Avatar 2: The Way Of Water – Kritik
In der Fortsetzung seines 3D-Erfolgsfilms kehrt James Cameron zu seinem Kernelement Wasser zurück. The Way of Water ist eine naive Utopie, die nur bei ihren Tauchgängen sinnliches Erlebnis ist.

Wo der Mensch auf unberührte Natur trifft, macht er sie sich zu eigen. Das gilt für die offensiv ausbeuterischen „Himmelsmenschen“ unter der Ägide von Colonel Miles Quaritch, die den Planeten Pandora plündern wollen, nachdem sie schon die Erde ihrer letzten natürlichen Ressourcen beraubt haben; und das gilt auch für die Na’vi, das blaue Naturvolk von Pandora, das seine Erinnerungen in den Zweigen sogenannter Seelenbäume speichert oder echsenähnliche Flugtiere bändigt, um sich den Luftraum zu erschließen. Doch dem strikt binär angelegten Konstrukt von Avatar – Aufbruch nach Pandora, James Camerons sämtliche Rekorde brechendem New-Age-Science-Fiction-Film von 2009, geht es weniger um Parallelitäten als um Antagonismen: hier die böse Technologie, beherrscht von militarisierten Aggressoren, dort die gutartige Natur, repräsentiert durch edle Wilde, die im Einklang mit ihrer Umwelt leben.
Rührend naive Utopie

Für die Paradoxien, die sich daraus ergeben, ist Cameron blind. Das ist so sympathisch wie frustrierend: Natürlich sind auch die von ihm erschaffenen Welten (wie die sämtlicher seiner Filme) zuvorderst ein Produkt der Technik, die nun in der späten Fortsetzung Avatar 2: The Way of Water fast noch vehementer verdammt wird als im ersten Teil – obwohl Cameron bis auf wenige Ausnahmen alles Mechanische tendenziell näher ist als der romantische Affekt. Und um sein Avatar-Verse als überoffensichtliche Kolonialismus-Allegorie funktionieren zu lassen, idealisiert er die Na’vi und ihre archaische Gesellschaftsordnung bis zu einem Punkt, an dem die ihnen zugeschriebenen Attribute nicht mehr allzu weit entfernt sind von jenen Stereotypen, die im Kolonialzeitalter gern als Rechtfertigung für Gewalt und Unterdrückung hergehalten haben.

Avatar ist gänzlich frei von Reibung, weil er alles säuberlich getrennt hält: Ätherischer Zartheit und ethnokitschiger Naturmystik stellt Cameron vierschrötige Härte und maschinelle Kälte entgegen, auf die Hässlichkeit von Laboratorien, Metallcontainern und militärischen Gerätschaften antwortet er mit nicht minder hässlichen Postermotiven und Fantasy-Groschenroman-Covern. Das kann nerven, ist aber mitunter auch rührend, weil es den Stand von Avatar als Anomalie unterstreicht und ihn heute noch fremder erscheinen lässt als zu seinem Erscheinen vor 13 Jahren – eine durch und durch naive Utopie, die eigentlich viel zu seltsam gewesen sein müsste, um einem Multi-Millionenpublikum zu gefallen.
Auf die nächsten sechs Filme

Den lang angekündigten zweiten Teil setzt James Cameron nun in einer vollkommen veränderten Kinolandschaft aus: Seit Avatar hat es keinen originären Erste-Reihe-Blockbuster mehr gegeben, der weder auf einer Vorlage basierte noch in ein Franchise eingebunden war, der sein Publikum nicht mit Vertrautem lockte, sondern allein mit dem Versprechen auf Nie-Zuvor-Gesehenes. Der durch ihn ausgelöste 3D-Hype ist derweil längst verebbt, und eine Wiederholung des Erfolges – Avatar führt nach wie vor bzw. seit seiner Kinowiederaufführung erneut die Liste der erfolgreichsten Filme an – darf vor diesem Hintergrund bezweifelt werden. Trotzdem scheint Cameron von seiner eigenen Kreation regelrecht absorbiert worden zu sein – kaum ein Tag vergeht, an dem er nicht über seine Pläne für die nächsten sechs Filme spricht, und wenn ihm keine Marktlogiken einen Strich durch die Rechnung machen, ist davon auszugehen, dass der Regisseur nie wieder etwas anderes tun wird, als Avatar-Filme zu drehen.

War Avatar ein Dschungelfilm, zieht es Cameron jetzt wieder in sein von Piranha II (1981) über Abyss – Abgrund des Todes (The Abyss, 1989) bis hin zu Titanic (1997) stetig wiederkehrendes Kernelement zurück: das Wasser, den Ozean. Bis er dorthin kommt, vergeht allerdings erst mal eine knappe Stunde, die einerseits als eine Art Appendix hinter dem Vorgänger aufräumt und andererseits prologartig zum Setting-Wechsel hinleitet.

Etwa anderthalb Jahrzehnte nach dem Ende des ersten Films ist Jake Sully (Sam Worthington), einst Bindeglied zwischen den verfeindeten Spezies, vollends zum Na’vi geworden. Von dem an seiner Mission zweifelnden, körperlich versehrten Marine von einst, der unbeholfen in eine Parallelwelt voller unbekannter Riten und Gepflogenheiten stolperte, ist kaum noch etwas übrig. Er ist zum Anführer des Omaticaya-Clans aufgestiegen und kämpft an vorderster Front gegen die Menschen, die nicht mehr nur auf Rohstoffe aus sind, sondern eine vollständige Umsiedlung nach Pandora anstreben. Die Invasoren haben sich indes durch Klontechnik selbst zu Na’vi transformiert und sind deshalb noch schwerer verwundbar als zuvor, weshalb Jake, Neytiri (Zoe Saldana), ihre drei leiblichen Kinder und Quasi-Adoptivtochter Kiri (Sigourney Weaver!) schließlich die Flucht auf eine Insel antreten, die von einem anderen Na’vi-Stamm bevölkert wird.
Überhöhung des Bestehenden

Wie ein Angriff auf die militärische Infrastruktur der Menschen in einer der ersten Szenen in der Art einer great train robbery inszeniert ist, kann auch die Ankunft in der fremden „Stadt“, das folgende Sich-Behaupten- und Vertrauen-Schaffen-Müssen als Anspielung auf Western-Topoi gelesen werden, auch wenn Cameron wenig Interesse hat, diese Spur weiterzuverfolgen. Zunächst denkt er sich (ebenso beiläufig, wie er Sprachbarrieren aushebelt, wenn es sein muss) eine Möglichkeit aus, die Waldbewohner unter Wasser atmen lassen zu können, um ihnen die Gelegenheit zu ausgiebigen Tauchgängen zu geben. In diesem Mittelteil kommen er und der Film am ehesten zu sich: in einem Stillstand, der wenig mehr will, als auf den Wellen zu driften, sich staunend den Weg durch fluoreszierende Korallenriffs zu bahnen und die Bekanntschaft mit allerlei irrlichterndem Meeresgetier zu machen.

Hier – enthoben von jeglichem Ballast – wird Avatar: The Way of Water kurzzeitig zu dem sensorischen Erlebnis, als das er modelliert ist, auch wenn seine vielbeschworene Imaginationskraft weiterhin limitiert bleibt. Das Design des Fantastischen konstituiert sich meist aus der Überhöhung von Bestehendem, Fauna und Flora des fremden Planeten sind weitgehend den Formen unserer Welt nachempfunden, an Land wie auch unter Wasser. Das muss wohl so sein, damit immer auch wir uns gemeint fühlen können, wenn Cameron seine Kritik am Raubbau an der Natur diesmal nicht durch Waldrodungen, sondern anhand einer Waljagd exemplifiziert. Doch wo, wenn nicht in einem 190-Minuten-Film mit einem geschätzten Budget zwischen 350 und 400 Millionen US-Dollar, könnte man sich sonst wünschen, die Grenzen des Vorstellbaren zumindest angetastet zu sehen? Im finalen Drittel fällt Cameron dann auch wenig mehr ein als den wohl unvermeidlichen Kriegsfilm mit Selbstreferenzen und Apocalypse Now-Zitaten auszustaffieren.
Keine Zeit für Figuren

Dass Avatar: The Way of Water Universalmetapher für sämtliches Unrecht auf der Welt sein will, über die (Wahl-)Familie, die in martialischem Duktus mehrmals als „Festung“ beschrieben wird, aber gleichzeitig eine persönlich-emotionale Fallhöhe herzustellen versucht, geht schon deshalb nicht auf, weil keine Figur die Zeit bekommt, sich über ihre Typisierung hinaus zu entwickeln (das Schicksal eines Außenseiter-Wals mag einem bezeichnenderweise noch am meisten nahegehen). Cameron weist seinen Figuren viele Funktionen zu, aber kaum genuine Eigenschaften, und er ist zu sehr auf der Jagd nach dem nächsten epischen Panorama, als dass er ein Close-Up effektiv zu nutzen wüsste. Das lässt diesen ersten Schritt in die Franchisierung am Ende seltsam formlos und unergiebig erscheinen – wo das Versprechen diesmal doch nicht nur in der Überwältigung lag, sondern auch darin, dem Kalkül der hiesigen Blockbuster-Landschaft eine persönliche Vision entgegenzusetzen.
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