A.C.A.B.: All Cops Are Bastards – Kritik
Der Polizist: ein Opfer im Prozess, der Gesellschaft konstruiert. Stefano Sollimas Debüt erzählt vom komplexen Geflecht der Gewaltströme.

»Heute empfangen wir die Strafe für das, was in dieser Nacht in Genua geschah«, sagt einmal einer der Riot Cops in Stefano Sollimas eindrucksvollem Polizeifilm A.C.A.B. – All Cops Are Bastards. Der Fluchtpunkt des Geschehens ist ohnehin stets präsent: die seinerzeit von einer schockierten Weltöffentlichkeit verfolgte Eskalation der Polizeigewalt bei der Niederschlagung der Proteste von Globalisierungsgegnern anlässlich des G8-Gipfels im Jahr 2001. Gemeint ist die Stürmung der Diaz-Schule in Genua, in der damals viele Demonstranten kampierten, durch eine Spezialeinheit der italienischen Polizei, die über 60 teils schwerverletzte Opfer zur Folge hatte. Lange bemühte man sich nach Kräften, die brutale Aktion durch fingierte Indizien und untergeschobene Molotov-Cocktails zu rechtfertigen und die exzessive Polizeigewalt zu vertuschen, bis schließlich fast zehn Jahre später eine Reihe der Täter endlich verurteilt wurde.

In seinem Kinodebüt blickt nun Stefano Sollima, der Sohn des großen italienischen Genreregisseurs Sergio Sollima, in das Innenleben einer jener Polizeieinheiten hinein, die stets auf der anderen Seite stehen: wenn Demonstrationen aus dem Ruder zu laufen drohen, wenn Neofaschisten im Zeichen eines vermeintlichen Heimatschutzes Moscheen besetzen und das Gesetz in die eigene Hände nehmen, oder – das tägliche Brot gewissermaßen in diesem sehr geerdeten Film – wenn gewaltgeile Ultra-Hooligans aus öffentlichen Räumen blutige Schlachtfelder machen. Gut kommt dabei letztlich niemand weg, auch wenn Sollima immer wieder Gründe – nicht: Rechtfertigungen – für die beizeiten unkontrolliert eskalierende Wut der Polizisten anführt.

Per definitionem ist ja die gesetzliche Gewalt diejenige, das hat schon John Ford in seinen großen Western gezeigt, die ihre moralische Rechtfertigung nur über ihre enge Begrenzung durch strenge Regeln aufrechterhalten kann – Regeln, die für einen Kriminellen eben nicht gelten. Der Polizist ist somit einerseits der gebundene Jäger, der immer im Nachteil gegenüber seinem freien Gegenspieler ist – und zugleich der schizophrene Hüter der Gesellschaft, der einerseits in ihrem Namen und zu ihrem Schutz Gewalt auszuüben legitimiert ist und der doch gerade durch diese Rolle niemals wirklich Teil der Gesellschaft sein kann, die er zu konstruieren und zu bewahren hilft. Zerrissen zwischen diesen paradoxen Kräften, die an ihm zerren, ist der Polizist letztlich derjenige, der sich selbst verschwendet als ein Opfer im Prozess, der Zivilisation herstellt.

Stefano Sollimas Film weiß um das komplexe Geflecht von Gewaltströmen und seine zerstörerische Wirkung auf das Individuum und erzählt davon ohne allzu grobe Vereinfachungen und zu große Zugeständnisse an die oft allzu konsumistisch-konservative Erwartungshaltung des Genre-Zielpublikums. Dass A.C.A.B. dennoch nicht zu einem bemühten Traktat geraten ist, sondern als zwar fragmentarisch strukturierter, aber doch mitreißender Polizeithriller überzeugt, das kann man ihm eigentlich kaum hoch genug anrechnen. Der intelligenten, stets zu gleichen Teilen politischen wie schamlos reißerischen Idee vom Genrekino, für die der Name Sollima immer schon stand, macht er mit seinem Debüt alle Ehre.
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