Am Limit – Kritik
Pepe Danquardt beendet seine Sport-Trilogie nach Heimspiel und Höllentour mit dieser Dokumentation über die Speed-Kletterer Thomas und Alexander Huber, die er beim Versuch, den El Capitan in Kalifornien zu erklimmen, begleitet.

Zuerst sieht man das Yosemite Valley in all seiner Pracht – Postkartenmotive der unberührten Natur: des Waldes und natürlich von El Capitan, dem beeindruckenden Granitfelsen am Eingang des Tales. Hellgelb schimmert er in der Sonne, senkrecht ragt er in den Himmel. Ein Wunder der Natur. Um seine Wände zu bezwingen, musste ein neuer Kletterstil erfunden werden. Die längste Route am El Capitan ist die Nose. Selbst geübte Kletterer brauchen durchschnittlich zwei bis fünf Tage, um diese Wand zu meistern. Thomas und Alexander Huber wollen es mit Speed-Klettern in zwei Stunden und 30 Minuten schaffen. Der Rekord liegt bislang bei zwei Stunden und 48 Minuten.
Die „Huber-Buam“ sind Kletterexperten und auch am El Capitan keine Neulinge. Klettern auf Zeit ist eine Disziplin, die sich nur die Besten erlauben können, denn genaues Abmessen und Sicherheit an der Wand sind nur noch bedingt möglich. Aber gerade das ist für die Experten das Interessante, der Kick. Pepe Danquart versucht nun in diesem dritten Teil seiner Sporttrilogie – nach Heimspiel (2000) über eine ostdeutsche Eishockeymannschaft, und Höllentour (2004) über die Tour de France – der Faszination des Speed-Kletterns ebenso nahe zu kommen wie seinen Protagonisten.

Pepe Danquart ist ein Regisseur, der sich gerne an neuen Filmstilen ausprobiert – nicht immer sind die Experimente von Erfolg gekrönt: Nach seinem Oscar für den antirassistischen Kurzfilm Schwarzfahrer (1993) widmete er sich unter anderem dem Leben der Banditin Phoolan Devi (1993), führte Regie bei dem uninspirierten Thriller Semana Santa (2002), in dem immerhin Mira Sorvino, Alida Valli und Olivier Martinez Rollen übernahmen, um dann die – obwohl mit Henry Hübchen und Corinna Harfouch ebenfalls gut besetzte – wenig komische Gangsterkomödie Basta – Rotwein oder Totsein (C(r)ook, 2004) zu inszenieren.
Seine Sportdokumentationen Heimspiel und Höllentour, von denen erstere den Deutschen Filmpreis für die beste Regie gewann, zeichneten sich dagegen beide durch eine stimmige Verknüpfung zwischen Portrait einer Sportdisziplin und der Menschen dahinter aus. Heimspiel war ebenso ein Film über die Eishockeymannschaft „Eisbären“ in Berlin-Hohenschönhausen, wie über die Befindlichkeiten der Menschen zehn Jahre nach dem Mauerfall. Auch Höllentour zeichnet sich sowohl durch spektakuläre Bilder aus, die über die Berichterstattung des Fernsehens hinausgehen, als auch durch die Darstellung der individuellen Qual der Sportler, die sich mit den eigenen Grenzen auseinandersetzen müssen.

Am Limit fällt im Vergleich zu seinen Vorgängern, die sich mit populären Sportarten beschäftigten, aus dem Rahmen. Speed-Klettern ist weder eine Mannschaftssportart, noch einem breiten Publikum bekannt - mögen die Huber-Brüder in ihrer Disziplin noch so geschätzt sein. Sicherlich ist es aber die gefährlichste Sportart unter den drei porträtierten. Sie erlaubt ungewöhnliche Bilder, zum Beispiel aus der Steilwand der Nose. Kameramann Wolfgang Thaler und sein Team drehen verschiedene Einstellungen von der Kuppe, aus der Granitwand, zeigen Großaufnahmen der Hände der Kletterer, wie sie sich festhalten, hochziehen und dann doch abrutschen, oder filmen die braungebrannten, athletischen Körper der langhaarigen Sportler. Dagegen schneidet Danquart die Landschaftsbilder aus dem Yosemite Valley, aus Berchtesgaden und Patagonien – meist als idyllisches Ansichtskartenphoto, zumindest in Patagonien zeigt er aber auch die Unberechenbarkeit des Wetters, das die Extremwanderer an der Überquerung des Passes hindert. Kommentiert werden die Aktivitäten und die persönlichen Befindlichkeiten der Brüder von ihnen selbst und Bekannten aus dem Off oder im Interview.

Dennoch hat man nicht das Gefühl, den „Huber-Buam“ wirklich nahe zu kommen. Zu glatt und inszeniert wirkt Am Limit. Gleich am Anfang schneidet Danquart da eine fiktionale Traumsequenz in die Dokumentation: Einer der Brüder träumt den Absturz und wälzt sich im Schlafsack – im Wechsel mit leicht aufgehellten Sequenzen, die den Kletterer in der Wand des El Capitan zeigen. Zu viel Wert hat der Regisseur auf das zugegeben atemberaubende Bildmaterial aus den Bergen gelegt. Die Protagonisten treten dabei in den Hintergrund. Am Limit gewinnt dann an Intensität, wenn die Huber-Brüder von ihren Ängsten oder der latenten Rivalität erzählen. In dem Bilderrausch gehen ihre nachdenklichen Kommentare jedoch häufig unter.
So empfiehlt sich Am Limit vor allem für Freunde aufwendiger und exzellenter Natur- und Kletteraufnahmen. Die Menschen hinter dem Sport lernt der Zuschauer – im Unterschied zu Heimspiel und Höllentour – nur flüchtig kennen.
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Kommentare
kathrin Symens
Der Kritik kann ich nicht zustimmen. Die herausragenden Bilder des Yosemite Parks und aus Patagonien setzten über ihre beeindruckende Schönheit hinaus den geeignten räumlichen Rahmen und Bezug und sorgten für die Struktur einer Dramatik durch Spannungsaufbau und Entspannung. Auch die beiden Brüder kamen ausreichend zu Wort. Es ging dem Regissuer nicht um das exakte Porträt der Hauptdarstllerer, sondern um das Phänomen an sich, die Atmosphäre einzufangen und die Extremsituation der Ausnahmekletterer zu schildern. Sehr beeindruckend!
luci
ich finde auch, dass die huberbuam keinesfalls zu kurz kommen. man erfährt sowohl viel über sie als auch über das speedklettern insgesamt. dass das ganze in die atemberaubenden aufnahmen des yosemite valleys und der bergen patagoniens verpackt wird, finde ich nur natürlich und zudem sehr gut gelungen. in meinen augen ist der film extrem gut. im übrigen sind die huberbuam sehr wohl auch nicht-kletterern bekannt.
Holger
Heute endlich den Film gesehen. Ein grandioses Spektakel über die Vernunftflucht zweier Männer. Worin ich der oben stehenden Kritik Recht geben muss, ist die überlüssige Traumsequenz, die gestellt und peinlich wirkt. Hervorragend aber die Kletterszenen und schließlich auch die Interviewsequenzen mit den Brüdern.
Fazit für mich: Schneidet die Traumsequenz raus und schneidet lieber noch ein Interview rein. Dann ist er perfekt...
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