Auftrag Rache – Kritik
In Martin Campbells Kinoadaption seiner erfolgreichen BBC-Krimiserie gibt Mel Gibson sein Darsteller-Comeback als verzweifelter Vater, der den Mord an seiner Tochter aufklären will.

Häufig haftet den deutschen Verleihtiteln amerikanischer Mainstream-Produktionen etwas Reißerisches und Banales an. Auch im Falle von Auftrag Rache klingt der Originaltitel The Edge Of Darkness wesentlich tiefgründiger und poetischer. Indes ist der deutsche Titel – bei aller B-Movie-Attitüde – durchaus adäquat, denn so steht drauf, was letztlich drin ist.
Im Jahre 1986 brachte die BBC unter Regie von Martin Campbell und Autorenschaft von Troy Kennedy-Martin einen gefeierten Sechsteiler heraus, in dem ein Polizist den Mord an seiner einzigen Tochter aufzuklären versuchte. Die noch im Kalten Krieg angesiedelte Krimistory kreiste um atomare Kontamination, Anti-Atom-Bewegungen und – für damalige Zeiten innovativ – allerhand regierungskriminelle Verschwörungen.

Nun, ein Vierteljahrhundert später, realisiert Regisseur Martin Campbell sein lang gehegtes Projekt und adaptiert seine Erfolgsserie für die Kinoleinwand. Dabei setzt Auftrag Rache in verdichteter und inhaltlich leicht abgewandelter Form auf die gleichen Konzepte – ohne rechte Rücksicht darauf, dass derartige Thrillerplots seit 1986 dutzendweise im Kino zu sehen waren. So entwickelt sich auch dieser Film arg vorhersehbar.
Thomas Craven (Mel Gibson) ist ein ruhiger Mann. Der ganze Stolz des Witwers ist seine erwachsene Tochter Emma (Bojana Navakovic), die als Wissenschaftlerin bei einem Technologiekonzern arbeitet. Als sich Emmas Gesundheitszustand während eines Besuchs bei ihrem Vater plötzlich anfallartig verschlechtert, will Craven sie ins Krankenhaus bringen. Noch in der Tür von Cravens Haus wird Emma von einem maskierten Killer erschossen und stirbt in den Armen des Vaters. Thomas Craven ist Polizeiermittler, und so galt der Mordanschlag wahrscheinlich ihm.

Bereits in der Exposition zeigt der actionfilmbewährte Campbell (Golden Eye, 1995; Die Maske des Zorro, The Mask of Zorro, 1998; Casino Royale, 2006) zunächst seine sichere Hand für Spannungsdramaturgie: In wenigen Minuten entsteht eine vertraute Zweisamkeit zwischen Vater und Tochter, eine unaufgesetzte harmonische Normalität, in die sich der Tod mit derartiger Wucht und Brutalität den Weg bahnt, dass es die angeschossene Emma durch die Eingangstür fegt. Auf den Schock folgt retardierende Lethargie. Zeit, in welcher Craven und der Zuschauer begreifen müssen, was geschehen ist. Rituell wäscht sich Craven das Blut seiner Tochter vom Gesicht, verwahrt das blutige Handtuch einer Reliquie gleich in einem Glas. Warum Emma sterben musste, wer dafür verantwortlich ist und wie Craven die Täter zur Strecke bringt – das sind natürlich die Motoren, die diesen genretypischen Actionthriller als Mel-Gibson-Vehikel antreiben.

Gibson, der seit Shyamalans Signs – Zeichen (Signs, 2002) nicht mehr als Hauptdarsteller vor der Kamera stand, gibt in seinem Leinwand-Comeback einen Mann, der nichts mehr gewinnen kann und nichts mehr zu verlieren hat. Er hat nicht vor, irgendjemanden zu verhaften, er will nur die Antwort auf das „Warum“ und Sühne für das Verbrechen. In dieser simplen Outlaw-Setzung agiert Gibsons Figur überzeugend, fehlt ihr doch jegliche Heldenattitüde. Mit beruflicher Routine versucht Craven den Mordfall zunächst aufzurollen – der Schmerz scheint verinnerlicht zu sein und bildet den Antrieb für seine Mission.

Von dieser solide gearbeiteten Ausgangssituation hätte die Geschichte einen wirklich spannenden Lauf nehmen können, jedoch vermag der Plot den Film nicht ansatzweise glaubwürdig zu tragen. Das Drehbuch von William Monahan (Departed: Unter Feinden, The Departed, 2006) und Andrew Bovell versucht nach dem Motto „Was nicht passt, wird passend gemacht“ Versatzstücke aus dem ursprünglichen Serienstoff in einen zeitgenössischen Kontext zu bringen und schafft so eine zunehmende Aneinanderreihung von Klischee-Konstrukten und Standardsituationen, die den Zuschauer höchstens ob ihrer Banalität verblüffen können: Die Bösen sind erkennbar böse oder zumindest irre, und die strippenziehenden Politiker erkennbar über jedes menschliche Maß machtgierig. Da hilft es wenig, dass mit der Figur des geheimnisvollen Regierungsberaters Jedburgh (Ray Winstone) eine wirklich interessante und ambivalente Figur gelungen ist, die den Zynismus des kriminellen Zusammenspiels zwischen politischer Macht und Wirtschaft eindrucksvoll reflektiert. Denn die missglückte Adaption nivelliert sämtliche gelungenen Ansätze und macht Auftrag Rache zu einem derart trivialen Genrestück, dass Mel Gibson zum einzig wesentlichen Schauwert wird. Und darauf passt der deutsche Verleihtitel nur zu gut.
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Kommentare
Danijel
Ich habe den Film gesehen und er hat mir gefallen. Der Film-Review stimmt im Großen und Ganzen. Trotzdem ein durchaus sehenswerter Film. Mel Gibson ist wie immer großartig auf seine ganz eigene Art. Ray Winston und die Figur, die er spielt, sind atemberaubend. Das Ende ist grandios. Trotzdem stimmt es, dass vieles voraussehbar ist.
Erlkönig
Ich finde es lustig, dass sie dem Film gerade die Glaubwürdigkeit absprechen und ihm bescheinigen er sei vorhersehbar.
Aus meiner Sicht ist der Film überaus überzeugend. Und das liegt unter anderem daran, dass man jeglichen billigen Benzinkanisterexplosionseffekt vergeblich sucht und daran, dass das Drehbuch Charaktere und Hintegründe liefert, die für den Film schlicht die nötige Tiefe haben. Ich habe einen Film selten als so stimmig empfunden.
Zur Vorhersehbarkeit: Das ist vielleicht davon abhängig ob man die Serien oder Filmvorlagen vorher kennt. Ich habe mir diesen Film ohne Vorkenntnisse angeschaut, lediglich in der Erwartung ein Pendant zu 96 Stunden zu sehen. Meine Erwartungen wurden übertroffen.
Insgesamt erachte ich den Film als Großartig und gebe dem Drehbuch, der Regie, der Kamera und den Darstellern sehr gute Noten.
2 Kommentare