8 Blickwinkel – Kritik
„8 Fremde, 8 Sichtweisen, 1 Wahrheit“ das verspricht der Slogan von 8 Blickwinkel – und scheitert an seinem eigenen Anspruch.

Der dunkle Innenraum eines TV-Übertragungswagens: Nachrichtenredakteurin Rex Brooks (Sigourney Weaver) bereitet ihre Sendung vor und gibt letzte Anweisungen an ihre Korrespondentin. Der Präsident der USA wird in wenigen Minuten eine öffentliche Rede auf dem zentralen Platz von Salamanca halten, der sich bereits mit einer unübersichtlichen Menschenmenge gefüllt hat. Als der Präsident seine Rede beginnt, werden mehrere Schüsse auf ihn abgefeuert. Es gibt ein Handgemenge, kurze Zeit später explodiert eine Bombe. Die Nachrichtenkamera fährt über Trümmer und tödlich verletzte Menschen. Die Korrespondentin ist eine von ihnen.
Der Film stoppt und die Bilder werden zurückgespult. Alles beginnt von vorn, „23 Minuten früher“ wie der Zwischentitel angibt. Nach Rex Brooks folgen die Sichtweisen von Bodyguard Barnes, dem spanischen Undercover Polizisten Enrique, dem amerikanischen Touristen Howard Lewis, dem Terroristenanführer Suarez und seiner Mitstreiterin Veronica, dem Profi-Killer Javier sowie Präsident Ashton. Alle Figuren agieren in den 15 Minuten unmittelbar vor oder nach dem Attentat.

Das Konzept ist nicht neu: Akira Kurosawa hat 1950 mit Rashomon - Das Lustwäldchen (Rashômon) einen Mord aus vier Perspektiven gezeigt und die Ambivalenz von Ereignissen und Figuren in den Mittelpunkt des Films gerückt. „Das Entsetzliche ist, dass es keine Wahrheit mehr zu geben scheint.“, ist die Hauptaussage des weisen Mönchs, die durch die filmische Form unterstrichen wird. Anders als in Rashomon entsteht die Handlung in 8 Blickwinkel (Vantage Point) jedoch nicht als Flashback aus der Erinnerung der Charaktere heraus, sondern entwickelt sich kontinuierlich weiter. Personen, die in der ersten Sichtweise nur mit der Kamera gestreift werden, sind in der Folgesequenz die Hauptfiguren, die mit ihren Informationen wiederum die Handlung vorantreiben – auch nach dem Attentat. Nach und nach wird klar, dass die Geschehnisse und Protagonisten nicht so sind wie ursprünglich angenommen. Im Gegensatz zu Rashomon will 8 Blickwinkel durch die unterschiedlichen Blickwinkel nicht die ständige Ambivalenz von Menschen und ihren Interpretationen von Ereignissen thematisieren. Hier wird ein Eindruck der Gleichzeitigkeit hervorgerufen, mit der Regisseur Pete Travis die einzige Wahrheit - „the one truth“ – hinter den Ereignissen zeigen will.
Dieses Streben nach der Auflösung aller Widersprüche ist der größte Schwachpunkt des Films. Denn trotz ambivalent angelegter Charaktere entsprechen die Figuren bestimmten Stereotypen: Der aufrichtige Bodyguard Barnes (Dennis Quaid), der das erste Mal nach einem Anschlag wieder im Einsatz für den Präsidenten ist und nach anfänglicher Unsicherheit der Retter in der Not ist. Der zwielichtige Cop Taylor (Matthew Fox), der gleichzeitig engster Vertrauter von Barnes ist und ein Doppelleben als Terrorist führt. Der naive amerikanische Tourist Howard Lewis (Forest Whitaker), der durch seine Neugier hilft, der Terroristengruppe auf die Spur zu kommen und nebenbei ein kleines Mädchen rettet. Der ehemalige Auftragskiller, der von den Terroristen gezwungen wird, bei der Umsetzung des Plans zu helfen und nur das Leben seines Bruders retten will. Die Motive der Terroristengruppe bleiben dabei vage. Sie werden zwar nicht explizit einer radikalislamischen Gruppierung zugeordnet. Sie kämpfen für „ihre Sache“, von der wir lediglich erfahren, dass sie anti-amerikanisch ist. Mittels einer kurzen Einstellung auf ein Familienfoto mit verhüllten Frauen, das sich der marokkanische Terrorist vor seinem Selbstmordattentat anschaut, wird aber zugleich unreflektiert auf einen islamischen Hintergrund verwiesen.
Regisseur Pete Travis hat sich einiges einfallen lassen, um die achtfache Wiederholung derselben Ereignisse filmisch zu variieren. Verwackelte Handkamera- wechseln mit statischen Nachrichtenbildern; Bild- und Tonüberblendungen sowie Zooms und Flashbacks in Schwarzweiß vermitteln visuelle Dynamik. Auf welche Weise die Montage zur Unterstützung der Erzählung eingesetzt wird, zeigt sich, als Bodyguard Barnes nach einer Verletzung das erste Mal wieder im Einsatz ist. Ähnlich wie Jason Bourne in der Bourne-Trilogie (2002-2007) muss er unzählige Menschen nach ihrer potenziellen Gefährlichkeit innerhalb von Sekunden einschätzen. Die Nervosität und Angespanntheit, die damit verbunden ist, wird wie in Bourne Ultimatum (2007) durch schwindelerregende Schnitte, kurze Einstellungen auf verschiedene Gesichter, Zooms und Variationen im Ton transportiert. So wird die vorher friedlich wahrgenommene Menschenmenge zu einer unvorhersehbaren Bedrohung. In 8 Blickwinkel wird die Kamera zusätzlich wie ein Akteur eingesetzt; sie schleudert den Zuschauer mitten ins Geschehen: Wenn die Menschenmenge rennt, rennt die Kamera mit; wenn der Attentäter in das Büro des Präsidenten eindringt, folgt die Kamera ihm auf den Fuß. Sogar die Crash-Szenen der Verfolgungsjagd wurden durch einen Stuntmen im Inneren der Autos aufgenommen.

Auffällig ist, wie ausschlaggebend Technologien und Medien für den Erzählverlauf werden, ohne sie könnten die Ereignisse in keine zeitliche Logik eingeordnet werden. Die Bombe wird per Handy gezündet, das Maschinengewehr per Mini-Computer auf den Präsidenten gerichtet, der Befehl zum Selbstmordattentat per SMS gegeben. Technologien und Medien werden nicht nur von den Terroristen benutzt, um ihren Plan durchzusetzen, sie dienen gleichzeitig der Aufklärung des Attentats: Der Tourist Howard Lewis, der seine digitale Handkamera auf alles hält, was ihn interessiert, nimmt Veronica zufällig beim Deponieren der Bombe auf. Und als Barnes den Übertragungswagen von Rex Brooks stürmt, entdeckt er die doppelte Identität seines vertrauten Mitarbeiters in den Aufnahmen, die von den Kameramännern in der Stadt live übertragen werden.
Dass die Medien Hauptzeugen der Ereignisse sind, lässt sich in Zeiten des Präsidentschaftswahlkampfes als Kommentar auf die zunehmende Verquickung von Politik und Medien deuten. Nicht nur, dass die Darstellung der Rede des Präsidenten nach einem internationalen Anti-Terror-Gipfel an die täglichen Nachrichten erinnert. Mit den Bildern vom Attentat, der explodierenden Bombe, vom Chaos und den verletzten Menschen nach der Explosion wird unweigerlich auf die Berichterstattung von 9/11 angespielt.
Das Konzept, das Präsidenten-Attentat aus mehreren Perspektiven wie ein Puzzle zusammenzusetzen, geht auf. Die Variation der filmischen Mittel und die Ambivalenz einiger Figuren sorgen für Überraschungsmomente. Allerdings macht die Intention, die einzige mögliche Wahrheit zu zeigen, die Idee von einer Geschichte mit mehreren Interpretationsmöglichkeiten hinfällig. Am Ende ergeben alle acht Puzzleteile doch ein amerikanisches Ganzes.
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Kommentare
örnie
Müsst ihr anschauen. Sehr mitreisend. Gut gemacht und gedacht. Passt gut in die aktuelle Politik. Könnte in der Realität so sein bzw. manchmal kommt eben der Wunsch ...
Die einzige Kritik die ich habe ist, dass eine etwas zu lang geratene übertriebene unrealistische Autoverfolgungsjagd eingebaut ist - Hollywood läßt grüssen. Aber da kann man ja die Augen zu machen, wenn man sie nicht schon vorher vor Schreck geschlossen hat, weil man nicht glauben mag, was alles denkbar ist.
Ben
Ich selbst kann den Film keinem wirklich empfehlen. Dachte mir das es sicher ein schönes Konzept ist , jedoch war es einfach nur nervtötend und der Film hat sich endlos in die Länge gezogen. Spannung war wenig vorhanden , weil man einfach wusste was gleich passieren wird , sodass es nur 1-2 Stellen gab an denen unvorhergesehenes geschieht. Die 8 Blickwinkel sind eigentlich nur 6 Stück , nach denen man sich dann denken muss , das einer der Blickwinkel mit 3 Leuten bestückt war , die alle einzel zählten.
Insgesamt doch ein sehr durchschnittlicher Film und wie oben schon erwähnt typisch Amerikanisch , da die Stereotypen der Figuren von Anfang an vorhersehbar waren.
Mario Scheller
Schade! Ein Film der viel verspricht und fast gar nichts hält! Knappe 90Minuten und am Ende frag ich mich, was will der Film mir sagen und warum erfahre ich schon nach gut 60Minuten die Auflösung! 8 Blickwinkel ein Film den man anschauen kann, doch wenn man es nicht tut hat man gar nichts verpasst. In den ersten 20-30min wird es ja ganz spannend und der Film gibt Rätsel auf, mit der Hoffnung auf interessante Wendungen und ein spannendes auflösendes Ende, jedoch wird die Auflösung ohne großes Tamtam in den kommenden 60min einfach gefühllos dahin gespielt. Kein Rätsel bleibt ungelöst und alles kommt, enttäuschender Weise, doch so wie man es sich nicht erhofft hat. Schade dieser Film hätte so gut werden könne mit den tollen Schauspielern.
Und dann ist da noch der Name des Films, 8 Blickwinkel, wobei realistisch gesehen nur 6 Blickwinkel gezeigt werden (der 6te setzt sich aus den drei Attentätern zusammen, welch ein Quatsch!)! Alles wirkt wie gewollt und nicht gekonnt, zu konstruiertes und durchschaubares Kino! Wer bei "Wer wird Millionär" nicht über die 50€ Frage hinaus kommt und dann für jede weitere Frage die Lösung schon vorher brauch, der ist hier genau richtig!
Fazit: Nachdenken -> Unnötig!
Sinn des Films -> Unklar!
Schauspieler -> Gut!
Story -> Vorhersehbar und schwach!
Action -> Gut!
Punktevergabe: 2/10!
Mathias
Der Film wird seinem negativem Image nicht gerecht.
Der obigen Filmkritik kann ich daher nur bedingt zustimmen. Tatsächlich ist Vantage Point visuell sehr gut gemacht, auch beim fünften Mal wirkt beispielsweise die große Explosion beeindruckend, auch die Verfolgungsjagd am Ende des Films ist sehr gelungen.
Schließlich hat man es hier mit einem amerikanischen Action-Film zu tun: Die Story ist gut, mit überraschenden Wendungen, ein paar unvermeidlichen politischen Anspielungen, und einem (man hofft es den ganzen Film über) befriedigenden Ende. Klar, einige Handlungsfäden gehen ins Leere, es wimmelt von Stereotypen, aber hey: Vantage Point bereitet garantiert einen unterhaltsamen Action-Abend.
Arminius
absolut unlogischer Ranzfilm!
im Gebäude, welches gegenüber dem Versammlungsortes von etlichen wichtigen Staatschefs steht ist ein Gewehr montiert?
EIN Terrorist schaltet den gesamten Secret service aus und entführt mit Zwei weiteren den Präsidenten von den Amis?
Und zu guter letzt läuft die Mutter, die ihr Kind bei der Explosion aus den Augen verloren hat SECHs Blocks(wie Barnes nach wilder Verfolgungsjagd genau weiß) zu einer Unterführung um es zu suchen?
Also meiner Meinung nach ein ganz grausam schlechter Film!
5 Kommentare