Flaneur und Kosmopolit - Helmut Käutner Retrospektive
Es gibt viele Gründe, noch bis Ende Juni die Helmut-Käutner-Retrospektive im Berliner Zeughauskino zu besuchen. Wir bieten einen kleinen Einblick in Käutners Werk anhand drei seiner schönsten Filme.
Bildnis einer Unbekannten (1954)

Um jemanden neu zu entdecken, der durch seine vier Jahrzehnte umspannende Arbeit als Regisseur und Schauspieler zwar bekannt, aber doch weitgehend unterschätzt war, passt vielleicht am besten ein fast in Vergessenheit geratener Film, der zumindest das Zeug für einen Blockbuster gehabt hätte. Mit Max Ophüls’ Brief einer Unbekannten hat Bildnis einer Unbekannten zwar nichts zu tun, aber doch geht es auch bei Käutner um einen Menschen, der im Leben eines anderen eine Rolle spielt, ohne dass er davon etwas mitbekommen hätte. Als sich die Diplomatengattin Nicole bei einer Versteigerung auf einem Akt wiedererkennt, ist der Ruf erst mal ruiniert. Dabei hat der Maler Jan (O.W. Fischer als bezaubernder Hallodri) sie lediglich bei einem Opernbesuch aus der Ferne beobachtet. Wie das ganz auf Repräsentation ausgerichtete Diplomatenleben mit dem ewig unverbindlichen Künstlerdasein aufeinanderprallt und die unterstellte Affäre vielleicht doch noch zu einer tatsächlichen Liebesgeschichte wird, erzählt der Film als eine Mischung aus Sittenkomödie, Melodram und Romantic Comedy. Dabei wechselt er so souverän, virtuos und charmant die Register wie sein Hauptdarsteller – und lässt uns sogar kurz vergessen, dass einem die immer etwas zu anständig wirkende Ruth Leuwerik hier als glamouröser Ex-Chansonstar verkauft werden soll.
Die Rote (1962)

Leuwerik spielt auch die Hauptrolle in der Alfred-Andersch-Adaption Die Rote – ein weiterer von Käutners großen unbekannten Filmen. Dass die Schauspielerin im Vergleich zu anderen westeuropäischen Stars ihrer Zeit immer ein wenig bieder wirkt, wird hier sogar zum Thema des Films. Es geht um eine Frau, die gerne fein und besonders wäre, es aber nur zur Sekretärin geschafft hat. Die sich eingebildet hat, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, und nun, nach einer Trennung, feststellen muss, dass sie immer nur abhängig von den Männern war. Fast pausenlos hören wir aus dem Off ihre Gedanken – ihr Zögern, ihre Scham, ihre kurze Träumereien –, während sie durch ein überraschend bedrohlich wirkendes Venedig schlendert, das hier auch nur ein Ort ist, an dem man ohne Geld nicht weit kommt. Käutner hat oft etwas von einem Flaneur und Kosmopoliten. Er verfügt über eine weltmännische Eleganz und scheint überall zu Hause zu sein; auch wenn er gerade im Ausland immer besonders deutsch wirkt. Die zeitgenössische Kritik hat in Die Rote denn auch nur den gescheiterten Versuch gesehen, an das französische und italienische Aufbruchskino anzuknüpfen, was aus heutiger Perspektive aber eher nach einem deutschen Minderwertigkeitskomplex klingt. Denn harte Brüche hat Käutner ohnehin nie gesucht. Zwar hat er auch kaum wirkliche Genrefilme gedreht, aber doch immer mit klassischen Erzählmustern gearbeitet, durch die er seine visuelle, immer auch sehr genaue Inszenierung zur wahren Meisterschaft brachte.
Monpti (1957)

An einem anderen, nicht weniger mit Vorstellungen von Romantik überfrachteten Ort, nämlich Paris, gibt sich der Regisseur dagegen ein paar Jahre früher ganz den Klischees der Stadt hin. Auch wenn Käutners Filme deutlich besser gealtert sind als die der jungen Oberhausner, für die er damals mit dem Kampfbegriff Papas Kino gebrandmarkt wurde, kann man in Monpti durchaus einige Vorurteile gegen das deutsche Nachkriegskino bestätigt sehen – zumindest, wenn man nicht genau hinschaut: Paris wirkt hier vor allem possierlich, die Liebesgeschichte zwischen Romy Schneider und Horst Buchholz allzu unschuldig, und dann gibt es auch noch so einen onkelhaften Erzähler. Doch genau der steht für ein selbstreflexives Moment, das dem Zuschauer zwar nicht die Freude an der kulissenhaften Welt nehmen will, aber doch offenlegt, dass wir es hier mit einem narrativen Konstrukt zu tun haben, in dem Franzosen etwa der Einfachheit halber Deutsch reden. Wie Käutner die Künstlichkeit seines Settings ausstellt und uns zugleich mit einem ziemlich heftigen Melodram überrollt, das von Menschen erzählt, die selbst lieber gern romantische Projektionen wären, ist dann auch nicht so weit von Regisseuren wie Douglas Sirk und Fassbinder entfernt.
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