Kreuzkölln – Kritik
Kiez im Double Feature: Der Kurzspielfilm Moruk und die Kreuzberg-Doku 24 Stunden Schlesisches Tor kommen als Kreuzkölln gemeinsam ins Kino. Das Low-Budget-Programm passt zum Drehort: kein Geld, aber manchmal trotzdem sexy.

Kreuzkölln, das ist die Schnittmenge zwischen Neukölln und Kreuzberg, das ist der „Restposten aus London“-Boulevard am Kottbusser Damm und Hartz-IV-Shopping auf der Sonnenallee, das ist Rütlischule und Shisha-Lounge. Und das ist Zuzugsgebiet für Künstler und Szenekneipen – wer Kreuzkölln sagt, der liegt im Trend. Der Titel passt also gut zu zwei neuen Produktionen in einer langen Kette von Berlin-Filmen. Allein dieses Jahr präsentierten Michael Ballhaus und Ciro Cappellari mit In Berlin ihre dokumentarische Sicht auf die Spreemetropole und einige ihrer prominenten Bewohner. Später holten der RBB und arte mit der größten Fernsehdoku der Weltgeschichte 24h Berlin weit aus, sprengten ihr Sendeschema und zeigten einen ganzen Tag lang Geschichten aus der Hauptstadt.

Moruk und 24 Stunden Schlesisches Tor lassen die Kirche im Dorf, respektive Kiez. Beide widmen sich ausschließlich einer Straßenecke. Die Kumpel Murat (Oktay Özdemir) und Hakan (Burak Yigit) schlagen in Moruk täglich an der gleichen Stelle ihre Zeit tot. Regisseur Serdal Karaça und Kameramann Dirk Lütter adaptierten für ihre Protagonisten das lässige Tempo und die Schwarz-Weiß-Optik der frühen Jim Jarmusch-Filme. Zunächst passiert nicht viel: Die beiden Deutschtürken sitzen rum, reden, schauen Mädchen nach. Dann begegnen ihnen Irina (Irina Potapenko) und Klara (Klara Reinacher). Die Möglichkeit einer Romanze scheint auf im Kreuzköllner Slackertum. Der halbstündige Moruk kommt beiläufig daher, und ist doch stilsicher inszeniert und seinen Darstellern auf den Leib geschrieben. Das Duo Özdemir (Knallhart, 2006; Schwarze Schafe, 2006) und Yigit (1. Mai, 2008) könnte mit seiner Spielfreude auch einen Langfilm bestreiten.

24 Stunden Schlesisches Tor von Eva Lia Reinegger und Anna de Paoli ist eine 60-minütige Spontan-Annäherung ans „Schlesi“, eine der lebendigsten Ecken Kreuzbergs. Einen Tag lang verbrachten die dffb-Studentinnen mit der Digitalkamera (Luciano Cervio) zwischen Bulletten-Braterei, Hochbahn und türkischer Bäckerei und befragten Touristen und Einheimische nach ihrem Leben. Das sprunghafte Straßenporträt will möglichst viele Stimmen und Bilder einfangen, lässt den türkenhassenden Obdachlosen, den entspannten Alt-Berliner, die Philosophiestudentin oder den Müllmann zu Wort kommen. Bei aller Fragelust springt der Film immer weiter, obwohl es zunehmend spannender wäre, diesen Ort der widersprüchlichen Lebensentwürfe, der vermischten Kulturen, der einst die letzte triste Bahnstation vor Ostberlin war, auch in der Tiefe kennenzulernen. Eineinhalb Stunden Kreuzkölln sind nicht genug.
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