Tropa de Elite – Kritik
Der Berlinale-Gewinner von 2008 ist ein Stück brachiales Genrekino aus Brasilien.

Mit City of God (Cidade de Deus, 2002) gelang dem brasilianischen Regisseur Fernando Meirelles ein intensives und ambivalentes Porträt der Favelas von Rio de Janeiro. Die Sicht des jugendlichen Slumbewohners Buscape, der davon träumt, Pressefotograf zu werden, lässt uns als Zuschauer unmittelbar an Drogen, Gewalt und Kriminalität teilhaben, eröffnet uns aber gleichzeitig die distanzierte Perspektive des Fotografen. Meirelles vermeidet mit diesem perspektivischen Kniff weitgehend, seine Problematik in plakativen, moralinsauren Dialogen diskutieren zu müssen, sondern findet über den Blick seines Protagonisten einen außergewöhnlichen Zugang zum Thema seines Films.
So souverän kann José Padilha die größte Herausforderung eines im weitesten Sinne politischen Films nicht meistern. Tropa de Elite ist in erster Linie auf Überwältigung angelegt. In einer rasanten Eingangssequenz bedient sich der Regisseur mit schnellen Schnittfolgen und einer hektischen Steadycam gängiger Mittel des gegenwärtigen Actionfilms. Was wir dort eigentlich sehen, wird erst im Verlauf des Films klar.

Im Prinzip kann Tropa de Elite als Gegenstück zu Meirelles City of God, in dessen Zentrum die sozialen Strukturen und die Bewohner der Favelas selbst stehen, verstanden werden. Padilhas Film konzentriert sich auf die Gegenseite und schildert die Problematik aus der Sicht von drei Polizisten. Die zentrale Rolle kommt dabei Capitão Nascimiento (Wagner Moura) zu. Er ist Offizier in der berüchtigten BOPE, einem Sonderkommando der Militärpolizei von Rio de Janeiro, das sowohl von der korrupten Zivilpolizei, als auch von Kriminellen wegen seiner Skrupellosigkeit gefürchtet wird. Ihr Wappen ist ein aufgespießter Totenschädel vor zwei gekreuzten Pistolen. Padilha beschreibt Nascimiento als prinzipientreuen, wertkonservativen Mann, der sich – getrieben vom Hass auf Drogendealer und korrupte Polizisten – geschworen hat, so lange weiterzumachen, bis endlich jemand seinen Kampf gegen das Verbrechen fortsetzt. Seine junge Familie und er selbst drohen dabei, an seiner Passion zu zerbrechen. Als auktorialer Off-Erzähler sinniert Nascimiento jedoch nicht nur über seine persönliche Situation, sondern schildert auch den Werdegang von zwei idealistischen Polizeirekruten, dem Heißsporn Neto (Caio Junqueira) und dem raisonnierenden Jurastudenten André Matias (André Ramiro). Auf sie projiziert Nascimiento seinen Wunsch nach einem würdigen Nachfolger.

Padilha interessiert sich für die internen Strukturen im korrupten brasilianischen Polizeiapparat. Jeder ist hier bestechlich und dem System, das er in Tropa de Elite etabliert, ist Korruption als Funktionslogik inhärent. Dem maroden Polizeiwesen setzt er die hierarchisch straff organisierte Eliteeinheit BOPE entgegen. Hier dient nur, wer die härteste Ausbildung übersteht und dafür muss man selbstverständlich aus anderem Holz geschnitzt sein als die korrupten Zivilpolizisten, von denen sich die Männer des Elitekommandos nicht nur durch ihre schwarzen Uniformen distanzieren.
Die BOPE will den kriminellen Sumpf der Favelas austrocknen und richtet sich dabei auch gegen die Polizei selbst. Die weitestgehende Autonomie dieser beinahe konspirativen Eliteeinheit stellt Padilha dabei ebensowenig in Frage wie ihre Methoden selbst. Folter, Misshandlungen und Mord, das gesamte Vorgehen des Sonderkommandos, werden stattdessen stark ästhetisiert. Der Film rechtfertigt diese Methoden nicht, er nimmt sie aber einfach hin, ohne sie zu diskutieren. Tempo und Rhythmus des Films lassen auch dem Zuschauer dabei kaum Zeit, seine zahlreichen Eindrücke zu ordnen und das Gesehene zu bewerten.

Einen Film lediglich von einem subjektiven moralischen Standpunkt aus zu bewerten, ist wenig hilfreich und wird auch Tropa de Elite nicht gerecht. Weil er sich jedoch sichtlich ernster nimmt als rein auf Unterhaltung ausgelegtes Blockbusterkino, muss man dem Film das verhältnismäßig niedrige Reflexionsniveau dennoch zum Vorwurf machen. Die wenigen Versuche, die Padilha unternimmt, weiterführende Gedanken im Film auszudrücken, scheitern. Auch eine Seminardiskussion über Michel Foucaults Machtbegriff, die dem Regisseur als Folie für die moralische Diskussion seines Themas dient, bleibt oberflächlich und stellt zudem nur eine kurze Episode in einem Film dar, der sinnlich wie emotional eher übermannt, als dass er geistig fordert.
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Kommentare
bernhard
was mich irritiert ist, dass der drehbuchautor wohl selber ein ehemaliges mitglied dieser sog. eliteeinheit BOPE war - und um damit mal meine meinung genauso emotional und eindimensional wie die handlung und die bilder des films auszudrücken:
faschistoider, paramilitärischer schund!!
man stelle sich vor hier bei uns würde so eine schwachsinnige "elite"einheit jeden foltern und abschlachten, der ab und zu einen joint raucht - und die gewalttätigkeit des oberdrogenbosses (mann bei lebendigem leib verbrennen) wurde meines erachtens in die handlung eingeflochten um die methoden der "elite"einheit zu rechtfertigen!
den drehbuchautor hätte man lieber vor gericht stellen sollen anstatt ihn stumpfsinnige drehbücher schreiben zu lassen!
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