Gefühlt Mitte Zwanzig – Kritik
Als wir Hipster waren: Creative-Class-Chronist Noah Baumbach hat eine fast altmodische Komödie gedreht. Seinem Kino steht das gut.

Ein Film sprüht nur so vor Ideen; das kann ja vieles heißen, Gutes wie Schlechtes. Lahmes Brainstorming-Gepose oder anregender Overkill. Noah Baumbach sprüht gern mal vor Ideen, und manch einer mag genau das seinen Filmen vorwerfen. Sein neuestes Werk Gefühlt Mitte Zwanzig (dass der deutsche Verleih für den Titel mal wieder eine eigene Idee raussprühen musste, ist angesichts des schön schlichten Originaltitels While We’re Young mehr als schade) verfolgt ein paar wenige (man könnte sagen: zu wenige) Grundideen und reichert diese mit allerlei (man könnte sagen: zu vielen) Plot-Ideen an. Aber dieses Ungleichgewicht stört spätestens dann nicht mehr, wenn man sich mitten im Kurs auf den Showdown befindet: Ben Stiller als Rächer auf Rollschuhen und als Retter des Realen.
Nicht mehr jung, noch nicht alt

Im ersten Teil des Films, noch bevor er sich in lustvollen Variationen bekannter Plot-Point-Dynamiken verdientermaßen gefällt, verdichten sich die thematischen Leitmotive in musikalischen Einlagen und dem, man sollte das ruhig so nennen, Kostümdesign: Naomi Watts tanzt Hip-Hop, und Ben Stiller shoppt sich einen Hut. Was mit den beiden los ist: Als Mitt-Vierziger-Paar Josh und Cornelia, das sich abgefunden hat mit dem kinderlosen Leben, haben sie das deutlich jüngere Pärchen Jamie (Adam Driver) und Darby (Amanda Seyfried) kennengelernt – und sich ziemlich verschossen in die creative energy der New Yorker Twentysomethings. In den Händen eines so gewieften Drehbuchschreibers wie Baumbach ergibt sich schon aus dieser Grundkonstellation eine ganze Armada an komischen Szenen, die auch vor der gnadenlosen Ausbeutung von Hipster-LOHAS-Klischees nicht zurückschrecken; zu viel Spaß macht es wohl, die vier neuen Freunde zu einem Come-Together beim Schamanen zu schicken, bei dem die anwesenden Großstädter ihre Dämonen im wörtlichen Sinne auskotzen sollen. Und doch hat die Sache einen wehmütigen Kern, um den der Film ebenso weiß: Josh und Cornelia stecken in der Falle zwischen Nicht-mehr-jung-sein und Noch-nicht-alt-sein, und da raushelfen können ihnen auch die Hipsten der Hippen nicht.
Retro-Chic und Nostalgie

Als Josh auf seinem Smartphone nachgucken will, was gerade niemand in der Runde weiß, lächelt Jamie diesen Versuch mal eben weg: „Maybe we should just decide to not know.“ Eine Parallelmontage ist da gar nicht mehr nötig, aber sehr spaßig: Während die Älteren auf ihren Screens rumtatschen, hämmert Jamie seine neuesten Ideen auf ein Blatt Papier in seiner Schreibmaschine. Die Plattensammlung des Jüngeren hat Josh auf CD. Erst langsam werden Josh und Cornelia gewahr, dass ihr bemühtes Mitkommen für die Katz ist, weil die, mit denen man mitkommen will, das Mitkommen selbst ziemlich uncool finden. Das Begehren der Jüngeren gilt einem Fetisch, den die Älteren als Vergangenheit kennen und deshalb nicht unbekümmert begehren können. Auf dem Feld des Angesagten sind sie zur Nostalgie verdammt.

Vielleicht auch deshalb lässt Baumbach seinen Anti-Helden Josh schließlich das tun, was immer(hin) geht: hinter die hippe Fassade blicken, die kreative Maskerade entlarven, als bloß neueste Form des Mitkommen-Wollens. Gefühlt Mitte Zwanzig hat für den Generation-Clash deshalb nicht nur die Arena des Zwischenmenschlichen gebucht, sondern auch die der kreativen Produktion: Josh und Jamie sind beide Dokumentarfilmer, der eine schlägt sich seit acht Jahren mit einem Mammutprojekt um unzählige Themen herum – „but it’s really about America“ –, der andere erfindet ganz beiläufig das Genre neu und kann das dann auch noch vermarkten. Im Aufeinandertreffen zwischen unterschiedlichen Umgängen mit der Echtheit des Dokumentarischen – dazu gehört auch noch Cornelias Schwiegervater als eine Art Frederick-Wiseman-Übervater – werden die großen Themen dieses Films durchgespielt: Alter, Männlichkeit, Authentizität, Kapitalismus. Bis hin zum Handschlag zwischen dem hippen jungen Filmemacher und einem dumpfbackigen Jungunternehmer.
Bumerang-Filme

„Was ist das Gegenteil von: Die Welt liegt mir zu Füßen?“, fragt Josh seine Frau irgendwann. Wenn man derartige Sätze so komisch wie fast herzzerreißend findet, fühlt man sich auch gleich ein bisschen ertappt, denn freilich zerreißt Baumbach hier nur die Herzen derer, auf die er ohnehin abzielt. Seine Filme sind Bumerang-Würfe, der Blick entspringt genau dem Milieu, auf das er sich richtet: das der kreativen und zur Kreativität verdammten Großstädter des 21. Jahrhunderts. Dabei lässt Baumbach keinen Zweifel daran, wer den Bumerang wirft, versucht die eigene Kreativität gar nicht erst hinter dem Deckmantel des Dokumentarischen zu verschleiern, wie Jamie das tut. Wenn seine Figuren sich manchmal wie Klischees anfühlen, dann eben nicht, weil er nur klischeehaft denken kann, was er nicht kennt, sondern weil er das zu Klischees umarbeitet, was er viel zu gut kennt. Diese präzise Konstruktionsleistung (trotz allem ernsthaften Interesse an den Unsouveränitäten der Oberschlauen) entfernt ihn von den selbstreflexiven Draufhaltern der Mumblecore-Generation; seiner Milieu-Chronistenpflicht kommt er nicht durch vermeintliche Reduktion von Distanz nach, sondern indem er sich ganz in seinen konsequent ausgespielten Plot wirft. Gefühlt Mitte Zwanzig kommt in dieser gemessen an seinem Sujet fast altmodischen Lust an der klassischen Dramaturgie eher wie eine Erinnerung an die Gegenwart daher denn wie eine Studie derselben.

Dem Film tut das alles verdammt gut: Es sind gerade die bekannten Wegmarken – die Entlarvung einer Verschwörung, Bruch und Versöhnung der sich ja doch irgendwie Liebenden, der erwähnte Showdown –, die ihn als eine Kino-Komödie erfahrbar machen und nicht als Besuch der neuesten Smartness-Ausstellung. Denn im Mainstream-Gewand, das niemals seine Gemachtheit kaschiert, sind sowohl die unzähligen Plot-Ideen, die Lacher von cleveren Dialogzeilen bis zum Slapstick, wie auch die Grundfragen um Realness und Alter, zu denen der Film immer wieder zurückkehrt, äußerst gut aufgehoben. Als ernst gemeinte Komödie ergeht sich Gefühlt Mitte Zwanzig weder in einer Alles-egal-alles-lustig-Hipness, noch will er für völlig bare Münze genommen werden. Der kleine Remarriage-Epilog jedenfalls ist alles zugleich: romantisch, konventionell und herrlich ironisch.
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