Afrikamera 2011

Das Programm des Filmfestivals Afrikamera (ab dem 16. November 2011 im Berliner Kino Arsenal, www.afrikamera.de) ist in diesem Jahr eine besondere Art „Best of“: Zusammen mit Partnerfestivals aus sieben afrikanischen Ländern wird eine Auswahl von Festivalprogrammen gezeigt. Die jeweiligen künstlerischen Leiter kommen nach Berlin, um von der Rolle ihrer Filmfestivals fürs afrikanische Kino zu berichten und die einzelnen Werke vorzustellen.

So vielfältig wie der Kontinent, so vielfältig sind die Filme: Eine Genrefilm-Spielerei aus Südafrika (Gangster Project, am Sonntag) steht neben den typischen Auseinandersetzungen zwischen Tradition und Moderne in den arabischen Staaten des Nordens – meist aus dem Blickwinkel von Frauen.
So etwa in Les secrets von der tunesischen Regisseurin Raja Amari (am Freitag). Darin geht es um eine Mutter und ihre beiden Töchter (eine davon wird von Hafsia Herzi gespielt, die noch aus Couscous mit Fisch in guter Erinnerung ist), die zurückgezogen in einem alten Haus leben, in dem die Mutter einst als Dienstmädchen arbeitete. Als die modernen, westlich orientierten Besitzer zurückkehren, prallen die verschiedenen Frauenwelten aufeinander. Eine Studie über sexuelle Unterdrückung, mit Thriller-Elementen.

Afrikamera Logo

Mit Beauty (Skoonheid) von Oliver Hermanus hat das Festival den aktuellen südafrikanischen Oscar-Kandidaten im Programm (am Samstag). Anhand eines aus der Bahn geratenen Familienvaters, der seine Homosexualität entdeckt, wird von den Ängsten der weißen Mittelschicht nach dem Ende der Apartheid erzählt.

Als deutsche Erstaufführung ist The Unbroken Spirit zu sehen (Donnerstag), ein preisgekrönter Dokumentarfilm über die kenianische Menschenrechtsaktivistin Monica Wangu. Eine Auswahl an Kurzfilmen sowie eine Podiumsdiskussion über die Bedeutung von Filmfestivals für Afrika (am Samstag Nachmittag) runden das Programm ab.

Eröffnet wird Afrikamera am Mittwochabend mit Pégase von Mohamed Mouftakir. Der marokkanische Film, wie Les Secrets bereits aus dem Jahr 2009, wirft einen schonungslosen Blick auf die patriarchale Gesellschaft – und nutzt dazu die Mittel des Psycho-Thrillers. An einer Stelle fallen sogar die Namen Freud und Jung, und in der Tat ist der Film über lange Strecken so rätselhaft wie eine Traumdeutung.

Die sehr ruhig, in kargen Farben inszenierten Szenen zu Beginn fühlen sich sogar so an, als stammten sie aus einem Traum: Eine neurotische Patientin in einer Klinik, eine Psychologin mit schönem, aber ausdruckslosem Gesicht, ein Mann, der humpelt und lustige Fratzen auf Eier malt. Mehrfach wechseln Identitäten – und auch das Geschlecht.

Zwischengeschaltete Rückblenden, die sich vor allem durch ihre warme, gelbe Farbgebung von der Rahmenhandlung unterscheiden, fügen Schritt für Schritt eine Geschichte zusammen: Weil ein Vater, ein Stammesältester, keinen Sohn bekommen hat, zwingt er seine Tochter, als solche aufzuwachsen. Erst kurz vor der Pubertät erkennt das stets kurzgeschorene Haare tragende Mädchen, dass es kein Junge ist.

Unter den schön fotografierten Bildern der marokkanischen Landschaft und der tristen Enge karger Klinikräume flicht Mouftakir ein breites Netz voller Surrealismus und Symbolismus (nicht von ungefähr nennt er David Lynch als großes Vorbild), um am Ende in der Auflösung ein schreckliches Geheimnis von Vergewaltigung und Inzest zu offenbaren. Der Film hat Längen, ist aber in seiner verzerrten, geheimnisvollen Bilderwelt absolut sehenswert.

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