Entertainment – Kritik

In seinem neuen Film schickt Rick Alverson einen depressiven Stand-up-Comedian durch die kalifornische Wüste und lässt ihn geschmacklose Witze erzählen. Ein Lachen, das im Halse stecken bleiben könnte, gibt es hier erst gar nicht.

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Von weit oben sehen wir, wie der traurige Clown sich umdreht und das Set verlässt. Dem Dreh eines YouTube-Videos hatte er eigentlich zugestimmt, mitten in der Wüste stellt das zweiköpfige Team gerade die Kamera auf, da dreht der traurige Clown sich um und geht den Weg zurück zum Auto, nun völlig am Ende, nun endgültig ganz allein. Man könnte sich ihm jetzt ganz nahe fühlen, aber daran hat der Regisseur Rick Alverson kein Interesse.

Der traurige Clown, das ist der namenlose Protagonist von Alversons Entertainment, wobei „traurig“ gar kein Ausdruck ist für diese jämmerliche Existenz, und „Clown“ trifft die Sache auch nur bedingt. Gregg Turkington spielt einen Stand-up-Comedian, der mit Riesenbrille und fettigen Haaren durch abgelegene Käffer in der kalifornischen Wüste tourt, Witze erzählt, die niemand witzig, sondern höchstens anstößig findet, und der daraufhin das undankbare Publikum beleidigt. Als eine Zuschauerin mal Kontra gibt und ein Glas nach ihm wirft, dreht er erst so richtig auf. Dass sie vielleicht gar nicht werfen wollte, sondern nur auf dem Sperma ausgerutscht sei, das ihr aus dem Arsch tropft, vermutet er.

Existenzielle Abgründe der Stand-up-Comedy

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2.66:1, das ist das Bildformat von Entertainment, ein nochmal in die Breite gezerrtes Cinemascope also, und das ist wohl irgendwas zwischen Hommage an die und Verarschung der existenzialistischen Tableaus der Kino-Moderne. Die Räume sind leer, der Mensch vor Hintergründen, die ihm zu groß sind, wie bei Antonioni. Die Anrufe bei der Tochter versanden beim Anrufbeantworter, noch so ein Entfremdungs-Klischee, das Alverson eher so augenzwinkernd reinbringt. Ein Cousin (John C. Reilly) rät dem Entertainer zu einem Business Plan, damit er der Welt sein Talent nicht weiter vorenthält. Dabei sitzen die beiden in trauter Disharmonie in der Wüste, und man fühlt sich tatsächlich an den ein paar Szenen zuvor explizit erwähnten Five Easy Pieces (1971) erinnert, an einen anderen Clash zwischen amerikanischem Realismus und europäischer Auteur-Moderne.

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Nur dass dies nicht mehr die Siebziger sind und die heute unter die Lupe genommene Existenz eben solche Jokes bringt: Warum füttert Madonna ihr Baby mit Hundefutter? Weil es eben das ist, was aus ihren Brüsten kommt. So geht das die ganze Zeit, und Turkington mit seinem Pokerface dabei zuzusehen ist so abstoßend wie anregend, weil er – der mit seiner Bühnenpersona Neil Hamburger auch jenseits des Kinos diese Art von Anti-Comedy praktiziert – damit eben auch eine wichtige Dekonstruktion vollführt: Denn der Tabubruch besitzt keinerlei affektive Kraft mehr, wird in der Überspitzung als die völlig entleerte und reaktionäre Geste sichtbar, die er heute meist ist. Der Protagonist von Entertainment ist eine Art Andy Kaufman der Ära selbstzufriedener political incorrectness – und deshalb ein Widerspruch in sich, zumindest für Alverson, dessen Film anmutet wie ein Abgesang auf Stand-up-Comedy, aber weiß Gott kein melancholischer, sondern ein sadistischer, einer, der die Sache noch beschleunigen will.

Nur ein widerliches Gesicht

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In Kontinuität zu Alversons letztem Film The Comedy (2012) – der aus Anlass des aktuellen Kinostarts in ein paar deutschen Städten ebenfalls zu sehen sein wird – steht Entertainment nur auf den ersten Blick. Zwar kämpfte sich auch der mit einem ähnlich obszön-beleidigenden Humor bewaffnete Protagonist des früheren Films durch eine psychologisch immer prekärer werdende Welt. Doch war The Comedy dabei noch näher an einer Bestandsaufnahme ironistischer Subjektivität, Alex Ross Perrys The Color Wheel (2011) darin nicht unähnlich. Die kompromisslose offensive-ness als letzte defense ist nun zwar auch Kern von Entertainment, allerdings vom dialoglastigen Reich der Comedy in einen strengen Formalismus überführt, der nicht mehr naturalistisch den Sprach-Habitus privilegierter Hipster unter die Lupe nimmt. In Entertainment wird kaum gesprochen, da ist nur ein widerliches Gesicht, aus dessen Mund unflätige Bemerkungen kommen. Und ein Körper, der sich durch den Bildrahmen schleppt, dazu monoton dröhnende, manchmal fast sphärische Klänge auf der Tonspur, die nach einem großen Abgrund klingen.

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Es ist nicht leicht, diesem Film beizukommen, es ist nicht einmal leicht, ihn anzusehen. Selbst Unbehagen ist dafür eigentlich noch ein zu schwaches Wort, es gibt das Lachen ja gar nicht, das im Hals stecken bleiben könnte. Es geht auch nicht um Entertainment als harte Arbeit, um einen Blick hinter die Kulissen, es geht um die Erbärmlichkeit von Tätern wie Opfern einer bestimmten Form von Unterhaltung, der der Film keinerlei kulturelle Autorität mehr zubilligen will.

Anti-Fundance

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Die Art und Weise jedenfalls, wie Entertainment vor den Kopf stößt, ist keine, die Spaß machen soll, und das ist gut so. Wenn der traurige Clown irgendwann mit einem blutigen Neugeborenen im Schoß auf dem Fußboden sitzt, dann ist man längst nicht mehr fassungslos, sondern schon jenseits jeder möglichen emotionalen Verfasstheit. Ein bisschen scheint Alverson mit seinem Film auch, analog zu dessen „Helden“, einem Publikum vor den Karren fahren zu wollen, das auf das nächste große Ding aus der Independent-Welt wartet. Comedy, Autorenkino-Gestus, krasses Bildformat, und dann noch die Darlings der Szene – Michael Cera, John C. Reilly, Amy Seimetz – mit diversen Cameo-Auftritten. Wenn man so drüber nachdenkt, ist das eigentlich doch alles ziemlich lustig.

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