Batch '81 – Kritik

Nüchtern in den Faschismus: Mike De Leons finsteres Meisterwerk Batch ’81 spricht in aller Ruhe vom Wahnsinn und macht das Totalitäre nachfühlbar, ohne selbst in der Form totalitär zu werden.

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Schon während der Titel und dann immer wieder, und vor allem stets in extrem grausamen Szenen, erklingt ein Synthie-Stück, das an John Carpenters Soundtracks erinnert, an alte Computerspiele und an Barockmusik: Wie manche Bach-Etüden ist die Titelmelodie von Mike De Leons Batch ’81 gleichzeitig von perfekter, jubilatorischer Schönheit und unbarmherzig antreibend, man bekommt sie hinterher für Tage nicht mehr aus dem Kopf. Eine Musik, die für sich selbst nicht faschistisch ist, die aber, weil sie alle Zweifel hinter sich lässt, plötzlich klarmacht, warum der Faschismus nicht nur auf geborene Sadisten, sondern auf buchstäblich jeden anziehend wirken kann.

Lektionen in Demütigung

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Tatsächlich weiß man nichts über die sieben jungen Männer, die es sich in den Kopf gesetzt haben, Mitglieder der Studentenverbindung Alpha Kappa Omega zu werden. Mit einem von ihnen, mit dem bulligen, schnurrbärtigen Sid Lucero (Mark Gil), betreten wir in der ersten Szene zunächst die Uni, dann einen Seminarraum, in dem Zellteilung, also die Grundlage jeglichen Lebens, unterrichtet wird. Während die Dozentin die Studenten eher demütigt als unterrichtet, setzt ein Voice-over ein: Das hier ist sein, Sids, Alltag, und Alltag heißt für ihn Fremdbestimmung. Der Kurs ist Pflicht für Zoologiestudenten; und Zoologie studiert er nur, weil seine Eltern es so wollen. Eigentlich ist das alles: „Bullshit!“ Er holt den Mitgliedsantrag für Alpha Kappa Omega aus der Tasche und beginnt, während weiter Zellteilung gepredigt wird, ihn auszufüllen. Der Rest des Films besteht aus der Aufnahmeprüfung. Gleich auf die Szene im Klassenzimmer folgt die erste Lektion, an deren Beginn ein Gesicht aus dem Dunkel spricht und an deren Ende Sid und seine Schicksalsgefährten nackt und mit verbundenen Augen, ihren Peinigern schutzlos ausgeliefert, nebeneinander stehen, dem Kommenden ergeben harrend.

Die Korrumpierung alles Schönen

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Die Lektionen, nach denen sich der Film strukturiert, sind unterschiedlicher Natur. Manchmal geht es einfach nur um Demütigung, oder um Gewalt in Reinform, um Eisenklammern, die einem an den Oberkörper geheftet werden. Zentraler allerdings ist eine Form ideologischer Unterweisung, deren hauptsächliches Ziel darin zu bestehen scheint, alles, was außerhalb der Verbindung mit Freude, Glück und Schönheit in Zusammenhang gebracht wird, hoffnungslos zu korrumpieren. Sex natürlich sowieso, aber auch etwas so Harmloses wie eine Geburtstagsfeier. In einer besonders perfiden Versuchsanordnung, die dem Milgram-Experiment nachempfunden ist, geht es darum, dass sich selbst die ansonsten als einziger, ewiger Wert beschworene Kameradschaft der Verbindungsgenossen, der eh schon in sich brutalisierte Korpsgeist, als eine Schimäre herausstellt, auf die sich der Einzelne im Zweifel eben nicht verlassen kann. Die Verbindungsmitglieder sollen sich gegenseitig lieben; aber noch wichtiger ist, dass sie sich gleichzeitig gegenseitig hassen. Bis aufs Blut.

Objektiver Blick, ökonomischer Erzählgestus

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Ein quintessenzieller Film über Totalitarismus ist Batch ’81, weil er das Totalitäre ästhetisch nachfühlbar macht. Das heißt allerdings nicht, und das ist ein entscheidender Unterschied zu so manchem aktuell auf Festivals gefeierten europäischen Autorenfilm, dass er in seiner Form selbst totalitär wird. Und es heißt auch nicht, ein ebenso entscheidender Unterschied, dass er einen hilflos wie einen Unterdrückten macht. De Leon macht sich weder (wie Haneke, von Trier, Seidl & Co.) mit den Tätern gemein noch (wie zum Beispiel Ken Loach) mit den vermeintlichen Opfern, die ohnehin keine sind, die schon immer am System Teil haben. Er registriert die Schläge genauso objektiv wie das Leid der Geschlagenen (und wie ihre anschließende Identifikation mit dem Aggressor). Batch ’81 spricht nüchtern und in aller Seelenruhe vom Wahnsinn. Zwar hat das gesamte Setting etwas Klaustrophobisches: Der Film spielt größtenteils in unpersönlichen, funktional eingerichteten, düsteren universitären Innenräumen. Aber in seinem ökonomischen Erzählgestus und in seiner aufgeräumten, in mittleren Einstellungsgrößen figurenzentriert organisierten Bildgestaltung erinnert er eher an ein gut gemachtes B-Movie als an subjektivierendes Terrorkino à la Polanski.

Faschismus, nachfühlbar und durchschaubar gemacht

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Ein Film, der rational auf Irrationales reagiert und darin vielleicht tatsächlich aufs Verstehen, auf Selbstaufklärung durch kognitiven Nachvollzug zielt. Ein Film, der Faschismus (als System, nicht als bloßes Machtgefälle) gleichzeitig nachfühlbar und durchschaubar macht, in der Synthie-Musik, in der Deprivilegierung des Individuums – Sid Lucero ist, sobald das Training beginnt, nicht mehr Hauptfigur, sondern nur noch „einer aus dem Batch“, ein hilfloser Körper zwischen anderen –, aber auch im world building, das sich keinerlei Mühe gibt, auch nur irgendeine lebbare Alternative zur ihrerseits völlig begründungs- und kontextlos das Zentrum allen Seins bildenden Terrorstudentenverbindung Alpha Kappa Omega zu konstruieren. Die Girlfriends, die natürlich nicht zur übermaskulinen Verbindung gehören, sind zum Beispiel nur ein Scheinausweg, weil sie sich, wenn’s hart auf hart kommt, doch nur als Verfügungsmasse für jene Machtspiele eignen, aus denen das Leben ausschließlich besteht, sobald man die Welt von Alpha Kappa Omega betreten hat.

Einmal werden die Rekruten gefragt, ob sie glauben, dass das Kriegsrecht (das der Diktator Ferdinand Marcos 1972 ausgerufen hatte) für das Land von Vorteil sei oder nicht. Ansonsten gibt es kaum Verweise auf politische Ereignisse; solche sind auch gar nicht nötig, um zu erkennen, von welchen Verhältnissen De Leon spricht. Gleichzeitig allerdings braucht es nicht erst die Hakenkreuzflaggen, die in einer delirierend weirden, aber wiederum nüchtern abgefilmten Showperformance gegen Ende des Films auftauchen, um einem klarzumachen, dass es nicht möglich ist, den Film zu historisieren, ihn sich heute und von Deutschland aus mit dem Verweis auf die brutale koloniale und postkoloniale Geschichte der Philippinen vom Leib zu halten. Eine kraftvolle, beängstigende, Albträume induzierende politische Allegorie ist Batch ’81 eben, weil De Leon das Allgemeine genauso bezeichnet wie das Spezifische.

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