Robe of Gems – Im Berlinale-Fieber
Im Wettbewerbsbeitrag Robe of Gems will jedes Bild überwältigen. Immer gut, wenn sehr reale Geschichten von Leben und Tod nicht im Realismus eingeschlossen bleiben, aber sagt uns ihre Stilisierung schon etwas?

Ein Baum in einer Landschaft, im Dunkeln. Dann geht die Sonne auf, oder der Helligkeitsregler wird hochgefahren. Robe of Gems beobachtet und/oder stilisiert eine Realität, eine, die von Gewalt durchzogen ist. So haben es recht viele mexikanische Filme gemacht, die in den letzten Jahren auf den großen Festivals liefen. Natalia López Gallardos Ästhetik fühlt sich unmittelbar bekannt an. Sie hat als Editorin für Lisandro Alonso und Amat Escalante gearbeitet und auch für Carlos Reygadas, ihren Partner, was nur erwähnenswert ist, weil die beiden in dessen Nuestro Tiempo sich selbst als Ehepaar spielen.

Entführungen, Folter, Gewalt, auch sexuelle, das sind die Motive. Eine Familie zieht ins ländliche Mexiko, wo andere Regeln gelten. Frauen schließen Pakte, verdächtigen einander, spielen mit dem Feuer, ein Polizist überlegt laut, ob er die Seiten wechselt, Gewaltökonomie statt Gewaltmonopol. Die Polizeichefin fürchtet um ihren Sohn, lässt ihn einmal nicht nur Halskette und Ohrringe, sondern auch die Hose ausziehen, entgangstert ihn vorsorglich, aber natürlich ist es viel zu spät, und der Junge macht schon längst mit beim lustigen Entführen.

Dazu der Kunstwille: keine Einstellung, die nur erzählen will, jedes Bild als Überwältigung angelegt, es geht um Haptik und Affekt, das Erzählte wird transzendiert. Aber was macht die Stilisierung mit all der Gewalt? Kann sie sie uns näher bringen, erklären, spendet sie Hoffnung oder Trost, löst sie alles in Fatalismus auf, sucht sie Sicherheit in den Körpern, Gesichtern, Figuren?

Dass mir all das ein wenig schleierhaft bleibt, muss nicht gegen den Film sprechen. Man wird nach vielen Jahren auf Festivals vorsichtig mit vorschnellen Urteilen. Das Gefühl aber ist, dass nicht nur die Figurenkonstellation bis zum Ende undurchsichtig bleibt, was gut passt zur bedrohlichen Willkür, die hier vorzuherrschen scheint, sondern die Wahl der filmischen Mittel selbst etwas willkürlich ist.
Immer gut, wenn sehr reale Geschichten von Leben und Tod nicht im Realismus eingeschlossen bleiben, aber sagt uns ihre Stilisierung schon etwas? In diesem Fall zumindest mir wenig. Was sehr spezifische Beziehungen zwischen den Figuren zu sein scheinen, wird in den Dialogen zu großen Fragen von Schuld und Vergebung aufgebauscht. Am Ende brennt ein Mensch in der kargen Steppe oder ein CGI-Feuer auf der Leinwand.
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