The Happening – Kritik

Wenn die Bäume zurückschlagen, hilft auch keine Naturwissenschaft mehr: Mit seinem neuesten Thriller wird M. Night Shyamalan zum Öko-Botschafter.

The Happening

Man sollte sich für Naturwissenschaft interessieren. Das rät zumindest Biologielehrer Elliot Moore (Mark Wahlberg) vormittags in Philadelphia seinen Schülern, die er versucht, mit Logik und Beobachtungsgabe für ihre Umwelt zu sensibilisieren. Doch er weiß, dass die Möglichkeiten der Wissenschaft, die Natur zu erklären, begrenzt sind. Schon wenige Stunden später wird dieses Wissen auf dramatische Weise bestätigt. Zunächst in New York und später im gesamten Nord-Osten der USA begehen Menschen aus heiterem Himmel Selbstmord – ein terroristischer Giftgasangriff wird vermutet. Zusammen mit seinem Kollegen Julian (John Leguizamo) und dessen Tochter machen sich Elliot und seine Ehefrau Alma (Zooey Deschanel) in Richtung Westen auf, doch während sie versuchen, sich in ländlichen Gegenden in Sicherheit zu bringen, verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die Gefahr nicht vom internationalen Terrorismus, sondern von der heimischen Flora ausgeht. Offenbar sind Bäume, Sträucher und Gräser die Quellen der Bedrohung.

The Happening ist geradliniges Message-Kino ohne doppelten Boden: Regisseur Shyamalan dreht einen Film über die bedrohte Umwelt, in dem eben diese bedrohte Umwelt quasi in Notwehr beginnt, Menschen zu töten. Zwar operiert The Happening auf der Bildebene mit der vermeintlichen Unbestimmbarkeit der Bedrohung, denn eine tatsächliche Verbindung zwischen dem immer wiederkehrenden Rascheln der Blätter in den Bäumen und den plötzlichen Massensuiziden wird nie ins Bild gesetzt. Doch wenn Mark Wahlbergs Figur im Klassenraum eingeführt wird, wo sie gerade über das Verschwinden der Bienen und andere ökologische Katastrophen doziert und auch die Medienberichte sich schnell auf die Öko-Deutung festlegen, bleibt wenig Spielraum für interpretatorische Alternativen. Die Idee vom Nervengas, das Menschen dazu bringt, sich selbst umzubringen, führt zwar zunächst eine interessante Metapher für den Umgang des Menschen mit der Natur ein, deren Reiz im Spannungsfeld von Selbsterhaltung und Selbstzerstörung liegt, doch diese Nuancen gehen in der simplen pädagogischen Botschaft des Films unter.

The Happening

Seit seinem Erfolg Sixth Sense (The Sixth Sense, 1999) ist M. Night Shyamalan für aufwändig produziertes Spannungskino mit obligatorischem Plot-Twist am Ende bekannt. Seine Filme sind oft zwischen Horror, Thriller und Märchen angesiedelte Geschichten, die neben einem ausgeprägten Hang zum Übersinnlichen, ein großer stilistischer Wille auszeichnet, der sich auch in The Happening in einigen beeindruckenden Bildern wiederfinden lässt. Etwa in elegischen Überhöhungen des Todes, wenn an jedem Baum einer Allee eine Leiter lehnt, die den von den Ästen baumelnden Selbstmördern die nötige Fallhöhe verschafft hat. Oder wenn Bauarbeiter reihenweise in Zeitlupe vom Gerüst in den Tod stürzen und ihre Fallbewegungen zum Ballett werden. Diese Szenen sind voll von bedeutungsschwerem Pathos, dennoch besitzen sie auch eine leise, poetische Eindringlichkeit. Wenn dann aber mit wiederholten Großaufnahmen auf leidende Kindergesichter gearbeitet wird, verwandelt sich diese Eindringlichkeit schnell in plumpe Gefühlsduselei.

Stilistisch wie narrativ zitiert sich Shyamalan in The Happening eifrig selbst. Der Öko-Thriller erinnert stark an seinen eigenen Film Signs – Zeichen (Signs) aus dem Jahr 2002. Auch dort wurde von einer nationalen Katastrophe – damals waren es angreifende Aliens – im klassischen Thriller-Stil erzählt, und nicht wie sonst im Blockbusterkino häufig üblich im Sinne einer militärischen Weltrettungsgeschichte. Sympathischerweise ist das Militär in The Happening genauso hilflos wie alle anderen. Statt Präsidenten am roten Telefon und zu Hilfe eilenden Fliegerstaffeln, statt einer Erzählperspektive also, die das gesamte Ausmaß der Bedrohung im Blick hat, konzentriert sich der Film auf eine kleine Gruppe von Menschen, die nur begrenzten Zugriff auf eine Gesamtsicht der Ereignisse hat. Der Held Elliot ist kein Weltretter. Für ihn geht es ums schiere Überleben, auch wenn sich der Biologe in ihm die Spekulationen über eine mögliche Ursache der Katastrophe nicht verkneifen kann.

The Happening

Trotz der perspektivischen Einschränkung und der Konzentration auf wenige Figuren, gelingt es Shyamalan nicht, einen szenenübergreifenden Spannungsbogen zu konstruieren. Einzelne Sequenzen beinhalten zwar handwerklich souverän inszenierten Suspense. Die Kamera bleibt oft nah an den Darstellern, schließt die Umgebung aus, und verstärkt den Eindruck, von allen Seiten drohe Gefahr. Da diese Gefahr aber durch die starke Fokussierung auf das Umweltthema und die immer wieder eingesetzten TV- und Radioberichte bereits früh im Film zu komfortabel ausgedeutet ist, bleibt ein mysteriöses, bedrohliches Gefühl kaum erhalten.

Doch nicht nur die Bedrohung von außen, auch die Probleme innerhalb der Gruppe greifen ins Leere. Sämtliche Konflikte – etwa die Ressentiments zwischen Julian und Alma – wirken konstruiert und bleiben oft bloße Behauptung. Meist ist es so, dass ein Problem zwar eingeführt wird, die Protagonisten aber kaum davon tangiert zu sein scheinen, wie im Fall der zu Beginn des Films ausführlich etablierten Ehekrise Elliots und seiner Frau, die im weiteren Verlauf nur noch für ein wenig Comic Relief herhalten kann. Zudem bleibt der Film zu sehr auf Distanz zu seinen Protagonisten, als dass er gesteigertes Interesse an ihren Sorgen und Problemen wecken könnte. Zwar suggerieren Close-ups auf schmerzverzerrte, erschöpfte Gesichter emotionale Intensität, doch die Figuren sind zu eindimensional, als dass sie sich zur Identifikation eignen würden.

The Happening

Mark Wahlberg, der seiner Figur vor allem eine physische Präsenz verleiht, nimmt man den nachdenklichen, pollundertragenden Lehrer nicht ab. Sein Spiel wirkt hölzern, zudem muss er immer wieder Sätze aufsagen, deren Einfalt im krassen Gegensatz zur behaupteten Intelligenz seiner Figur steht. Fast ist man geneigt, seine Darstellung – wie auch den gesamten Film – als Parodie zu begreifen, doch The Happening nimmt sich selbst derart ernst, dass man ihm eine solche humoristische Leistung kaum zutrauen will.

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