Die Banken verkaufen schlechte Drogen

Christoph Hochhäusler über seinen neuen Film, eine Liebesgeschichte aus dem Finanzmilieu.

Unter Dir die Stadt

Christoph Hochhäusler wurde 1972 in München geboren. Schon während des Studiums in Berlin (Architektur) und München (Filmregie) gründete er gemeinsam mit anderen die Filmzeitschrift „Revolver“. Seit 2003 drehte er bislang drei Spielfilme: Milchwald lief auf der Berlinale, Falscher Bekenner (2005) in Cannes. Dort hatte jetzt auch sein neuer Film Premiere: Unter dir die Stadt.

Unter Dir die Stadt

critic.de: Sie haben mit dem Schriftsteller Ulrich Peltzer den Stoff entwickelt. Was stand am Anfang?
Hochhäusler: Mir wurde Ulrich Peltzer vorgestellt, wir haben uns gut verstanden und wollten etwas zusammen machen. Eine Idee – ich bin ja bibelfest – hieß: König David heute. Es gibt die Geschichte mit Bathseba. David verliebt sich in sie, und sie wird seine Frau, nachdem er ihren Mann in den Krieg gesandt hat, in dem er stirbt. Ich finde diese Dialektik spannend: Einer will mit den falschen Mitteln etwas Gutes erreichen.

Unter Dir die Stadt

Der Film spielt im Bankenmilieu …
Das Bankenmilieu ist eine tolle Verkörperung moderner Macht. Dort wird eine sehr abstrakte Arbeit gemacht, die aber enorme Auswirkung auf unser aller Leben hat. Trotzdem: Auf dem Börsenparkett fließt kein Blut. Wir haben viel recherchiert. Es gab aber zu keinem Zeitpunkt die Absicht, einen realistischen Film zu dem Thema zu machen. Wenn man das verfilmt hätte, was Insider uns erzählt haben, wäre es eine Farce geworden. Was dort wirklich passiert, ist viel extremer. Sprachlich ist es grotesk, wie die reden. Da musste man eine Übersetzung finden.

Unter Dir die Stadt

Die Szenen der Manager-Verhandlungen erinnern an die Dokumentationen von Harun Farocki …
Ich kenne sein Werk natürlich. Die Szenen gehen aber eher zurück auf einen Banker, der uns besonders offenherzig Einblick gewährt hat.
Natürlich bleibt alles immer Fantasie. Und ursprünglich war die Business-Seite im Drehbuch viel umfangreicher. Wir haben das reduziert, weil wir vorab die Reaktion erfuhren, dass die Leute die Geschichte der Menschen sehen wollten. Das mussten wir irgendwann akzeptieren.

Hat Sie das enttäuscht?
Ich hatte schon die Hoffnung, da romanhaft mehr unterzubringen. Vielleicht müsste man dafür eine TV-Serie machen.

Ihre eine Hauptfigur, der Manager, ist unter seinesgleichen ja eher ein Outsider …
Jeder, der führt, ist ein Outsider. Das ist ja das Absurde. Einerseits sind solche Betriebe Maschinen des Mainstreaming. Aber an die Spitze kommen dann die Seltsamen. Die im entscheidenden Augenblick die charismatische Macht haben, und nicht die Macht des Faktischen. Was uns viele Banker gesagt haben, auf die Frage, wie sie in ein Meeting gehen: „Ich identifiziere den Key-Player. Der Key-Player ist nie der nominell mächtigste Mann, sondern es ist das Gravitationszentrum der Gruppe. Und nur mit dem rede ich.“

Es gibt in dem Film ein paar Szenen mit einem Drogensüchtigen. Was hat das zu bedeuten?
Es ist eine Fantasie, die erst einmal auch unerklärlich ist. In Frankfurt stehen das Finanzmilieu, die Prostitution und der Drogenhandel eng nebeneinander. Warum ist das so? Was mich persönlich an Sucht fasziniert, ist diese krasse Verschiebung der Prioritäten. Zu der man keinen Kontakt finden kann. Sie gehört nur dem Süchtigen. Das hat mit dem Geschäftsmodell der Banken zu tun. Sie sind Dealer. Sie sagen selbst: Sie ernähren sich von der Realwirtschaft. Wie man gesehen hat, ist dieses Modell oft zerstörerisch. Die Banken verkaufen schlechte Drogen. 

Verstehen Sie sich als Moralist?
Ich sage nicht: Wählt diese Partei. Der Film sollte selbst die Botschaft sein – als Erfahrung. Dass ein Film aber auch eine Weltsicht enthält, ist selbstverständlich. Wir alle leben in Erzählungen, ein Film ist immer Gegenerzählung.

Was wünschen Sie sich für ein Publikum?
Ich wünsche mir immer ein Publikum, das selbstbewusst genug ist, Rätsel auch anzunehmen. Man versteht ja auch nicht alles, wenn man ein Buch liest. Ein Publikum, das den Film aber auch gebraucht, nach dem Kino mitnimmt ins Leben, mit ihm umgeht. Also mit einer Metapher produktiv arbeitet. Das ist das Ideal. Das setzt natürlich einen selbstbewussten Zuschauer voraus, den es nicht stört, dass Erwartungen nicht eingelöst wurden.

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