Wiener Dog – Kritik
Todd Solondz hat ein American-Indie-Remake von Bressons Zum Beispiel Balthasar gedreht. Mit einem Dackel. Und viel Humor.

Auf der Autorückbank sitzen drei Anhalter; mexikanische Einwanderer in Mariachi-Anzügen, die trüb ins Leere schauen. Das Mädchen mit der großen Brille (Greta Gerwig mit Hipster-Gestell, ansonsten aber keinem Anflug von Hipness) dreht sich euphorisch zu ihnen um und fragt die Männer, wie es ihnen denn in den USA gefalle. Ohne ihren Blick zu erwidern, antwortet einer von ihnen schwermütig: „Die USA sind wie ein trauriger Elefant, der langsam in einem See aus Verzweiflung ertrinkt.“
Hang zum Dekorativen
Der US-amerikanische Regisseur Todd Solondz hat eine Schwäche für Figuren in ausweglosen Situationen. Demütigungen gehören für sie fest zum Alltag – und wenn sie mal dagegen aufbegehren, machen sie sich schnell lächerlich. Viele meist nüchtern und sozialrealistisch ausgerichtete Filme machen es sich zur Aufgabe, von der Verkommenheit der Welt zu erzählen. Solondzs Arbeiten haben zwar eine ähnliche Agenda, unterscheiden sich aber schon durch ihren Hang zum Künstlichen und Dekorativen. So grau es in den Herzen der Menschen auch sein mag, die Bilder glänzen so bonbonfarben wie ein Einrichtungskatalog. Ein anderes Alleinstellungsmerkmal ist, dass Solondz von den Problemen seiner Figuren mit den Mitteln der Komödie erzählt. Figuren, die „Opfer“ auf ihrer Stirn stehen haben und in einem passiv-aggressiven Singsang kommunizieren, erträgt man vermutlich nur mit ein wenig Humor. Die Mexikaner – die in Wiener Dog nur einen kurzen Gastauftritt haben – sind dafür ein gutes Beispiel: Sie personifizieren zwar ein reales Dilemma, werden aber derart überzeichnet, dass sie den Zuschauer wieder zum Lachen bringen.
Ein Vergewaltiger namens Mohammed

Wiener Dog ist gewissermaßen die American-Indie-Variante von Robert Bressons Zum Beispiel Balthasar (Au hasard Balthazar, 1966) – wenn auch weniger asketisch und dafür deutlich wehleidiger und zynischer. Statt einem Esel ist es hier ein Dachshund, der ständig seine Besitzer wechselt und dadurch den Blick auf eine Reihe verschiedener gescheiterter Existenzen freilegt. Der Hund, oder besser gesagt die Hündin, ist dabei vor allem Projektionsfläche und Stellvertreter des Menschen – auf welch unterschiedliche Weise, das zeichnet sich gleich in der ersten Episode ab. Während die Vierbeinerin für den kleinen Remi (Keaton Nigel Cooke) die einzige Freundin ist, verkörpert sie für seine eiskalte Mutter Dina (Julie Delpy) lediglich ein minderwertiges Geschöpf, dem der Mensch seinen Willen aufzwingen muss.
Solondz beweist hier schon mal, dass er mehr Humor als Bresson hat (böse Zungen könnten jetzt behaupten, dass das auch nicht so schwer ist). Wenn bei ihm die Hündin zur Metapher wird, gibt es meist reichlich zu lachen. Etwas als Dina ihrem Sohn die Sterilisation des Tieres schmackhaft machen möchte und eine völlig abstruse Geschichte erzählt, in der ihre verstorbene Hündin Croissant von einem Streuner namens Mohammed vergewaltigt und mit Hunde-AIDS angesteckt wird. In einer späteren Episode taucht der Kontrollzwang des Menschen über scheinbar unterlegene Lebewesen in einem anderen, ernsthafteren Kontext auf. Diesmal geht es um ein Pärchen mit Down-Syndrom, das sterilisiert wurde, um sich nicht fortpflanzen zu können. Als Kinderersatz bekommen sie den kleinen Dackel.
Mangel an Perfektion

Wiener Dog erweist sich als ebenso lustige wie bösartige Reflexion über unseren vermeintlich besten Freund, mehr aber noch über zwischenmenschliche Störungen und die erfolglose Suche nach dem persönlichen Glück. Dabei hat der Film allerdings ein Problem, unter dem die meisten von Solondzs Filmen leiden: Während sie im Kleinen – etwa durch ihre furchtlose Behandlung von Tabuthemen oder ihre gnadenlose Figurenzeichnung – ziemlich toll sind, wirken sie als Ganzes nie ganz rund. Diesmal hat das vor allem mit der losen episodischen Erzählweise zu tun, bei der Solondz sich zunächst noch recht clever über Assoziationen und Leitmotive vortastet, sich aber irgendwann nur noch für seinen eigenen, über die Jahre geschaffenen Kosmos interessiert – in dem auch alte Figuren auftauchen, wie die nun von Gerwig gespielte Dawn Wiener aus Willkommen im Tollhaus (Welcome to the Dollhouse, 1995). Und obwohl sie nicht geradewegs schlecht wäre: Warum wir auch noch die Geschichte des vereinsamten jüdischen Drehbuchautoren Dave Schmerz (Danny DeVito) sehen müssen, die etwas verloren im Film wirkt, leuchtet nicht ganz ein. Die meiste Zeit kann man aber trotzdem seine Freude mit Wiener Dog haben. Vielleicht sollte man ihn einfach so sehen wie eine von Solondzs Figuren: Erst die mangelnde Perfektion macht ihn interessant.
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Kommentare
Dackelfreund
Definitiv kein Film für Dackelliebhaber und Tierfreunde überhaupt, das Ende ist übertrieben grausam und grenzt schon an Perversion. Bloß keine Kinder anschauen lassen!
1 Kommentar