Neue deutsche Kinofilme
Studenten der Universität Regensburg haben im Rahmen einer Übung zum Filmjournalismus das Filmfest München besucht und sich individuell oder in Kleingruppen den verschiedenen Sektionen gewidmet. Einige der Texte finden hier auf critic.de ihre Publikation.
Bunt gemischt ist das Programm der Filmreihe „Neue deutsche Kinofilme“. Es reicht von technisch mehr oder weniger ausgereiften Dokumentarfilmen über leicht verdauliche Komödien bis hin zu Familiendramen.
In einem verschneiten Winterwald spielt das Beziehungsdrama blindlings. Die Atmosphäre scheint wie geschaffen für einen düsteren Horrorthriller und zumindest phasenweise ist das der Film auch. Die Bilder immer etwas blaustichig, kalt wie die Temperatur gegen die Eva (Barbara Romaner) und Max (Mirkus Hahn), verschollen im Wald, ankämpfen müssen. Wilde Kamerafahrten erinnern an Blair Witch Project (1999), ein unheimlicher, fallenstellender Einsiedler an Szenen aus dem Horrorschocker Wrong Turn (2003). Trotz der Verfolgungsjagden durch den Wald und der unheimlichen Atmosphäre im Film steht doch die Beziehung von Max und Eva im Mittelpunkt, regelmäßige Rückblenden geben einen Einblick in deren Gefühlswelt. Im Laufe des Films verschwimmen Realität und Phantasie, die vermeintliche Aussprache wird für alle Beteiligten zum Horrortrip.
Deutlich lustiger geht es in Unter Strom zu. Hier prallen die verschiedensten Beziehungskisten aufeinander: zwei frisch Geschiedene, ein schwules Paar und eine klassische Dreiecksbeziehung – alle entführt von Frankie (Hanno Koffler), der unschuldig zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde. Vor allem die gute schauspielerische Leistung von Sunnyi Melles, welche die durchgeknallte und hoffnungslos in ihren Chef verliebte Sigrid spielt, und auch die Darbietung von Harald Krassnitzer, der den taffen Hausmann mimt, peppen die sonst eher platte Story merklich auf. Auch durch einige unerwartete Wendungen und Pointen wirkt Unter Strom über weite Strecken durchaus unterhaltsam.
Draußen am See erzählt vom langsamen Auseinanderbrechen der Familie von Jessica (Elisa Schlott). Die Arbeitslosigkeit des Vaters, der am liebsten als eine Art lonesome Cowboy in seiner Laube am See sitzt und so dem Alltag entflieht, wird zur Zerreißprobe für die kleine Familie. Die Probleme die damit einhergehen trägt scheinbar die jüngste Tochter allein, natürlich nicht ohne die typischen selbstzerstörerischen Border-Line-Folgen wie das Arme aufschneiden oder einen Selbstmordversuch. Das Schauspiel von Elisa Schlott ist überzeugend – sie verkörpert die blasse, introvertierte Jessy eindringlich und auch ihre Tagebucheinträge, die den Zuschauer durch den Film führen, fangen die bedrückende Stimmung, die in der Familie herrscht, anschaulich ein.
Viele Dokumentationen finden sich im Programm der neuen deutschen Kinofilme. „Breaking the Ice“ ist das Motto einer Expedition die neun unterschiedlichste Menschen aus neun Ländern zusammenbringt. Ein gemeinsames Ziel verbindet sie: Oliver, den Olivenbaum, als Zeichen des Friedens in Tripolis zu pflanzen. Während der 6000 Kilometer langen Fahrt von Jerusalem nach Tripoli wird viel gelacht, diskutiert, Vergangenes aufgearbeitet, sich gestritten und wieder versöhnt. Die Probleme die das US-amerikanische Volk mit den Irakern hat, der Konflikt in Israel, der Anschlag auf das World-Trade-Center – all das spiegelt sich im Auftreten der einzelnen Reisenden wider. Journey of an Olive Tree ist eine sehr interessante Dokumentation bei der immer wieder „das Eis gebrochen“ wird und trotz aller Komplikationen – politischer, organisatorischer und persönlicher Art – findet am Ende Oliver doch noch seinen Platz am Berg Sinai.
Es existieren bereits etliche Filme, Dokumentationen und Berichte über die Zeit, in denen die Terrorakte der RAF Deutschland erschütterten. Und doch beleuchtet die Dokumentation Die Anwälte einen bisher wenig thematisierten Bereich dieser Geschichte. Horst Mahler, ehemaliges Mitglied der RAF, sein damaliger Verteidiger im Gerichtsprozess Otto Schily und Hans-Christian Ströbele, der zusammen mit Mahler und Klaus Eschen 1969 das Sozialistische Anwaltskollektiv gründete, sprechen von ihren beruflichen und persönlichen Erfahrungen zu Zeiten der RAF und danach. In den langen Interviewszenen und begleitenden Originalaufnahmen der Prozesse und Demonstrationen ergeben sich viele Zusammenhänge, die helfen, die Motivationen und Hintergründe der drei Anwälte nachzuvollziehen. Das persönliche Verhältnis der Männer untereinander, ihre Erfahrungen und Meinungen rücken die Zeit des RAF-Terrorrismus in ein neues Licht.
Historisch geht es weiter in Der weisse Rabe – Max Mannheimer. Einer der letzten Zeitzeugen die im Konzentrationslager Dachau inhaftiert waren ist Max Mannheimer. Die Dokumentation zeigt den persönlichen Aufarbeitungsprozess Mannheimers, eines der letzten im Konzentrationslager Dachau inhaftierten Zeitzeugen. Dies geschieht auf recht einfache und nicht gerade fesselnde Art und Weise: Interviews, die nur schleppend vorankommen, eine Kameraführung die an Professionalität deutlich zu wünschen übrig lässt und eher an Amateur-Urlaubsvideos erinnert, sowie nicht nachvollziehbare Wechsel zwischen den verschiedenen Schauplätzen. Ein ziemlich anstrengendes Kinoerlebnis.
Einen Film über leukämiekranke Kinder kann man vermeintlich nur mit verheulten Augen verlassen – die Dokumentation Seelenvögel (Soul Birds) von Thomas Riedelsheimer beweist das Gegenteil. Pauline, Lenni und Richard teilen das gleiche Schicksal: Sie kämpfen gegen die Leukämie. Und alle drei strahlen die gleiche Kraft und den gleichen Optimismus aus, der keine dramatische Musik oder inszenatorische Zuspitzungen braucht. Eindringlich vermitteln die Drei, was zählt: Das Leben leben. Jede Minute und jeden Augenblick mit Dingen füllen, die Spaß machen, einem Kraft geben die anstrengenden Therapien durchzustehen. Egal ob Theaterspielen wie Pauline, im isolierten Krankenzimmer Billard spielen wie Richard oder einfach mit der Mama kuscheln wie Lenni – alles erleben die drei Hauptdarsteller so intensiv wie man sich das als gesunder Mensch kaum vorstellen kann. Die Allgegenwart des Todes wird dabei keineswegs verleugnet. Ganz bewusst befassen sich die Kinder und deren Familien mit dem Thema, jeder hat seine eigene Art damit umzugehen und sich trotzdem nicht aufzugeben.
Viola Kuntz
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