Starke Frauen und schwache Männer in drei arabischen Filmen

Es war zu erwarten und zu hoffen, dass das vergangene Jahr der Arabellion seinen Niederschlag im Programm der Berlinale finden würde. Macht man sich mit spitzem Finger auf die Suche nach Filmen aus dem Nahen Osten, stößt man zum Beispiel auf Words of Witness, einen kleinen, feinen Dokumentarfilm aus Ägypten (Panorama Dokumente). Mai Iskander beobachtet darin die 22-jährige Journalistin Heba Afify, die unmittelbar nach Beginn der Revolte gegen Präsident Mubarak auf dem Tahrir-Platz in Kairo recherchiert (was für ein Einstieg in ein Reporterleben!). Man sieht die junge Frau im Gespräch mit Demonstranten, das Notizbuch immer gezückt, oder bei der Redaktionskonferenz, in der der Aufstand nach einzelnen Themen abgeklopft wird.
Eigentliches Zentrum des Films sind aber die Szenen bei Heba zu Hause, mit ihrer Mutter. Die hat durchaus Sympathie für die Revolution, zugleich aber Angst um ihre Tochter. In den Gesprächen deuten sich familiäre Konflikte über die Rolle der Frau an, nach dem Sturz Mubaraks brechen auch diese Strukturen auf. Nach einem Streit mit der Mutter twittert Heba (@HebaAfify) trotzig das Zentrum der Auseinandersetzung: „Du bist keine Journalistin, sondern ein Mädchen.“ Words of Witness führt nebenbei auch vor, wie neue, soziale Medien den Alltag und die journalistische Arbeit verändert haben. Auch dabei nimmt die Mutter eine zentrale Rolle ein, wenn sie sich von ihrer Tochter Facebook erklären lässt und dann eifrig den „Share“-Button drückt.

Um weibliche Schicksale und den Widerstand dagegen geht es auch in In the Shadow of a Man von Hanan Abdalla, ebenfalls aus Ägypten, der mit Words of Witness in einem Doppelprogramm gezeigt wird. Die Regisseurin hat Frauen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft interviewt, die ungewöhnlich freimütig von ihrem Leben erzählen. Da ist die geschiedene, mittlerweile alte Frau, die lange im Ausland gearbeitet hat und kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn sie über Männer spricht. Da ist die Fellachin, die laut darüber nachdenkt, sich scheiden zu lassen. Da ist die unverheiratete 31-Jährige, die immer wieder Anträge abgelehnt hat und mittlerweile als Ladeninhaberin finanziell unabhängig ist.
In ihrem Geschäft treffen sich regelmäßig Frauen zum Gespräch, und zwar nicht zum Kaffeklatsch. Sie diskutieren lebhaft darüber, was die Revolution ihnen gebracht hat und was sich ändern muss. Aus westlicher Sicht erstaunlich sind einige Szenen, in denen zwei mit dem Niqab verschleierte Frauen (bei dem man nur die Augen sieht) mit lebhafter Lust an der Konfrontation leidenschaftlich für gleiche Rechte kämpfen. „Wenn du keinen Mann findest, der deinen Intellekt respektiert“, sagt eine von ihnen, „dann bist du lebendig begraben.“
Die Frauen klagen aber auch sich selbst an und schütteln den Kopf über ihre frühere Naivität, als sie sich für nichts interessierten als ihre Hochzeit und das Brautkleid. In the Shadow of a Man ist ein faszinierender Blick auf eine Gesellschaft im Umbruch.

Nicht die Stärke der Frauen, sondern die Schwäche der Männer steht im Mittelpunkt von The Last Friday, einem Film aus Jordanien. Die Revolte in den arabischen Staaten kommt hier nur am Rande vor, im Radio oder Fernsehen. Einmal sieht man Mubarak bei einer TV-Ansprache, ein Mann, dessen Zeit vorbei ist. Die Revolten in der arabischen Welt sind in dem Film von Yahya Alabdallah die Folie, auf der sich das persönliche Schicksal des Taxifahrers Yousef abspielt, der nach und nach aller Attribute seiner Virilität beraubt wird: ökonomisch ruiniert, geschieden, und nun auch noch mit einem Hoden-Problem, für dessen Lösung eine teure Operation nötig ist. Auch andere Männer sind alles andere als souverän. Yousefs Sohn wird in der Schule gemobbt und kann kaum lesen, ein Arbeitskollege fühlt sich in seiner Ehe gefangen. Selbst das machohafte Gehabe seines Chefs, der ständig nervös auf seinem Mobiltelefon herumtippt, wirkt eher wie ein letztes Aufbäumen. Dem gegenüber stehen Frauenfiguren, die ökonomisch besser gestellt sind (Yousefs Exfrau, die ihn in einem luxuriösen Wohnzimmer gönnerhaft empfängt) und sich ihrer manipulativen Macht über Männer bewusst sind.
Erzählt wird das alles sehr lang- und schweigsam, in ruhigen, sorgfältig gestalteten Bildern fast ohne Kamerabewegungen. The Last Friday ist ein schöner, lakonischer, zuweilen auch komischer Film, eine der besten Überraschungen im Forum bisher.
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