A Million Ways to Die in the West – Kritik

Family-Guy- und American-Dad-Schöpfer Seth MacFarlane inszeniert sich als feigen Cowboy, den Charlize Theron am Revolver ausbildet. Längst nicht jeder Schuss ist ein Treffer.

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Der Teddybär fehlt, dem Helden wie dem Film. Mit dem faulen, fluchenden, dauerbekifften und sexsüchtigen CGI-Plüschtier bekam das Zotenfeuerwerk im Vorgängerfilm Ted (2012) ein Zentrum und einen Motor, die männliche Hauptfigur einen besten Freund und ein Alter Ego. Auf sich allein gestellt, fehlt es den Zoten wie der Figur in A Million Ways to Die in the West etwas an Halt und Orientierung. Schafzüchter Albert (mit überschaubaren Mitteln von MacFarlane selbst gespielt) jedenfalls hat als Kind nicht nur nie ein Kuscheltier bekommen, sein herzloser Vater hat ihm, um ihm den Glauben an die Zahnfee auszutreiben, statt einem Penny einen Haufen Scheiße unters Kopfkissen gelegt. Ergebnis dieser brutalstmöglichen Desillusionierung ist ein lebenslanger Angsthase, der die Welt als gefährlich, feindselig und ziemlich abgefuckt empfindet und nicht müde wird, jedem Zuhörer dies- und jenseits der Leinwand die „million ways to die“ Banditen, Schlangenbisse, Geschlechtskrankheiten usw. im Stand-up-Stil herunterzurattern.

Jugendjahre des Family Guys

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Trotz des klassischen Settings (Monument Valley) und Sujets (der von Outlaws bedrohten Stadt) ist der Wilde Westen dieser Komödie weniger parodistisch durchdrungener Gegenstand als Erlebnisraum für einen ziemlich zeitgemäßen Nerd. Einen Nerd, der sich, wie John (Mark Wahlberg) in Ted, die Voraussetzungen schaffen muss, ein Family Guy zu werden und zugleich Kind bleiben zu können: Gewissermaßen probiert MacFarlane in seinen beiden Spielfilmen mögliche Jugendjahre seiner erwachsenen Trickfilmfiguren aus. Während es für John nur noch darum ging, die Traumfrau im gemachten Nest zu halten, ohne auf das in dem Bär verkörperte Recht auf Regression verzichten zu müssen, läuft Albert die Freundin (Amanda Seyfried) gleich zu Beginn in die Arme eines tafferen und schnauzbärtigeren Cowboys davon. Unter der unendlich nachsichtigen Anleitung seines neuen love interests Anna (Charlize Theron) muss er nun schießen lernen, um ihren Gatten, den Outlaw (Liam Neeson – das Spiel des prominenten Casts hat etwas durchweg Betriebsausflugshaftes) im unvermeidlichen Duell zu besiegen, was den Zuschauern ein paar slapstickhafte Übungen im kreativen Danebenschießen beschert.

Fotos, auf denen niemand lächelt

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Dem Film seinen obsessiven Fick- und Fäkalhumor (man kann das so zusammenfassen, weil sämtlichen Phänomenen „untenrum“ mit dem gleichen Schulhofgekicher begegnet wird) vorzuwerfen wäre müßig – es ist seine raison d’être. Doch ohne eine dramaturgische Triebkraft wie den anarchisch-infantilen Bären bleiben die Scherze über pissende Schafe, mit Scheiße gefüllte Cowboyhüte und schwanzlutschende Schatten ziemlich lahmes delivery. Ebenso die „inkorrekten“ Provokations-Koketterien wie etwa eine Schießbude, bei der man auf Sklaven-Figuren ballert, oder die nicht gerade zimperliche Inszenierung der titelgebenden Todesarten. Die größten Lacher in A Million Ways to Die in the West gehören ein paar in der Filmgeschichte wildernden Cameos (die tollste, mit Doc Brown aus Zurück in die Zukunft, wurde schon in einem Trailer gespoilert).

Nicht uninteressant ist, wie unter der dünnen Schutzschicht mäßiger Witze immer wieder eine beiläufige Grausamkeit durchscheint, die dem Film vielleicht nur halb bewusst ist: in dem wegwerfenden Gerede der Figuren übers Sterben und übers kurze öde Leben; in Alberts cholerischem, an Wohl und Weh seines Sohns aggressiv desinteressiertem Vater. Als eine Art misanthropisches Leitmotiv fungieren Schwarzweißfotos, auf denen aufgrund der damals nötigen langen Belichtungszeit niemand lächelt.

Schafe auf Stelzen

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Verglichen mit dem schmuddeligen, Genre-Geschichte atmenden Look jüngerer Western-Hybride wie Rango (2011) oder Lone Ranger (2013) bleibt der Film, trotz gelegentlichem Schmutz an den Oberflächen, visuell ziemlich hell, clean, kulissenhaft. In der zweiten Hälfte immerhin nimmt er etwas an Fahrt auf, beginnt sich auch mehr für seine Räume zu interessieren – etwa bei einer Verfolgungsjagd durch die Prärie, der ein Zug dazwischenkommt –, oder für die Orte, an denen man Schafe außerhalb der Weide noch so platzieren kann. Auf Alberts von einem Indianer-Zaubertrank induziertem Drogentrip dürfen die Tiere sogar auf Dalí’schen Stelzen durchs Monument Valley staksen, von riesigen Fischen umschwommen – ein paar wenige Minuten visueller und narrativer Entfesselung, die Alberts Kindheit als surrealen (Alb)traum aufrollen.

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Mit wie viel Empathie blickt der Film auf seine Figur? Einerseits bekommt bei allen Sexismen niemand so heftig sein Fett weg wie der männliche Nerd selbst, sind Frauen in MacFarlanes Kosmos zwar vielleicht nicht die besseren, aber die lebenstüchtigeren Menschen. Andererseits ist der Fluchtpunkt seiner Erzählungen keine Entwicklung des Helden, sondern die Einrichtung seiner Umwelt nach den eigenen Bedürfnissen. Die Beziehungs-Konstellation von Albert und Anna – unbeholfener Nerd vs. patente Macherin – jedenfalls wird in A Million Ways to Die durch Alberts Freunde Edward (Giovanni Ribsi) und Ruth (Sarah Silverman) verdoppelt und übersteigert. Vor allem ist dieses Paar – das noch in vorehelicher Züchtigkeit lebt, aber ständig über die Sexpraktiken quasselt, mit denen Ruth im örtlichen Bordell das Geld fürs gemeinsame Glück ranschafft – der penetranteste Running Gag des Films mit einem Provokations-Radius, der konservative wie feministische Zuschauer einschließen will. Doch wer hier eher denunziert wird, ist gar nicht so leicht zu sagen. Vielleicht bekommt auch Albert ein bis zur Kenntlichkeit verzerrtes Spiegelbild seines Lebensentwurfs an die Seite gestellt, gegen das Johns Teddy richtig schmeichelhaft war.

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