Das Filmset als Labor – Retrospektive Leo McCarey

Wie man von engagierten Priestern und singenden Waisenkindern erzählt, ohne dass es kitschig wird. Nach einer längeren Europa-Tour machen die Filme von Hollywood-Regisseur Leo McCarey auch in Berlin halt.

People stimulate me, and I work along with them. Ideas come that never would have developed from a struggle with my own or some other writer’s imagination. Besides, I never belonged to the school which holds that a director should stop thinking the moment he starts shooting.“

Der US-amerikanische Regisseur Leo McCarey war ein konservativer Katholik. Wenn es sich aber nicht gerade um Kommunisten handelte – gegen die McCarey auch Filme drehte oder beim Un-American Activities Committee aussagte –, glaubte er an das Gute im Menschen. Aus diesem Grund wird er auch manchmal mit dem deutlich bekannteren Frank Capra verglichen, und wie diesem ging es auch McCarey mehr um einen überzeugten Humanismus als um sentimentale Menschelei. McCareys große Kunst offenbart sich etwa darin, dass er selbst in seinem stärker religiös gefärbtem Spätwerk – etwa in The Bells of St. Mary’s (1945) – von engagierten Priestern, doof dreinblickenden Hündchen und singenden Waisenkindern erzählen kann, ohne dass es kitschig oder verlogen wirken würde.

Bei McCarey gerät man ohnehin schnell an seine Grenzen, wenn man sich den Filmen über die politische Gesinnung ihres Machers annähern will. Etwa in Ruggles of Red Gap (1935), einer seiner schönsten Regiearbeiten. Hier kann nicht nur Charles Laughton als Butler im Wilden Westen sein Talent für trockenen Humor voll entfalten, sondern McCarey sich auch über den Patriotismus seiner Landsleute lustig machen und die Utopie von einer Gesellschaft träumen, in der alle gleich sind.

Menschlich sein hieß für McCarey aber auch, offen gegenüber seinen Mitarbeitern zu bleiben. Einen Filmdreh begriff er auch als laborhafte Situation, bei der zwar die dramaturgischen Eckpfeiler festgelegt sind, aber noch genug Raum für Improvisation bleibt. Nicht nur die stummen Kurzfilme aus der frühen Phase oder die Kooperationen mit Komikern wie Stan & Laurel, Harald Lloyd und den Marx Brothers wirken teilweise stark auf ihre Nummern ausgerichtet, sondern auch die großen Screwball-Komödien wie Part Time Wife (1930) und The Awful Truth (1937). Dabei ist diese Nummernhaftigkeit nicht mit mangelndem dramaturgischem Geschick zu verwechseln. Die Situationskomik bei McCarey entspricht einer ebenso rasanten wie geschmeidigen Choreografie aus Blicken, Gesten und zweideutigen Dialogen, die einerseits in ihren Feinheiten glänzt, andererseits aber auch eine Spontanität besitzt, die Resultat einer ständigen Auseinandersetzung ist.

Nach Bologna, Locarno, Zürich und Paris gibt es nun auch in Berlin die Möglichkeit, diesen im Vergleich zu vielen seiner Kollegen immer noch recht unbekannten Regisseur neu oder wieder zu entdecken. Ab Donnerstag zeigt das Arsenal den ganzen Dezember über eine Auswahl seiner Filme. Hier geht es zum Programm.

Kommentare zu „Das Filmset als Labor – Retrospektive Leo McCarey“

Es gibt bisher noch keine Kommentare.






Kommentare der Nutzer geben nur deren Meinung wieder. Durch das Schreiben eines Kommentars stimmen sie unseren Regeln zu.