Legion – Kritik
Visual-Effects-Spezialist Scott Stewart nimmt auf dem Regiestuhl Platz und fährt für sein Debüt einiges auf: Während Gott sich längst von seiner Schöpfung abgewendet hat, streiten zwei Erzengel um die Zukunft der Menschheit.

Der Endzeitfilm erfreut sich derzeit besonderer Beliebtheit. In aufwändigen Blockbustern wie 2012 (2009) und Avatar (2009) sowie in Produktionen mit etwas geringem Budget – von der Romanverfilmung The Road (2009) bis zum erst kürzlich angelaufenen The Book of Eli (2010)[] – werden apokalyptische Szenarien durchgespielt. Zumeist geht es dabei hintergründig auch um Gesellschaftskritik: Ökologische Probleme werden ebenso thematisiert wie sich verschärfende soziale Konflikte und die Abkehr vom Glauben. Letzterem Motiv fügt Scott Stewart mit Legion nun eine weitere Variante hinzu: Denn hier ist es nicht der Mensch, der sich von Gott abwendet, sondern Gott, der genug von der Menschheit hat. Überzeugt davon, dass das Objekt seiner eigentlich unendlichen Liebe diese nicht länger verdient hat, sendet er eine Legion von Engeln auf die Erde, um die Apokalypse vorzubereiten. Was genau dem Herrn am Verhalten seiner Schöpfung missfällt, beantwortet der Film nicht explizit, die einführende Voice-Over-Stimme erklärt nur knapp: „He got tired of all the bullshit.“ Ein solches Zitat könnte der Auftakt für unterhaltsamen Trash sein. Doch leider will Legion mehr als ein aufwändiges B-Picture sein und so entpuppt sich das, was wir zu Beginn noch für Augenzwinkern halten, rasch als ziemlich ernst gemeint.

Erzengel Michael, dessen erlernte Liebe zu den Menschen größer ist als der Gehorsam zu Gott, nimmt zusammen mit ein paar zufällig in einem verlassenen Diner gestrandeten Menschen den Kampf gegen die Engel auf. Die dort arbeitende Kellnerin Charlie ist hochschwanger und ihr ungeborenes Kind das Objekt der Begierde, dessen sich die Engelslegion bemächtigen will – aus welchem Grund auch immer. Das Diner wird zur unheimlichen Festung, das gegen übernatürliche Wesen verteidigt werden muss; und ein Baby zur letzten Hoffnung der Menschheit. Ersteres erinnert stark an die Grundkonstellation unzähliger Horrorfilme, letzteres vor allem an Alfonso Cuaróns Children of Men (2006), eines der interessanteren Werke des Endzeitgenres. Während aber Cuarón gerade dadurch, dass er das Aussterben der Menschen als bloße Feststellung an den Anfang seines Films stellt, eine religiöse Lesart zwar anbietet, aber nicht expliziert und damit zur Reflektion anregt, weicht die angedeutete Gesellschaftskritik in Legion bald einer sehr harmlosen Form von Religiosität. So erklärt Michael seinem Widersacher Gabriel vor einem letzten Duell der Engel, dass die Menschheit nicht schlecht geworden wäre, sondern nur verloren sei und Führung brauche. Michaels Aufopferung für die Menschen lässt schließlich auch Gott einsehen, dass noch lange nicht alles „Bullshit“ ist auf Erden, und Gabriel wird mitsamt seiner Legion wieder zurückgepfiffen. Auf die Gefahr der Apokalypse folgt die Hoffnung eines Neuanfangs.

Inhaltlich ist über Legion damit genug gesagt. Formal ist der Film insofern interessant, als es sich um das Erstlingswerk eines Visual-Effects-Experten handelt. Scott Stewart arbeitete unter anderem an den Effekten von Vergessene Welt: Jurassic Park (The Lost World: Jurassic Park, 1997) und Star Wars: Episode I - Die dunkle Bedrohung (Star Wars: Episode I – The Phantom Menace, 1999) mit, bevor er die renommierte Special-Effects-Schmiede The Orphanage gründete. Diese für einen Filmemacher ungewöhnlichen Wurzeln finden sich in Legion wieder: Stewarts erste Regiearbeit ist visuell durchaus einfallsreich inszeniert. Sein Hintergrund ist dem Film aber leider auch in anderer Hinsicht anzumerken: Legion macht nämlich vor allem deutlich, dass Stewart eben (noch) kein Regisseur ist. Aus dem eigentlich herrlich trashigen Plot und zumindest einer Hand voll netten Ideen gelingt ihm nicht in Ansätzen ein kohärenter Film. In den Sequenzen zwischen den absurden Kämpfen gegen von Engeln besessene Großmütter mit mörderischen Gebissen und sich als Tötungsmaschinen entpuppende Kleinkinder will Stewart eine zwischenmenschliche Ebene konstituieren, die zum Desaster gerät.

Das hat zum Teil mit den fast zum Mitsprechen schlicht geschriebenen Dialogen, aber auch mit einem äußerst schwachen oder schwach geführten Cast zu tun. Der angestrengte Blick von Dennis Quaid (The Day After Tomorrow, 2004; Dem Himmel so fern, Far from Heaven, 2002) wird irgendwann zum unfreiwilligen Running Gag und Lucas Black (The Fast and the Furious: Tokyo Drift, 2006; Jarhead, 2005) heißt im Film nicht nur Jeep, sein Gesichtsausdruck erinnert auch stark an einen solchen. Paul Bettany (The Da Vinci Code – Sakrileg, 2006) bei seiner Darstellung des humorlosen Erzengels Michael zuzusehen macht dagegen fast Spaß, denn hier passt das emotionslose Spiel zur Figur. Michael stattet die Sterblichen erst mit knappen Erklärungen und dann mit Unmengen von Shotguns aus und lädt schließlich zum munteren Engel-Abknallen ein. Ähnliches macht Bettany mit dem Zuschauer: Mit seinen melancholisch vorgetragenen Anweisungen leitet er uns durch den Film, entschuldigt sich für nichts, scheint aber stets zu sagen: Bald ist es vorbei, bringen wir es hinter uns.
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Kommentare
LeChuck
"Michaels Aufopferung für die Menschen lässt schließlich auch Gott einsehen, dass noch lange nicht alles „Bullshit“ ist auf Erden, und Gabriel wird mitsamt seiner Legion wieder zurückgepfiffen. Auf die Gefahr der Apokalypse folgt die Hoffnung eines Neuanfangs"
Wie gut, dass ich den Film schon gesehen habe.Wie kommen manche "Kritiker" auf die Idee, einem das Ende des Filmes zu verraten. "rolleyes"
Fuppel
Unglaublich.Will mich hier informieren, lese den Kommentar der verrät wie der Film ausgeht...kann ich mir sparen den Film anzusehen...
Dominic
Hier nun zwei Kritiken, a) zum Kritiker und b) zum Film:
a:
Daß Herr Kadritzke den Film nicht mag ist offensichtlich und das macht auch nichts. Daß er die endgültige Wendung vorwegnimmt ist bedauerlich, aber ihm war wohl wichtig, Anderen den Film ebenfalls zu vermiesen. Daß er aber ein Meisterstück geradezu verlangt um aus diesem überhöhten Anspruch heraus den Film zu verreißen, ist schäbig.
Als Beispiel: Quaids Mimik ist zugegebenermaßen minimal - aber stimmig und keineswegs ein "running gag".
b:
Optisch, wie zu erwarten, schön gemacht, melancholischer Grundansatz durch den herabgestiegenen Engel, der selber wiederum zu aktiv ist, um darin zu verfallen.
Im Gegensatz zu anderen derartigen Filmen ist dieses Mal das 'Böse' nicht gegen den Himmel gewandt, sondern umgekehrterweise kommt es von Gottes Heerscharen selber. Sehr schön auch die Rechtfertigungen des 'guten' Engels gegenüber seines Mitengels, der Menschen und dem Zuschauer; die Action ist überraschend gut dosiert.
Mir hat er gefallen.
Der Film kann interessant sein für Fans solcher Filme wie "Omen", "Das siebte Siegel", "God's Army", "Gabriel" oder auch "Constantin".
Sandra
Die Apokalypse ist biblisch (siehe Buch Joel), allerdings fand ich den Film schon etwas heftig *g* Schaut man sich in der Welt um könnte man tatsächlich meinen es ist schon soweit.
4 Kommentare