Die Spezialisten – Kritik
Gauner-Coup par excellence. Patrice Lecontes Heist-Movie aus dem Jahr 1984 ist stilsicheres, spannendes Actionkino.

Zwei Männer hängen am Abgrund. Sie sind mit Handschellen aneinander gekettet, beide nur durch den Klammergriff des anderen gesichert. Wenige Sekunden trennen sie von ihrem gemeinsamen Tod oder einer unwahrscheinlichen Rettung. Es ist jenes Bild der schieren Ausweglosigkeit, das so typisch ist für die körperbetonten Actionthriller seit den 1980er Jahren – das Adrenalin steigt mit jedem Augenblick, dem Zuschauer werden die Atemwege abgeschnürt. Das kennt man aus Filmen wie In tödlicher Mission (For Your Eyes Only, 1981), Cliffhanger (1993) oder der Mission: Impossible-Serie (1996-2011), in denen der Zustand des „edge survival“ auf unterschiedliche Weise durchdekliniert wird.
Im französischen Action-Klassiker Die Spezialisten (Les spécialistes, 1984) von Patrice Leconte sind diese beiden Männer zunächst Rivalen. Stéphane (Gérard Lanvin) ist Krimineller und schlägt sich nach einem missglückten Überführungsversuch von Seiten der Gendarmerie zusammen mit dem (vermeintlichen) Gangster Paul (Bernard Giraudeau) durch die Wildnis. Das passiert ganz nach dem großen Vorbild Flucht in Ketten (The Defiant Ones, 1958), nach dem viele Abenteuerfilme konzipiert wurden. Dabei liefern sich die beiden regelmäßig einen verbalen Schlagabtausch, der über die gesamte Spielzeit als humoristische Konstante funktioniert und den Film zur geglückten Buddy-Komödie macht. Viele der Gags entstammen dem guten Drehbuch von Michel Blanc, die Sprüche des einen wirken auf den Gefühlszustand des jeweils anderen Protagonisten abgestimmt und sind weitestgehend unvorhersehbar – und das drei Jahre, bevor die Amerikaner mit Lethal Weapon (1987-98) in Serie gingen.

Dem schwarzen und dem weißen Cop aus Richard Donners Spektakel steht in Les spécialistes die unfreiwillige Zusammenarbeit zwischen Paul und Stéphane gegenüber, wobei ersterer bald als Polizist entlarvt wird. In unsentimentalen Streitigkeiten führt der Film die zunächst gefährdete Partnerschaft der beiden fort; er vermeidet einen Bruch und die damit verknüpfte Dramatisierung figuraler Gegensätze, die in einem Film wie Mission: Impossible 2 (2000) unnötiger Ballast war und im Kontext des Actionplots störend wirkte. Stattdessen weiß Lecontes Film mit klassischen Motiven zu unterhalten. Zusammen mit Femme fatale Laura (Christiane Jean) planen die beiden Helden den Super-Coup, den Raub des Casinos Mazetti in Nizza. Laura ist es auch, die den beiden Unterschlupf gewährt und während des Vorhabens immer wieder Hilfestellung leistet – im Gegensatz zu ihren Partnern mit möglichst wenig Worten.

Der Vergleich mit der erfolgreichen Agentenfilmreihe Mission: Impossible – das französische Originalplakat verweist sogar in einem Spruch direkt auf die „Unmöglichkeit“ des Plans – funktioniert auch im Finale des Films. Der Einbruch im Casino wird nach einem exakt getimten Ablauf durchgeführt, der aber immer auch unerwartete Herausforderungen mit sich bringt und den Beteiligten alle Register ihres Könnens und ihrer Spontanität abverlangt. So durchquert Paul, nur durch einen Seilzug getragen, den im Fußboden magnetisch geschützten Tresorraum des Casinos. Ein exakt ausgerichtetes, großformatiges Abbild der Tresortür dient als Ablenkungsmanöver und lässt ihn so den videoüberwachten Raumbereich „verschieben“. Les spécialistes zelebriert in diesen späten Sequenzen genussvoll die damaligen Möglichkeiten der Technik – so wie es jede populäre Agentenserie zu tun pflegt. Diese State-of-the-Art-Spektakel finden häufig in Innenräumen statt, und genau in dieser Phase vollzieht der Film merklich einen lokalen Bruch. Der anfänglich vor der Landschaft der französischen Seealpen etablierten Natürlichkeit der Bilder wird eine sterile Künstlichkeit gegenübergestellt, Weitläufigkeit weicht räumlicher Abgeschlossenheit.

Diese Merkmale dienen einem klar definierten Spannungsaufbau, weniger der Figurenpsychologie. Stéphane und Paul sind Individualisten, ihr eigenständiges Erscheinungsbild wird auch immer von ihrem Umgebungsfeld abgehoben. Je mehr sie tun, desto besser. Ihre Handlungen – gegen Ende immer häufiger spontan und scheinbar aus dem Affekt – stehen für sich selbst und entsprechen ganz den Gesetzen des Actionkinos. Die auflockernde Stimmung durch die immer wieder eingestreuten Witze unterstützt ihre häufig selbstironische Charakterisierung. Auch umgehen Stéphane und Paul konsequent die ihnen vorgegebenen Grenzen. In erster Linie ihrem eigenen moralischen Kodex verpflichtet, sind sie das Gesetz; die eigentlichen Ordnungshüter verblassen zu korrupten und inkompetenten Gestalten. Einer These des Filmwissenschaftlers Thomas Elsaesser zufolge ist dies ein entscheidendes Merkmal des postmodernen Actionfilms – und das bereits drei Jahre vor dem amerikanischen Peak Stirb langsam (Die Hard, 1987).
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