Body – Kritik

Irgendwas mit Medium: Die Unentschlossenheit von Malgorzata Szumowskas Tragikomödie um ein Vater-Tochter-Verhältnis ist theoretisch anregend.

Body 03

Olga soll aus sich herausgehen. Die Gruppentherapie für Magersüchtige in der ihr bereits bekannten Klinik bietet Raum für kathartische Projektionen. Ein anderes Mädchen übernimmt die Rolle von Olgas Vater, wird zur Ersatz-Adressatin der an diesen gerichteten Vorwürfe. Als Olga irgendwann murmelt, am liebsten würde sie ihrem Vater einfach nur in die Fresse hauen, ist das für die Therapeutin auch kein Problem. Das andere Mädchen bekommt ein Polster verpasst, und Olga schlägt zu, soll dabei fortwährend erklären, warum sie zuschlägt. „Weil du trinkst“, kommt es zögerlich aus dem Mund der jungen Frau, dann: „Weil ich bei dir bleiben musste, als Mutter gestorben ist.“ Und dann immer wieder: „Weil Mutter tot ist.“

Hemmungen in Inhalt und Form

Body 01

Viel mehr als die in ihr enthaltene Information kommt auch in der Szene selbst nicht rüber; Body ist ein gehemmter Film, selbst noch in den emotionalen Ausbrüchen. Zum Teil ist diese Hemmung selbst auferlegt, entspricht die Form dem, was Regisseurin Malgorzata Szumowksa thematisch umtreibt: die Lustfeindlichkeit der polnischen Gesellschaft, wie sie sich vor allem in einem gestörten Verhältnis zum Körper ausdrückt, in Olgas (Justyna Suwala) Anorexie oder in den achselzuckenden Begegnungen ihres Vaters Janusz (Janusz Gajos), eines Staatsanwalts, mit entstellten Leichen. Und sie entspricht der Geschichte: Auch zwischen Olga und ihrem Vater Janusz (Janusz Gajos) ist vieles unausgesprochen; der Selbstausdruck für beide eher einer Bürde denn eine Selbstverständlichkeit. Aber die subtile Anspannung, die diese Hemmung in den Figuren verursacht, vermittelt der Film nur selten, gefällt sich besser in Versuchen tragikomischer Leichtigkeit, die im schönen Prolog noch viel verspricht, später aber nur noch durch mal gelungene, mal gezwungene Skurrilitäten beschworen wird. Ausbrüche ästhetischer Natur sind noch seltener als die emotionalen. Einmal steuert die Tonspur plötzlich hoch, da steht Janusz mit seinem Wagen an einer roten Ampel, und von außen wollen ihm mit Putzlappen bewaffnete Männer an die Autowäsche. Da wird jene innerliche Angst, die er nicht an sich heranlässt, tatsächlich einmal spürbar. Aber die Szene währt kurz, kommt eher als kurzes Gimmick daher, bevor der Film in seinen sterilen Modus, in sein gemächliches Arthouse-Tempo zurückfindet. Es geht weiter im Takt.

Ein bisschen therapieren, ein bisschen kommunizieren

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Getaktet ist Body zunächst wie ein etwas ambitionierterer Tatort mit fantastischen Untertönen: Der Staatsanwalt hat mit persönlichen Problemen zu kämpfen, ein von seiner Mutter verlassenes totes Neugeborenes wird gefunden, die zugehörige gesellschaftliche Relevanz (Abtreibungsverbot) bald explizit gemacht. Aber der Fall wird fallen gelassen, und Szumowska verengt die Handlung immer stärker auf den privaten Raum, auf den alleinerziehenden Vater und seine Tochter sowie auf jene Frau, die beider Leben durcheinander bringt. Anna (Maja Ostaszewska) ist Therapeutin, hat einen übergroßen Hund, mit dem sie in einem Bett schläft (was wohl auch als irgendwie gestörte Sexualität gelten soll), eine auffällige Lesebrille und von Zeit zu Zeit einen recht irren Blick drauf. Das kommt von ihrer Nebentätigkeit. Denn Anna kann seit dem Tod ihres Sohnes mit Gestorbenen kommunizieren. Nach der Schreitherapie in der Klinik sehen wir sie an einem Tisch mit alten Menschen sitzen, den Blick starr nach vorn gerichtet, blitzschnell und ohne hinzusehen ein Blatt Papier beschreibend. Sie schreibt, und durch sie schreibt sich ein Brief aus dem Jenseits. Die paranormale Ebene passt sich auf eine recht amüsante Weise in die realistische Inszenierung ein: ein bisschen therapieren, ein bisschen kommunizieren, was man eben so macht als Medium.

Flucht durch den Nebenausgang

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Der Clou des Films ist seine erschwerte Fassbarkeit, das Gefühl, dass man nicht so recht weiß, wohin die Reise eigentlich geht. Dieser narrative Schwebezustand ist nicht uninteressant, in Verbindung mit den sterilen Settings, dem zurückgenommenen Schauspiel und der konventionellen Ästhetik frustriert er aber auch zunehmend. Szumowkas eigensinniger Tonfall, ein pointenarmer und mehr angedeuteter schwarzer Humor legt sich eher auf das Motiv der fehlenden Mutter oder den Topos der Kommunikation mit den Toten an sich, nicht aber auf die konkrete Geschichte. Auch dass mit diesem Topos natürlich die Frage nach dem Status des Übernatürlichen im Raum steht, dass also in seiner Mitte ein Rätsel steckt, verleiht dem Film kaum Spannung, weil es weniger einer Beschwörung des Rätselhaften folgt als der Logik eines Rätselhefts: Es scheint von Anfang an säuberlich konzipiert und durchdacht zu sein, und wir dürfen bei seiner Selbst-Auflösung zusehen. Dass diese dann tatsächlich überrascht, nicht nur handlungstechnisch, sondern auch als Bild in andere Sphären vorstößt, als erhabener, entrückter Moment der Erlösung, das ist dankbar angenommene Befreiung für Figuren wie Zuschauer; für den Film aber ist es die Flucht aus dem Labyrinth durch einen Nebenausgang, dessen Existenz er zuvor geleugnet hat.

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