BlacKkKlansman – Kritik
Spike Lee nimmt das Kino schamlos in den Dienst für den Kampf gegen einen neuen Faschismus – und rettet es damit vor einer Karriere als Kunst.

Der erste Trump-Marker kommt früh. Da sprechen zwei Undercover-Agenten der Polizei von Colorado Springs irgendwann in den 1970er Jahren über David Duke, der zu dem Zeitpunkt den Ku Klux Klan in Louisiana anführt und sich gerade zum Anführer einer nationalen Befreiungsbewegung aufschwingt. Er habe das Charisma und das rhetorische Talent eines US-Präsidenten, warnt der eine, und der andere winkt ab: So jemand würde doch nie ins Weiße Haus gewählt.
Beleidigtes Bewegtbild

Spike Lees neuer Film BlacKkKlansman spielt in der Vergangenheit und doch in der Gegenwart: Schon der Hinweis darauf, dass es sich bei der kuriosen Geschichte eines schwarzen Polizisten, der den Ku Klux Klan von Colorado infiltriert hat, um eine wahre handelt, wird anfangs nur kurz im Hip-Hop-Slang abgehandelt, aber mit keinerlei weiteren Spezifika versehen. Wir wissen nicht einmal, in welchem Jahr wir uns befinden. Und wenn BlacKkKlansman über zwei Stunden später endet, benutzt Lee zwar Archivmaterial, um seinen Film ausklingen zu lassen – aber eben nicht aus jener Epoche, die er zuvor rekonstruiert hat, sondern aus der jüngsten Vergangenheit: Der Charlottesville-Anschlag von 2017 mit Donald Trumps Relativierungen, aktuelle Reden von eben jenem David Duke und anderen Vertretern der extremen Rechten, ein paar #BlackLivesMatter-Proteste.

Mit Pathos und fast propagandistischer Geste endet dieser Film also, und natürlich ist das Bewegtbild immer ein bisschen beleidigt und jault auf, wenn man es derart mit dem Holzhammer malträtiert; wenn man das Seil zwischen Fiktion und Realität so festzurrt, dass es kaum atmen kann; wenn man ihm einen Mantel überwirft, der mit politischen Aufnähern übersät ist. Doch in dem Fall wäre ein solches Jaulen ein Selbstverkennen: Schon die erste Black-Liberation-Wutrede Stokely Carmichaels, während der Lee die zuhörenden schwarzen Gesichter immer wieder aus dem konkreten Publikum herauslöst und vor einem abstrakten Hintergrund schweben lässt, macht deutlich: Die Geschichte soll hier nicht akkurat wiederbelebt, sondern schamlos benutzt werden. Von Anfang an ist BlacKkKlansman ein Essay im Gewand des Mainstream-Erzählkinos, ein Film, der sein Sujet benutzt, um an Thesen zu stricken, die Gegenwart zu kommentieren, sich in Debatten einzumischen, zum Widerstand aufzurufen. Die historischen Versatzstücke liegen herum, um etwas mit ihnen zu tun, nicht um sich ihrer zu erinnern.
Ein Schwarzer im KKK

Protagonist Ron Stallworth (John David Washington) ist zwar noch deutlich mehr Figur als seine Mitstreiter im Colorado Springs Police Department und weit entfernt von den KKK-Karikaturen, mit denen Lee viel Freude hat, aber auch er ist dem Film hauptsächlich Instrument. Nachdem Ron erfolgreich bei der Polizei angeheuert und als gelangweilter Archivar den Alltagsrassismus der Kollegen ertragen hat, wird er in die Undercover-Abteilung versetzt, um die lokal erstarkende Black Students Union zu unterwandern. BlacKkKlansman deutet da noch an, auf einen Gewissenskonflikt hinauszulaufen, als Ron ausgerechnet Anführerin Patrice (Laure Harrier) kennenlernt und das ehrliche Interesse an Black Liberation mit seinem Job ausbalancieren muss. Dann aber geht Ron einen anderen Weg, und diese Richtungsänderung entspricht exakt jener Verschiebung der Debatte, die Lee mit seinem ganzen Film intendiert: Ron antwortet auf eine Rekrutierungsanzeige vom Ku Klux Klan, und als Kontaktmann Felix (Jasper Pääkkönnen) sich erstaunlich schnell davon überzeugen lässt, dass es sich bei Ron um einen waschechten Rassisten, Judenhasser und potenziellen Kämpfer für die gute Sache handelt, beginnt eine neue Undercover-Operation – in der Ron Unterstützung in Form von weißer Hautfarbe braucht. Und so geht der jüdische Kollege Flip Zimmerman (Adam Driver) fortan zu den Klan-Treffen, während Ron selbst weiterhin die Telefonate führt – und Spaß damit hat, wie ein Weißer zu klingen.
Geschichte und Gegenwart einer Mobilisierung

In einer Zeit also, in der darüber diskutiert wird, ob die Linke vor lauter Identitätspolitik zugunsten sogenannter Minderheiten das große Ganze aus den Augen verloren hat, lässt BlacKkKlansman die Zwickmühle des schwarzen Polizisten links liegen, um darauf hinzuweisen, dass es seit der Geburt der USA eine Kraft gegeben hat, die seit jeher achselzuckend alle Zwickmühlen links liegen lässt: eine weiße Identitätspolitik. Der Klan, in jeder seiner historischen Ausprägungen, steht paradigmatisch für einen genuin US-amerikanischen Faschismus, der die Sache mit der nation of immigrants nie akzeptiert hat, der seinen Rassismus nicht hinter Gerede von Kriminalität, Drogen und dem Wohle der ganzen Nation versteckt, sondern ganz unverblümt nach außen trägt und mit dieser Nation immer nur den weißen (und wie Lee immer wieder betont: nicht-jüdischen) Teil meint – eine historische Kraft, die nie verschwunden war und die schon in den 1970ern aus jener Mischung aus Ressentiments, Anti-PC-Rhetorik und Selbst-Viktimisierungen bestand, die wir heute so gut kennen. Dass ein Film, der in den 1970ern spielt, so sehr nach heute klingt, ist kein Mangel an historischer Präzision, sondern Kern der Sache.
Linke kritisieren Filme, Rechte gucken Filme

Bei diesem Hinweis bleibt BlacKkKlansman allerdings längst nicht stehen: Wenn Lee nicht nur die Klan-Mitglieder zu grotesken Karikaturen verzerrt, sondern auch den Black-Liberation-Aktivisten eher Verallgemeinerungen als Analysen in den Mund legt, lässt sich das durchaus als Kritik an einer Strömung antirassistischer Politik verstehen, für die zwischen liberaler Mehrheitsgesellschaft und militanten Rassisten höchstens graduelle Unterschiede bestehen. Ihren stärksten filmischen Ausdruck findet diese Kritik, noch so eine Anleihe aus dem Propagandafilm, in einer Parallelmontage. Da wechseln sich Bilder eines kämpferischen Klan-Treffens, zu dem auch David Duke gekommen ist, mit einer Veranstaltung der Black Students Union ab, in dem Harry Belafonte als ein Bürgerkriegsveteran von der Geschichte des Rassismus erzählt, von Sklaverei, Lynchmorden und Segregation – und auch von D.W. Griffiths Birth of a Nation (1915), der nicht nur das Erzählkino begründet, sondern auch im Alleingang den Ku Klux Klan wiederbegründet, ihm mit dem brennenden Kreuz gar sein wichtigstes Symbol geschenkt hat. Drüben auf dem Klan-Treffen wird derweil ein Projektor aufgebaut und eben jener Film eingelegt.

Diese Sequenz ist zweierlei: Sie ist ernst gemeinte Geschichtsstunde, die die subkutane Kraft weißer Identitätspolitik im größten Klassiker des frühen Films findet; sie führt aber auch vor Augen, dass eine der beiden Seiten sich über vergangenes Grauen und Unrecht aufklären lässt und empört, während die andere ihre Wut kanalisiert, um das Grauen zu wiederholen und das Unrecht zu verfestigen. Während die eine Seite über den Rassismus eines Films belehrt wird, benutzt die andere den gleichen Film als Affektmaschine. Kein Zufall ist es, dass Lee nicht nur auf dem bekannten Griffith-Rassismus insistiert, sondern BlacKkKlansman auch eine berühmte Szene aus Vom Winde verweht voranstellt. Das aktivistische Pathos des einen großen Bürgerkriegsfilms des US-Kinos und die wehmütige Nostalgie des anderen stehen für zwei zentrale Affektoperationen des Erzählkinos, die zugleich die gefährliche Mischung der neofaschistischen Affektpolitik bilden.
Kino als Waffe

In dieser Parallelmontage kommt der filmische Essay, der BlacKkKlansman ist, an seine Kernthese: Die starken Bilder, die großen Emotionen, die affektive Dynamik der Mobilisierung, sie finden derzeit auf der Rechten statt und führen in Richtung Faschismus, und wollen wir dem was entgegensetzen, brauchen wir neue Bilder. Wenn Lee während eines cineastisch angehauchten Gesprächs zwischen Ron und Patrice die Poster der genannten Blaxploitation-Filme einblendet, dann erinnert er damit an eine selten gewordene Mischung des Populären und Politischen und fordert zugleich ihre Erneuerung. Diesem Film ist, so paradox das angesichts der vor sich hergetragenen Slogans erscheinen mag, an nichts mehr gelegen als am Kino, am Bewegtbild selbst – das eben keine erhabene Sprache ist, die mit den auf Erden gesprochenen nichts zu tun hat und deshalb in den Kunstbegriff gesperrt gehört, sondern eine Waffe.
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