muss ich vielleicht dem Kommentator sagen, dass es einfacher ist, eine Kritik zu kritisieren, als mal selbst eine auf die Beine zu stellen?
2 Kommentare