Tezuka's Barbara – Kritik

Neu auf DVD: Osamu Tezukas Manga-Klassiker Barbara hüpfte beschwingt durch die Welt eines apollinischen Künstlers und seiner dionysischen Muse. Die Verfilmung seines Sohnes macht daraus ein Porträt eines ambitionierten Autors in der Krise, das es ziemlich ernst meint.

Yosuke Misura (Gorô Inagaki) ist ein erfolgreicher Schriftsteller. Seine Bücher sind Bestseller, er hat Fans und wird auf der Straße erkannt. Was in Tezuka’s Barbara (2019) gleichzeitig aber auch bedeutet, dass er künstlerisch unerfüllt ist. Bei einer Preisverleihung verschwindet er umgehend nach seiner Ankunft. Die Laudatio auf einen Kollegen mit kleinerer Auflage, aber anspruchsvolleren Werken wird zum indirekten Angriff auf ihn. Der Preisträger habe sich eben nicht für den Erfolg mit erotischen Vignetten und einem leichten Stil korrumpiert.

Feinster Whiskey aus der Flasche

Die Exposition ist ein Spießrutenlauf für Misuras Ego. Kleine absurde Szenen, in denen er scheitert und erniedrigt wird, reihen sich aneinander. Den elitären Kunstbetrieb verachtet er für dessen Oberflächlichkeit, während es an seiner Eitelkeit nagt, dass er von eben diesem Betrieb nicht geliebt wird. Seine Bücher werden dafür gelobt, dass bei ihnen nicht mitgedacht werden muss und nichts hängen bleibt. Wenn sich Groupies und Politikertöchter beim Tête-à-Tête in surrealen Momenten als etwas anderes offenbaren, als sie zu sein scheinen, werden sie zu Symbolen dafür, dass er sich mit den falschen, den künstlerisch wertlosen Aspekten seines Künstlerseins ins Bett legt. Kurz: Wir bekommen das Porträt eines ambitionierten Künstlers in der Krise.

Gleich zu Beginn liest er aber auch die Obdachlose Barbara (Fumi Nikaidô) auf, die in der Gosse Verlaine rezitiert und ihn deshalb interessiert. Als erstes steckt er sie unter die Dusche. Dort lässt sie auf barbarische Weise feinsten Whiskey direkt aus der Flasche in sich reinlaufen und trällert dazu ein Popliedchen. Parallel sehen wir den nun plötzlich inspirierten Autor, der zu dröhnendem Free Jazz Zeile um Zeile in den PC klimpert. Schon hier stellt die Mangaverfilmung die Unterscheidung von U und E ins Bild, die Tezuka’s Barbara antreiben wird, die es in Osamu Tezukas Vorlage so nicht gibt und die nicht unbedingt ergiebig für den Film ist.

Noch die größte Unordnung ein Design

Die unbedarfte, freie Barbara wird zu Yosukes Muse. In Tezukas Manga ist sie ein freches Lüftchen, das das Leben eines wenig souveränen, steifen Männchens durcheinanderbringt und ihn zum großen Literaten macht. Sympathisch oder auch nur charismatisch wird er bei seinen Erlebnissen mit Barbara aber trotzdem nicht. Vor allem hüpft das Manga aber beschwingt durch das dysfunktionale Terrain des apollinischen Künstlers mit seiner dionysischen Muse, stellt die Hassliebe in verdrehte und nie feststehende Zusammenhänge – mal ist Barbara griechische Göttin, mal Hexe, mal Voodoopriesterin – und findet noch im größten Leid Lust an Verspieltheit und am Spinnen seines Garns.

Nichts davon bei Tezuka’s Barbara. Dass sich die Verfilmung von der Vorlage unterscheidet und ihren eigenen Ansatz sucht, ist nur legitim. Das Problem ist aber, dass Barbara – ohnehin schon darauf begrenzt, Katalysator und Nebenfigur zu sein – durch die allgegenwärtige Unterscheidung zwischen bedeutender Kunst und trivialer Popularität zum Fremdkörper wird. Wenn die Darstellerin Fumi Nikaidô es nie schafft, das Bezaubernde ihrer Figur zu entfachen, liegt das nicht nur an ihr, sondern auch daran, dass der Film kein Verständnis für Barbara entwickelt. Sie wird eben kaum gebraucht, wenn es darum geht, einen Schriftsteller zu zeigen, der sein Werk aus Qual gebären muss.

Im Manga schreibt Misura schon während Barbaras chaotischer Anwesenheit zwei bedeutende Werke. Im Film sieht man ihn dagegen nur ab und zu mit einem Füller hantieren. Erst das leiderfüllte Ende – das merklich ausgedehnt wird, weil Tezuka’s Barbara hier zu sich findet – zeigt ihn erstmals nach der Duschszene wieder als jemanden, der von seinem Schaffen getrieben wird. Der Film schießt sich auf den leidenden Künstler ein. Die aus dem Manga übernommenen wie die eigenen Absurditäten werden zumeist auf bedeutungsschwangere Aussagen zum Künstlersein limitiert. Noch die größte Unordnung in den Wohnungen und auf der Straße sieht in den weiten, kalten Bildern nicht unordentlich aus, sondern wie ein möglichst aussagekräftiges Design der Verfasstheit Misuras.

Das Siechen des Künstlers steht schwer im Bild

Oder anders: Tezuka’s Barbara basiert auf einem starken Werk eines legendären Mangaka. Regie führt kein anderer als Osumas Sohn Makoto. Und Christopher Doyle, den seit seiner Zusammenarbeit mit Wong Kar-Wai der Nimbus des Genialischen umweht, zeichnet für die Kamera verantwortlich. Es hört sich vielversprechend an, und doch handelt es sich um klassisches Katzengold. Der Schein trügt, und das Zusammentreffen der unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten verstärkt nicht unbedingt deren beste Seiten.

Zu Beginn werden die Szenen zum Beispiel von impressionistischen Sequenzen unterbrochen, in denen sich Doyle austoben kann. Dessen Stärken liegen aber nicht darin, eine Handlung zu filmen, sondern das Verstreichen von Zeit und melancholische Verlorenheit einzufangen – in Collagen aus Neon und urbaner Widersprüchlichkeit. Hier sind es Leute im Anzug, die in Massen durch die Großstadt getrieben werden, die im Trott gefangen sind. Barbara, die neben Obdachlosen sitzt. Yosuke Misura, der sich nicht hinter seiner Sonnenbrille versteckt, sondern seinen Weltschmerz und Überdruss ausgestellt durch die Bilder trägt. Und all das bietet einen Vorgeschmack auf die Allgemeinplätze, auf die Barbara immer wieder zusteuert, wenn es darum geht, dass das Siechen eines Künstlers schwer im Bild steht.

Den Schlüssel dafür, das alles nicht zum schlichten Porno eines Leidens an sich selbst zu machen, hält Tezuka’s Barbara sogar in der Hand. Denn nachdem Barbara aus der Dusche kommt und den Erguss Misuras liest, lacht sie ihn aus. Der Einsatz seines Ernstes hatte zu nichts geführt außer ein paar generischen erotischen Zeilen. Gäbe es nur einen Anhaltspunkt, dass in dem ausgestellten Ernst des Films ein Augenzwinkern liegt, nur einen Hinweis, dass das Brüten über der eigenen Bedeutsamkeit ein Witz ist, die Tristesse von Tezuka’s Barbara könnte tatsächlich erquicklich und inspirierend sein.

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