Killshot – Kritik

John Madden dreht einen langsamen Thriller und schwelgt abseits des Mainstreamkinos in Nostalgie.

Killshot

Gleich zu Beginn hat der Film seinen stärksten Moment. Der Halbindianer Armand Degas (Mickey Rourke), genannt Blackbird, wird von einer jungen Schönheit in ein großzügig ausgestattetes Loft geführt, wo er auf den etwas überraschten aber keineswegs überrumpelten Mafia-Paten von Toronto trifft. Der greise „Papa“ (Hal Holbrook) soll im Auftrag seines machthungrigen Schwiegersohns vom Auftragskiller Blackbird beseitigt werden. Beide sind Profis, beide wissen was passiert und so wird es dem nur in ein Handtuch gehüllten Paten sogar noch gestattet, sich etwas anzuziehen, bevor ihm Blackbird ein weißes Bettlaken wie ein Leichentuch über das Gesicht zieht und den Abzug seiner Waffe betätigt. Die Sequenz feiert die Archetypen einer vergangenen Ära, die so vermutlich nie existiert, aber auf die das Kino immer wieder Bezug genommen hat. Regisseur John Madden gibt der Mafia hier die Aura des Mythischen zurück, die Filme wie Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra (2008) zuletzt eben als solche entlarvten.

Leider sind diese Szenen in Killshot lediglich Momentaufnahmen. Im eigentlichen Hauptstrang der Geschichte nimmt der Haudegen Blackbird den schießwütigen Kleinkriminellen Richie Nix (Joseph Gordon-Levitt) unter seine Fittiche. Gemeinsam wollen die beiden den Ertrag einer Schutzgelderpressung bei einem Immobilienhändler einfahren. Dort treffen sie jedoch nicht auf den Makler, sondern auf Stahlarbeiter Wayne Colson (Thomas Jane), der die Gangster, anstatt sie zu bezahlen, mit einem Stahlrohr auf dem Parkplatz verprügelt. Noch auf der Flucht beschließt Blackbird: Wayne und dessen Frau Carmen (Diane Lane), ebenfalls Zeugin des vereitelten Überfalls, müssen sterben. Es darf – das ist das oberste Credo des Profikillers – keine Zeugen geben.

Killshot

Es ist ein ungewohntes Milieu, in das John Madden seinen Thriller einbettet. Das Duell zwischen einem Stahlarbeiter und einem halbindianischen Profikiller kurz vor dem Ruhestand wird wohl eher selten, und die Mafia in Toronto noch seltener im Hollywood-Kino thematisiert. Die karge Landschaft der amerikanisch-kanadischen Peripherie zwischen Toronto und Missouri ist als Schauplatz für eine solche Erzählung ebenso ungewöhnlich, sorgt aber dafür, dass der Film unheimlich geerdet wirkt. So wäre das Setting durchaus als Basis für einen Film geeignet, der über den konventionellen Genrebeitrag hinausgeht. Und Killshot ist sichtlich darum bemüht.

Killshot

Der Film zeigt Blackbird nicht nur als kaltblütigen Killer, sondern als prinzipientreuen, pragmatischen und durchaus freundlichen, vor allem aber besonnenen Menschen. Mit Wayne und Richie sieht er sich zwei Figuren gegenüber, die nur so vor Kraft und Tatendrang strotzen. Er selbst wirkt hingegen müde, aber dennoch wie ein Getriebener, der sich nicht einfach zur Ruhe setzen kann. Blackbirds Geschichte erzählt vom Altern. Wer könnte das im gegenwärtigen amerikanischen Kino treffender interpretieren als Mickey  Rourke? Armand „Blackbird“ Degas erinnert stellenweise stark an seinen Randy „The Ram“ Robinson in Darren Aronofskys The Wrestler (2008). John Madden konnte das freilich noch nicht wissen, denn auch wenn Killshot später als Aronofskys Film in die Kinos kommt, waren die Dreharbeiten bereits vorher abgeschlossen. Nachdem der Film bei Test-Screenings allerdings nur mäßig beim Publikum ankam, landete er zunächst in der Schublade der Weinstein-Brüder und später nochmals auf dem Schneidetisch.

Im endgültigen Ergebnis widmet sich Killshot ausgiebig der kriselnden Ehe Waynes und seiner Frau Carmen, die unter dem Eindruck der drohenden Gefahr durch die beiden Killer nun doch nicht mehr irreparabel scheint. Auch die Geschichte um den Mord am Mafia-Paten erhält immer wieder schlaglichtartige Aufmerksamkeit.

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Madden nimmt sich Zeit für diese drei maßgeblichen Stränge seiner Erzählung und entfaltet seinen Film in gemächlichem Tempo. Trotz der verhältnismäßig geringen Spieldauer wirkt der Plot selten gehetzt. Es gelingt Madden jedoch nicht, die einzelnen Teile des Films überzeugend miteinander zu fusionieren. Auch wenn alles auf den Zweikampf zwischen Wayne und Blackbird hinausläuft, thematisch sind die Geschichten voneinander isoliert und finden nie richtig zueinander. Dennoch wirkt Killshot in gewisser Weise wohltuend. Hartnäckig widersetzt er sich einer voranschreitenden „Mainstreamisierung“ einzelner amerikanischer Genres. Stattdessen frönt er Erinnerungen an Zeiten, in denen B-Pictures noch eine Existenzberechtigung und deren Regisseure besondere Freiräume hatten. Und  appelliert an ein Kino, in dem das Verbrechen noch so mythisch aufgeladen war, dass man vor lauter Bewunderung gar nicht dazu kam, über die Kohärenz eines Plots nachzudenken.

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