Jenseits von Penthouse und BMW-Cabrio
Interview zu Status Yo! mit Regisseur Till Hastreiter
Status Yo! ist ein musikalischer Episodenfilm über die HipHop-Kultur auf den Straßen Berlins. critic.de sprach mit dem Regisseur Till Hastreiter über die Entstehung seines Kinodebüts, über die Dreharbeiten mit Laiendarstellern aus der HipHop-Szene, in der der Regisseur in den 1980ern selber zu Hause war und darüber, warum sich im aktuellen Deutschen Film bestimmte Themen und visuelle Muster wiederholen.
critic.de: Dein Kinodebüt Status Yo! spielt in der HipHop Szene Berlins mit Laiendarstellern. Kommst Du aus der Szene? Wie bist Du zu dem Thema gekommen?
Till Hastreiter: Ich war Mitte der 80er Jahre HipHop-mässig unterwegs, zuerst als Breakdancer, dann habe ich gescratched. Vom Scratchen bin ich auf Video-DJ-ing umgestiegen, beim Video-DJ-ing habe ich angefangen, Geschichten dazu zu entwickeln. Schließlich bin ich in Prag und in Budapest auf die Filmschule gegangen, um Regie und Kamera zu studieren. Danach habe ich viel Werbung gedreht, mein Studium bezahlt und Geld verdient für dieses Projekt. Zurück aus dem Ausland habe ich gemerkt, dass HipHop in Deutschland so stark explodiert ist, dass es jetzt wirklich eine Jugendkultur ist. Für mich war es der richtige Zeitpunkt einen Film darüber zu machen und so auch meine Jugend zu verarbeiten.
Der Film lief dieses Jahr auf der Berlinale im Internationalen Forum. Ich habe gelesen, dass ihr gar kein Drehbuch hattet?
Das stimmt so nicht. Wir hatten keine ausgeschriebenen Dialoge. Der Film ist tatsächlich geschrieben, aber in einer sehr offenen Form. Ich habe monatelang mit den Jungs Geschichten gesammelt. Schließlich habe ich alles verdichtet und ein dramaturgisches Konzept gesucht, dass alles Erlebte vereint. Irgendwann stand auf mehreren Seiten etwas, womit wir anfangen konnten zu drehen. Das Prinzip des Projekts war, möglichst authentisch zu werden. Es gibt nichts Peinlicheres als Laien in einem Kinofilm und du merkst jede Minute, die wollen da gar nicht sein, die sind mit der Peitsche vor die Kamera getrieben worden. Es galt einfach möglichst - das hört sich jetzt pathetisch an - den Menschen nahe zu sein, damit sie sich selbst darstellen können. Es war sehr intuitiv und wenn man gemerkt hat, die Geschichte, die man sich ausgedacht hat, funktioniert nicht mit dem Menschen, dann musste eben die Geschichte angepasst werden. Wenn die Darsteller sich unwohl gefühlt haben, war das für mich das Zeichen, dass die Story falsch ist.
Ist es schwer gewesen die Episoden dramaturgisch zu verknüpfen?
In der Zusammenarbeit mit Laiendarstellern gibt es automatisch die Situation, dass die Dramaturgie von gewissen Plots zweitrangig ist. Mir ging es darum, dass das Feeling stimmt. Du musst bei episodenhaften Geschichten dramaturgische Knotenpunkte setzten, die der Film ja auch hat. Zuerst wollte ich, dass es sich viel öfter kreuzt und ineinander verwoben ist. Aber das war eher so eine konzeptionelle Filmstudenten-Idee, wie ich feststellen musste. Sobald du aber konzeptionell wirst, funktioniert es nicht mehr mit den Laiendarstellern. Und deswegen haben wir das sehr zurückgedrängt und uns nur für unbedingt notwendige Knotenpunkte entschieden.
Wie lange habt ihr tatsächlich gedreht? Wie lange war Vorbereitungszeit?
Insgesamt haben wir über ein Jahr verteilt dreieinhalb Monate gedreht. Das ganze Projekt lief insgesamt dreieinhalb Jahre. Es ist auch komplett unabhängig produziert, ohne Geld von offizieller Seite. Das heißt wir konnten machen, was wir wollten und uns gegen jegliche Einflüsse von außen wehren. Ich war davor auch in losen Gesprächen mit Redakteuren. Die haben natürlich nur abgewunken. Wenn man denen sagte, „wir drehen jetzt einen Film mit 120 Kiffern, ich weiß nicht wann der fertig ist“ - ist logisch, sagt niemand, „geb’ ich dir Geld für“. Da sagen nur alle, du spinnst.
Der Film lebt von einem guten Timing im Schnitt.
Ja, harte Arbeit. 12 Monate im Schnitt. Da kommt auch vielleicht wieder so ein bisschen das DJ-ing rein. Der Film ist ein bisschen wie ein Mixtape. Zuerst hatte ich den Film klassisch geschnitten, so wie ich mir das überlegt hatte. Das hat überhaupt nicht funktioniert. Dann habe ich angefangen, Publikumsvorführungen mit Schülern zu machen, um zu sehen, wie die reagieren. Ich habe wirklich - so wie im Club der DJ sein Set - immer ein bisschen angepasst und überarbeitet, bis es mehr oder minder durchrockt.
Gegen Ende gibt es eine sehr gut choreographierte Kampfszene, in der Breakdancer in einer Unterführung Skins verprügeln.
Ja, ich habe früher viele Kung-Fu Filme gesehen. Und diese Breakdancer sind wirklich Spitzenathleten in ihrem Feld. Die trainieren jeden Tag mehrere Stunden. In der Szene ist auch nichts getrickst. Die rennen wirklich die Wand hoch und machen Saltos. Am Anfang hatten wir jemanden dabei, der helfen sollte, Stuntkoordination zu machen. Der hat nur mit den Ohren geschlackert, was die alles können. Viel, viel besser als seine Stuntleute. Weil die dir auf den Millimeter am Gesicht vorbei springen.
Wie geht es weiter mit dem Film? 4.11. ist der Kinostart und ihr plant außerdem Vorführungen an Schulen?
Genau. Wir haben den Film schon in Schulen vorgeführt und da bekommt er ein sehr starkes Echo. Was ich dort immer höre ist, dass es der erste deutsche Film ist, der die Realität von ganz vielen Jugendlichen überhaupt einmal aufgreift, so dass sie sich damit identifizieren können. Ich sag immer, es ist ein extrem deutscher Film, weil er eine deutsche Realität zeigt, jenseits von Penthouse und BMW-Cabrio.
Wie positionierst Du Dich im deutschen Film?
Das ist immer schwierig, zu sagen. Ich weiß ja nicht mal, ob es überhaupt einen nationalen Film gibt. Filmemachen hat mit der Nationalität überhaupt nichts zu tun. Es gibt bestimmt thematische und ästhetische Muster. Aber das liegt nicht an den Deutschen an sich, sondern an der Gesellschaftsschicht, die normalerweise Filmregie macht oder Bücher schreibt. Um an eine Filmhochschule zu kommen, brauchst du Abitur. Und um die Narrenfreiheit für so ein Studium zu haben, brauchst du eigentlich gut situierte Eltern. So entsteht da eine gewisse Gruppierung, die sehr ähnliche Themen hat. Du kannst als Filmemacher entweder Märchen erfinden oder aus deinem Leben erzählen. Und wenn du aus einem bourgeoisen Umfeld kommst, wird dein Film halt auch bourgeois. Das soll jetzt nicht wertend sein, das ist halt so. Deswegen kommen Real- und Hauptschulthemen nicht vor. Oder sie werden dann meistens von sozial engagierten älteren Herren umgesetzt, die retrospektiv darüber urteilen, wie das im Vergleich zu ihrer Jugend war. Und es kommt sehr selten etwas aus der Mitte. Das war auch mein Anliegen, etwas zu machen, was zeitgenössisch ist auf seine Art. Die Geschichten in Status Yo! sind authentisch, teilweise dramatisiert. Der Film ist ein Schnittfilm, also ein orchestrierter Film, der ein Gefühl vermitteln soll.
Kommentare zu „Jenseits von Penthouse und BMW-Cabrio“
Es gibt bisher noch keine Kommentare.